Näher zur Front! Rüstungskonzern Rheinmetall baut Ukraine-Stützpunkt in Nordrumänien

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Autor: U.K. Bilder: Flickr/Tobias Nordhausen Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0


Nur 20 km von der ukrainischen Grenze entsteht in Satu Mare ein strategisches Wartungszentrum für Panzer und Haubitzen

Beim deutschen Rüstungskonzern Rheinmetall knallen derzeit die Sektkorken lauter als die Kanonen. Denn die Aktie der Düsseldorfer Waffenschmiede erreichte an diesem Dienstag mit 280,60 Euro ein historisches Allzeithoch. Seit dem Kriegbeginn im Februar 2022 hat sich deren Kurswert fast Vervierfacht, allein in den vergangenen zwei Monaten sind nochmal rund 30% Kursgewinn dazugekommen. Der Nettogewinn 2022 hat sich gegenüber dem Vorjahr mit 535 Millionen Euro fast verdoppelt, und die Aktionäre werden sich über eine kräftig gestiegene Dividende von 4,30 €/Aktie freuen können.

Der ganz entscheidende Profitbringer dabei ist das Geschäft mit dem Ukraine-Krieg, denn das zweite Standbein der Rheinmetall AG, die Zulieferteile für die Automobilindustrie, ist derzeit eher am Stockern. Rheinmetall ist ein hochangesehener Hersteller schwerer Waffen mit anderthalb Jahrhunderten Tradition, und sein Kampfpanzer Leopard 2, die schwere Panzerhaubitze PzH 2000 und selbst der schon etwas angegraute Schützenpanzer Marder stehen ganz oben auf der Wunschliste der ukrainischen Militärs. Damit dies auch in Zukunft so bleibt und die Geschäfte weiterhin florieren, hat am vergangenen Donnerstag Rheinmetall-Vorstandschef Armin Papperger dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj höchstpersönlich in Kiew seine Aufwartung gemacht.

Nun brauchen diese hochtechnisierten Meisterwerke westlicher Waffenbaukunst natürlich ein kundiges Händchen bei Wartung und Instandsetzung. Besonders, wenn dieses Gerät nicht nur wie beim Bundesheer auf dem Truppenübungsplatz hin- und herfährt, sondern im echten Gefechtseinsatz hart rangenommen wird. Dass die Ukraine solches weder von der Logistik noch vom Ausbildungsstand ihrer Soldaten her leisten kann, war unabhängigen Militärexperten von Anfang an klar (ZurZeit berichtete https://zurzeit.at/index.php/wenn-panzerketten-rasseln-klingeln-bald-die-kassen/ ). Denn die Panzer aus NATO-Beständen sind mindestens drei Generationen von den bisher in der Ukraine genutzten T-72 aus Sowjetzeiten entfernt. Und auch die “Field Manuals”, die viele tausend Seiten dicken Wartungshandbücher, wird man wohl kaum so schnell ins Ukrainische übersetzt haben.

Deshalb baut die Firma Rheinmetall jetzt ein strategisches Wartungszentrum für Panzer und andere Militärkraftfahrzeuge in Satu Mare, Rumänien, nur rund 20 Kilometer von der Grenze zur Ukraine auf. Dies erklärte ein Unternehmenssprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Der Stützpunkt soll nicht nur Rheinmetall-Technik, sondern auch die britischen Challenger-Kampfpanzer und ähnliches NATO-Kriegsgerät betreuen können und bereits in diesem Monat einsatzbereit sein. Das Projekt ist auf höchster Ebene abgesegnet. Denn Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sagte zeitgleich am Montag bei einem Besuch in der rumänischen Hauptstadt Bukarest, es gelte sicherzustellen, dass in der Ukraine eingesetztes Gerät auch ständig repariert werde und zur Verfügung stehe. Dabei sei es wegen der Besonderheit dieses Krieges so, dass es Reparaturmöglichkeiten außerhalb der Ukraine, aber dicht an der Grenze gebe, so Scholz laut DPA bei einer Pressekonferenz mit dem rumänischen Präsidenten Klaus Iohannis.

Die Nähe zur ukrainischen Grenze, militärlogistisch sicher von Vorteil, birgt aber neues Eskalationspotential. Satu Mare, eine Industriestadt mit gut 100.000 Einwohnern, hat eine direkte Anbindung an das ukrainische Eisenbahnnetz. Eine Errungenschaft, die noch aus Zeiten der K.u.K.-Monarchie stammt. Dies erlaubt einen wesentlich schnelleren und effizienteren Transport der zig Tonnen schweren Kolosse aus dem Frontgebiet und zurück. Circa 12 Stunden Bahntransport stehen rund 36 Stunden Fahrzeit mit dem Tieflader gegenüber, pro Strecke. Wobei ein Zug viele Panzer und Haubitzen gleichzeitig transportieren kann, während auf einen Schwerlast-LkW immer nur ein einziges solches Gerät passt.

Militärexperten befürchten nun, dass der ukrainische Eisenbahnknotenpunkt Korolewo, von dem zwei strategisch wichtige Bahnlinien ins ukrainische Hinterland abzweigen, zum Ziel russischer Raketenangriffe werden könnte. Aber Korolewo liegt nur wenige Kilometer Luftlinie von der Grenze zum NATO-Mitglied Rumänien entfernt. Die Gefahr, dass eine fehlgeleitete Russen-Rakete auf NATO-Territorium einschlägt und damit eine Ausweitung westlicher Militärpräsenz auf die Ukraine provoziert, ist groß. Aber vielleicht wäre ein solcher Irrläufer bei manchen westlichen Strategen gar nicht so unwillkommen.

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