Autor: – Bild: BKA/Dragan Tatic Lizenz: –
SPÖ-NAbg. und Gewerkschaftsvertreter Josef Muchitsch über soziale Probleme durch Corona-Pandemie und Ukraine-Krieg, die hohe Inflation und das schlechte Krisenmanagement der Bundesregierung
Herr Abgeordneter, Österreich ist in den letzten Jahren, finanziell stark „gebeutelt“ worden. Der Schuldenstand hat sich durch die Corona-Maßnahmen stark vermehrt. Unterschiedliche Länder haben durchaus unterschiedliche Maßnahmen ergriffen. Wie hat sich Ihrer Meinung nach dabei die österreichische Regierung geschlagen?
Josef Muchitsch: Grottenschlecht, um es auf den Punkt zu bringen. Die Transparenz bei den Zahlungen und die Ausgewogenheit sind total auf der Strecke geblieben. Vor allem Arbeitnehmer sind übriggeblieben. Sie hatten weniger Einkommen aufgrund von Kurzarbeit oder weil sie arbeitslos wurden, und werden – wenn es nach dieser Regierung geht – weiter zur Kasse gebeten. Nicht umsonst sind während der Krise die Reichen noch reicher geworden, und die Schere zwischen Reich und Arm ist in Österreich noch weiter aufgegangen. Die Verlierer der Krise sind eindeutig die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Im Nachhinein betrachtet ist alles immer leichter zu beurteilen. Welchen Weg hätte man aus heutiger Sicht besser eingeschlagen?
Muchitsch: Dort, wo die Sozialpartner eingebunden werden, funktioniert der Kampf gegen die Krise – dort, wo die Regierung allein entschieden hat, läuft vieles falsch. Auch im Gesundheitsbereich hat man nicht auf die Expertinnen und Experten gehört. Die Regierung hat es auch nicht geschafft, den Pflegebereich – vor allem beim Personal – durch bessere Arbeitsbedingungen aufzuwerten. Genau das haben wir als Gewerkschaft aber von Anfang an gefordert. Kurz gesagt: Die Regierung hätte gut daran getan, auf allen Ebenen die Experten viel stärker einzubinden und auf ihre Expertise auch zu hören. Und noch eines: Die Regierung würde gut daran tun, ganz allgemein eine Politik für die Menschen und nicht für Umfrage- oder persönliche Beliebtheitswerte zu machen.
Corona hat uns noch nicht verlassen, und schon haben wir das nächste finanzielle Problem am Tisch. Mit dem Ukraine-Krieg werden wohl wieder eine Reihe erheblicher Probleme auf uns zukommen. Welche sind aus Ihrer Sicht da wohl die schwerwiegendsten?
Muchitsch: Es ist furchtbar, nach über 30 Jahren wieder einen Krieg in Europa erleben zu müssen. Dieser Krieg ist eine menschliche Katastrophe, aber natürlich hat er auch ganz profane wirtschaftliche Auswirkungen auf uns alle. Die ohnehin bereits hohe Inflation wird weiter steigen. Öl, Gas, aber auch Lebensmittel werden immer teurer. Schon jetzt gibt es bei vielen Produkten und auch Vorprodukten für die Industrie große Lieferschwierigkeiten und Verteuerungen. Auch das wird durch den Krieg noch verschärft. Wenn es dadurch in Österreich zu Produktionsausfällen kommt, sind Arbeitsplätze und im schlimmsten Fall ganze Produktionsstandorte gefährdet. Die Teuerung trifft die Menschen gerade ganz massiv, und auch die Wirtschaft stöhnt unter den hohen Energiepreisen.
Vielmehr geht es jetzt darum, der Bevölkerung über diese schwierige Situation hinwegzuhelfen.
Mit der Einbindung von Russland und der Ukraine haben wir gleich zwei wichtige Länder, die sowohl import- als auch exportmäßig immer stark mit Österreich kooperiert haben. Mit welchen Verlusten werden wir – grob gesehen – für unseren Staatshaushalt nun rechnen müssen?
Muchitsch: In erster Linie geht es jetzt nicht um einen Verlust für die Staatskasse – vielmehr geht es darum, der Bevölkerung über diese schwierige finanzielle Situation hinwegzuhelfen. Von der Krise sind alle Staaten betroffen, und es muss gerade jetzt ein Umdenken in der sturen Sparpolitik geben. Die Profiteure der Krisen müssen endlich einen fairen Betrag leisten. Auch internationale Konzerne müssen höher – und damit fairer im Vergleich zu unseren heimischen Betrieben – besteuert werden. Dann haben wir auch kein Problem mit dem Staatshaushalt.
Betrachten wir den Energiesektor, so kommt vor allem im Gasbereich eine hohe Menge, man spricht von 80 Prozent, aus Russland. Wie realistisch erscheint für Sie in Umstieg auf andere Lieferanten, wie es gefordert wird?
Muchitsch: Es ist illusorisch zu glauben, dass man jetzt schnell auf irgendwelche anderen Anbieter oder alternative Energiequellen umsteigen kann. Natürlich wird man angesichts der aktuellen Ereignisse versuchen, noch schneller den Ausstieg aus Gas zu schaffen, aber dennoch wird das seine Zeit brauchen – auch und gerade im Bereich der Industrie.
