ÖVP hat seit jeher kein gutes Verhältnis zum Bundesheer

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Ex-Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) über die dramatische Lage des Bundesheers, die  destruktive Politik der ÖVP und Herausforderungen für unsere Streitkräfte

Herr Klubobmann, Sie waren selbst fast zwei Jahre lang Verteidigungsminister. Wenn Sie retrospektiv bewerten, wie die ÖVP mit unserer Landesverteidigung umgegangen ist, was ist Ihr Fazit?
Mario Kunasek: Vorweg kann ich festhalten, überrascht bin ich nicht. Die ÖVP hat seit jeher kein gutes Verhältnis zum Österreichischen Bundesheer und mit den Grünen nun einen Koalitionspartner, welcher die Demontage unseres Heeres auch noch gut ÖVP heißt. Dieser Weg wäre mit den Freiheitlichen undenkbar gewesen.

Mario Kunasek war von Dezember 2017 bis Mai 2019 Bundesminister für Landesverteidigung. Heute ist Kunasek Landesparteiobmann und Klubobmann der FPÖ Steiermark. (Bild: Facebook „Mario Kunasek“)

Die aktuelle Verteidigungsministerin Tanner hat in den letzten Wochen einen wahren Eiertanz vollführt, wenn es um die Zukunft des Bundesheeres geht. Eines scheint dabei aber klar zu sein: Es soll deutlich weniger Geld für die Armee geben. Wie bewerten Sie diesen Umstand?
Kunasek: Wir wissen seit Jahren, dass das Bundesheer deutlich mehr Budgetmittel für eine effektive Wahrnehmung der verfassungsmäßigen Aufgaben braucht. In meiner Zeit als Verteidigungsminister wurde vom Generalstab ein realistischer Finanzierungsplan ausgearbeitet, welcher unter meinem Nachfolger präsentiert wurde. Wenn sich die Bundesregierung nicht bald dazu bekennt, diese Mittel auch aufzuwenden, wird das Heer offensichtlich bewusst in den fi nanziellen Ruin getrieben.

Gerade im Zuge der Coronakrise konnte man erahnen, wie wichtig das Bundesheer sein kann. Traurige Erkenntnis dabei: Man kann wahrscheinlich nicht einmal mehr ein Feldlazarett zur Verfügung stellen. Wäre es nicht gerade jetzt wichtig, mehr Geld für alle Facetten unserer Landesverteidigung auszugeben?
Kunasek: Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen, möchte ich eines festhalten: Die Soldaten leisten tagtäglich und besonders im Rahmen des Kriseneinsatzes der letzten Monate herausragende Arbeit. Es ist dem persönlichen Einsatz der Soldaten geschuldet, dass sie trotz ungerechter Bezahlung und schlechter Ausrüstung den Einsatz erfolgreich meistern. Umso demoralisierender ist die fehlende Rückendeckung aus der Politik für ihre Leistungen. Es brauchte nicht erst die Coronakrise, um aufzuzeigen, dass dringend mehr Geld für unsere Streitkräfte benötigt wird. Das war bereits vorher offensichtlich und wurde auch oft von der gesamten Truppe eingemahnt – eine Anhebung des Budgets ist also auch unabhängig von der Krise mehr als notwendig.

Wie sehen Sie die umstrittene, weil sehr teure Aufgabe der Luftraumüberwachung?
Kunasek: Die Luftraumüberwachung ist unsere verfassungsmäßige Pflicht und steht daher auch nicht zur Diskussion. Dass diese kostenintensiv ist, steht außer Frage, dennoch gilt es, die für Österreich beste Lösung zur zukünftigen Überwachung unseres Luftraumes zu finden.

Welche Fehler wurden ihres Erachtens in der Vergangenheit bezüglich der Luftraumüberwachung gemacht? Wie kann man das besser machen?
Kunasek: Der größte Fehler war definitiv der Millionenschaden für die Republik durch den verpfuschten Deal des ehemaligen SPÖ-Verteidigungsministers Norbert Darabos. Damit brachte man Österreich nicht nur um viel Geld, sondern hat auch die Verhandlungsposition nachhaltig geschwächt. Auch zu diesem Themenblock gibt es Überlegungen und Vorschläge des Generalstabes. Wenn man etwas besser machen möchte, sollte man diese ernst nehmen und auf die Experten im eigenen Ministerium hören.

Was sind denn die größten Herausforderungen, vor denen unsere Armee in den nächsten Jahrzehnten stehen wird?
Kunasek: Die größte Herausforderung wird defi nitiv der Überlebenskampf des Bundesheeres sein. Wenn sich die politische Willensbildung nicht bald ändert, wird es das Heer in der von uns gewohnten Form nicht mehr lange geben. Das Bundesheer muss aufgrund der Mangelwirtschaft der letzten Jahrzehnte Hubschrauber betreiben, die über 50 Jahre alt sind (Alouette 3), mit geländegängigen Fahrzeugen auskommen, die seit 49 Jahren im Dienst stehen (Pinzgauer) und führt Gewehre, die über 50 Jahre am Buckel haben (Scharfschützengewehr 69). 65 Prozent der Gebäude benötigen dringend Instandsetzungsarbeiten bzw. sind einsturzgefährdet, nur 10 Prozent befi nden sich in neuwertigem Zustand. Grundwehrdiener müssen in Schlafsälen ohne Privatsphäre aus den 1950er-Jahren untergebracht werden. Keine andere Einsatzorganisation in Österreich wird von ÖVP-Finanzministern finanziell derart vernachlässigt.

Was würden Sie sich für das Bundesheer des 21. Jahrhunderts in Österreich wünschen?
Kunasek: Erstens eine sofortige Anhebung des Regelbudgets auf zumindest drei Milliarden Euro, mittelfristig eine Steigerung auf 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts sowie eine Sonderfi nanzierung für die Luftraumüberwachung. Zweitens eine Rückkehr zum achtmonatigen Grundwehrdienst bei gleichzeitiger Anhebung des Solds auf die Höhe der Mindestsicherung. Ob dieser Dienst durchgehend (Durchdiener) konsumiert wird oder in Form des Modells sechs Monate Grundwehrdienst und zwei Monate Milizübungen, ist dem Grundwehrdiener überlassen. Drittens ein neues Dienstrecht für die Soldaten, das mehr Flexibilität ermöglicht und mit den Notwendigkeiten des 21. Jahrhunderts Schritt hält.

Das Gespräch führte Friedrich-Wilhelm Moewe.

[Autor: Bild: Bundesheer/MINICH Lizenz: –]

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