Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Mathias Bruchmann Lizenz: CC BY-SA 4.0
Der Münchener C. H. Beck-Verlag trennt sich von einem Autor
Hans-Georg Maaßen ist den politisch Korrekten ein Ärgernis. Als Chef des deutschen Verfassungsschutzes wird er 2018 von der damaligen Merkel-Regierung in den einstweiligen Ruhestand versetzt, weil er bestreitet, dass es für eine angebliche „Hetzjagd“ auf Ausländer in der mitteldeutschen Stadt Chemnitz hinreichende Belege gegeben habe. Außerdem haftet ihm eine sogenannte Kontaktschuld an, da er mit leibhaftigen AfD-Politikern geredet habe. Derzeit ist Maaßen im Gespräch, weil er für den Vorsitz der Werteunion kandidiert. Diese Werteunion ist eine Vereinigung aus CDU-Mitgliedern und -Sympathisanten, deren Ziel es ist, die CDU auf einen konservativen Kurs zu bringen.
Das woke Milieu gibt sich freilich nicht damit zufrieden, Maaßen als obersten Verfassungsschützer abzuschießen. Nein, man will einer solchen Person auf allen Linien schaden. Zum Beispiel durch ein Publikationsverbot im wissenschaftlichen Bereich. Im konkreten Fall wirft ein gewisser Stefan Huster den ersten Stein. Huster, ein Sozialrechtler aus Bochum, betreut im angesehenen Grundgesetz-Kommentar von Volker Epping/Christian Hillgruber, herausgegeben vom Wissenschaftsverlag C. H. Beck, die Grundgesetz-Artikel 20 und 20a, Maaßen hingegen seit 2009 die Artikel 16 und 16a.
In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (FAZ) vom 17. August 2022 veröffentlicht Huster einen Gastbeitrag. Der Untertitel verrät bereits, woher der Wind weht: Warum ich das Grundgesetz nicht mehr gemeinsam mit Hans-Georg Maaßen kommentieren möchte. Der offenbar über Gebühr sensible Kommentator empfindet nach eigenem Bekunden ein Störgefühl, weil sein Beitrag zwischen zwei Buchdeckeln mit Maaßen erscheine. Sein leicht durchschaubares Begehren: Der C. H. Beck-Verlag möge sich doch von Maaßen trennen.
Der Verlag erteilt Huster eine Abfuhr, die beiden Herausgeber des Grundgesetzkommentars, Epping und Hillgruber, Professoren in Hannover und Bonn, werfen Huster in einem Rundbrief an die übrigen Autoren vor, den Verlag und die Herausgeber unter ungebührlichen politischen Druck zu setzen und in Misskredit zu bringen. Ihr Grundgesetz-Kommentar sei keineswegs als Gemeinschaftsunternehmen der Autoren zu verstehen. Jeder sei insoweit allein für das verantwortlich, was er selbst von sich gebe. Daraufhin zieht sich Huster zurück. Er möchte nicht mit Maaßen arbeiten, weil dieser in mancherlei Hinsicht nicht mehr auf dem Boden des Grundgesetzes zu stehen scheine. Als Beispiel nennt er Maaßens Sympathie für das „Regime“ von Viktor Orbán in Ungarn.
Doch die Woken geben sich nicht geschlagen. Am 8. Januar 2023 veröffentlicht die „Süddeutsche Zeitung“ (SZ) einen Artikel von Ronen Steinke. Der Autor rügt darin, der ehemalige deutsche Verfassungsschutz-Chef werde von C. H. Beck noch immer publiziert. Das Verlagshaus bleibt unbeeindruckt, was ihm einen anerkennenden Text in der „Neuen Zürcher Zeitung“ (NZZ) einbringt. In der Druckausgabe vom Samstag, dem 14. Jänner 2023, ist unter dem Titel Versuch einer Einschüchterung – C. H. Beck wird kritisiert, weil er Hans Georg Maassen (Anmerkung E. K.-L.: Die Schweizer verwenden kein „scharfes s“) publiziert. Zu Recht bleibt der Verlag standhaft unter anderem zu lesen, beim Verlag sei man von Maaßens wissenschaftlicher Untadeligkeit überzeugt. Dessen Beiträge zu den Artikel 16 und 16a im Beck-Online-Kommentar des Grundgesetzes seien lege artis und in keiner Weise rechtswissenschaftlich zu beanstanden.
Die NZZ wörtlich: „Was auch immer SZ und FAZ also vorhaben: Einen Kronzeugen gegen den Fachbeitrag von Hans-Georg Maassen haben sie nicht gefunden. Insofern handelt es sich hier um ein klassisches Stück Elend der deutschen Debatte: Es geht nicht darum, was jemand sagt, es geht darum, wer es gesagt hat. Das ist gefährlich für jeden pluralistischen Diskurs. Insofern ist die Standhaftigkeit des C.-H.-Beck-Verlags vorbildlich.
… Der C.-H.-Beck-Verlag schützt Maassens wissenschaftlich-publizistisches Werk, an dem nicht einmal seine Gegner etwas auszusetzen finden, vor Gesinnungs-Canceling. Und das ist sehr gut so.“
Der Standpunkt der NZZ ist erfrischend objektiv. Doch dann bekommt C. H. Beck kalte Füße. Der Verlag gibt am 18. Januar bekannt, er hätte nach Möglichkeiten gesucht, den Vertrag mit Maaßen zu beenden. Daraufhin habe dieser von sich aus den Vertrag gekündigt. Zwar sei Maaßens Kommentar zum Grundgesetz fachlich nicht zu beanstanden. Wohl aber sei, so der Verlag, hinsichtlich der Person und der öffentlichen Äußerungen von Dr. Maaßen eine heftige Diskussion mit fortschreitender Polarisierung entstanden, bei der sich die unversöhnlichen Positionen verselbstständigt haben. Diese Diskussion, so C. H. Beck weiter, schade dem Grundgesetzkommentar, den Herausgebern und dem Verlag.
Fazit: Der Fall Maaßen ist ein Lehrbeispiel, wie die Woken Zeitgenossen mit unangepassten Meinungen aus dem Verkehr ziehen. Der Mechanismus stellt sich als ausgesprochen perfid dar. Ein Journalist schreibt einen Artikel als Einschüchterung: Leute, schaut her, da ist ein Verlag, der publiziert einen hochproblematischen Autor. Zwar sei am Werk an sich nichts einzuwenden, aber der Autor agiere in seiner Freizeit in der Sphäre von Rassismus und Verschwörungstheorien. Wenn der Verlag den Autor nicht beseitige, gelte er fortan selbst verdächtig als refugium peccatorum, sohin als Hort der Sünder wider den politisch-korrekten Zeitgeist.
Dann dräuend die unausgesprochene Frage an den Verlag: Wollen Sie diesem Mann wirklich die Treue halten? Es kommt, was kommen muss: Der Beck-Verlag knickt ein, scheitert somit als Wissenschaftsverlag mit dem Anspruch, die Freiheit der Lehre zu verteidigen, wirft sich vor der woken Meute in den Staub und tut Buße: Wir distanzieren uns von allen extremen politischen Äußerungen von Autoren, die die Grenzen des verfassungsrechtlich Vertretbaren austesten.
Armes Deutschland.