Dem Vernehmen nach wird derzeit von Russland sogar mehr geliefert als vorher, trotzdem sollen die Preise für die Haushalte erheblich angehoben werden. Wie realistisch ist diese Situation und vor allem wodurch ist sie gerechtfertigt.
Muchitsch: Es gibt in jeder Krise auch Gewinner. Der Staat hat durch die Teuerung gehörige Mehreinnahmen von 1,5 Milliarden Euro, und auch einige Energieanbieter profitieren. Umso wichtiger ist es, die Entwicklung mit einem Teuerungsmonitoring genauestens zu beobachten, damit die Menschen nicht auf der Strecke bleiben.
Ähnliches gilt auch für die Versorgung mit Treibstoff für die Autofahrer. Auch hier haben wir es mit gigantischen Teuerungen zu tun, obwohl die Einkaufspreise zurückgehen. Wie ist das zu erklären?
Muchitsch: Es ist schon auffällig, dass Preisanstiege an den Zapfsäulen sofort weitergegeben werden, Preissenkungen jedoch scheinbar immer sehr viel langsamer. Kaum wurden Drohungen laut, die Kontrollmechanismen in Gang zu setzen, fiel plötzlich der Spritpreis. Umso wichtiger ist es, auch hier genau zu beobachten und zu kontrollieren.
Die österreichische Regierung mit Herrn Nehammer und Frau Gewessler sind an den Persischen Golf zur Erschließung neuer Lieferanten gepilgert. Die Meldungen der Regierung waren euphorisch. Können Sie diese Begeisterung teilen?
Muchitsch: Wir werden es nicht schaffen, binnen kürzester Zeit unsere Energiequellen komplett umzukrempeln. Natürlich ist es immer gut, sich mehrere Standbeine zu schaffen, aber ein Show-Auftritt bei den Scheichs wird die Probleme nicht lösen.
Was die Bundesregierung als „großes Paket“ präsentiert hat, ist jedenfalls viel zu wenig.
Wir warten in Österreich auf geeignete Maßnahmen zur Eindämmung der Energiepreise. Was müsste Ihrer Meinung nach dazu getan werden?
Muchitsch: Was dazu getan werden muss, haben wir mit dem ÖGB in der Kampagne „Preise runter!“ ganz klar thematisiert: Preise für Energie und Treibstoff senken, das Kilometergeld auf 50 Cent erhöhen und die Mehrwertsteuer auf Öffi-Karten streichen. Außerdem habe ich als Abgeordneter einen Antrag im Nationalrat eingebracht, in dem ich inflationsdämpfende Maßnahmen, die Ausarbeitung eines angepassten Kurzarbeitsmodells und einen Krisenüberbrückungsfonds für betroffene Unternehmen fordere.
Was die Bundesregierung kürzlich als „großes Paket“ präsentiert hat, ist jedenfalls viel zu wenig.
Energie ist die eine Sache, die Preise für Lebensmittel und Güter des täglichen Bedarfs eine andere. Auch diese Preise drohen in die Höhe zu schnellen. Das trifft in erster Linie Pensionisten und Bürger mit niedrigen Einkommen, die einen immer größer werdenden Teil davon für die Lebenserhaltung aufwenden müssen. Wie soll sich das in der nächsten Zukunft noch ausgehen?
Muchitsch: Es geht sich jetzt schon kaum mehr aus. Diese Menschen müssen sich jetzt schon überlegen, ob sie noch Einkaufen gehen können, wenn sie die Wohnung einigermaßen geheizt haben. Es ist keine Zeit mehr für langes Überlegen – die Bundesregierung muss jetzt sofort handeln und die enorme Teuerung ausgleichen. Als Gewerkschafter befinden wir uns gerade in der Frühjahrslohnrunde und haben im Bau-, Holz- und Steinbereich bereits ausgezeichnete Lohnabschlüsse jenseits der vier Prozent erreicht. Aber das allein macht es nicht – die Regierung muss jetzt auch mehr tätig werden.
Ein nicht von der Hand zu weisender Faktor ist die immer stärker anwachsende Inflation. Wird unser Geld bald nichts mehr wert sein?
Muchitsch: Die Inflation ist hoch wie schon lange nicht. Aber es gibt trotzdem keinen Grund für Alarmismus. Die Wirtschaftsforscher sehen am Horizont bereits eine Besserung der Lage. Eine sehr hohe Inflation über einige Monate verkraften wir, sofern jene unterstützt werden, die es besonders hart trifft.
Wie sollte eine Politik aus gewerkschaftlicher und auch sozialdemokratischer Sicht in dieser schweren Zeit in groben Zügen gestaltet werden?
Muchitsch: Politik muss so gestaltet sein, dass es einen fairen Ausgleich zwischen den Interessensgruppen gibt, Verhandlungen auf Augenhöhe und ein ehrliches gemeinsames Bemühen um gute, tragbare Kompromisse – so, wie es uns auf Bau-Sozialpartnerebene meistens gelingt. Die Menschen müssen sich das ganz normale Leben auch gut leisten können, sie müssen eine gute Balance zwischen Arbeit und Freizeit leben können und jene, die wirklich Unterstützung brauchen, sollen sie auch bekommen. Die Wirtschaft muss gute Rahmenbedingungen vorfinden.
Und nicht zuletzt muss die Politik ein Klima schaffen, in dem das Miteinander zählt, nicht das Gegeneinander, und in dem der Demokratie wieder höchstes Ansehen zukommt.
Das Gespräch führte Walter Tributsch.