Aufregung um das angeblich letzte oppositionelle Medium
Im September 2020 hat die ungarische „Staatliche Behörde für Medien und Nachrichtenübermittlung“ (Nemzeti Média- és Hírközlési Hatóság, kurz NMHH) eine Verlängerung der Sendelizenz für den Radiosender Klubrádió abgelehnt, weil das Medium wiederholt gegen gesetzliche Regelungen verstoßen und zeitweilig als sogenannter Piratensender agiert hat. Diese Entscheidung wurde am Dienstag, dem 9. Februar, vom Budapester Stadtgericht (Fővárosi Törvényszék) bestätigt. Laut dem Klubrádió-Direktor geht der Sender gegen das Urteil in Berufung. Zunächst zum Oberstem Gerichtshof, allenfalls auch bis zum EuGH. Da die gerichtliche Entscheidung durch ein Rechtsmittel nicht aufschiebbar ist, wird Klubrádió am Sonntag, dem 25. Februar, um Mitternacht verstummen.
Christian Hafenecker (FPÖ-Generalsekretär) führt dazu aus: „Besonders frivol ist der Umstand, dass sich ausgerechnet der zwangsgebührenfinanzierte ORF an diesem faktenbefreiten Ungarn-Bashing beteiligt und das Ende der dortigen Medienfreiheit herbeifantasiert.“ Er erinnert an den hartnäckigen Kampf des ORF gegen das Aufkommen privater Medien und bezeichnet die nunmehrige Berichterstattung als „dreiste Heuchelei“.
Was sind die Fakten? Die linksliberalen Medien blühen in Ungarn und spielen eine maßgebliche Rolle im öffentlichen Leben. Trotzdem sieht sich die EU-Kommission bemüßigt, eine Stellungnahme abzugeben. Bereits einen Tag nach der Gerichtentscheidung betont EU-Sprecher Christian Wigand, der Lizenzentzug verstärke die Sorge Brüssels im Hinblick auf die Medienfreiheit in Ungarn und führt aus: „Bereits im Rechtsstaatsbericht vom vergangenen Jahr haben wir unsere diesbezügliche Besorgnis zum Ausdruck gebracht.“
Tja, mit dem Rechtsstaatsbericht, besonders mit dem Kapitel, das sich mit Ungarn befasst, ist es so eine Sache. Trotz mehrerer Anfragen aus Budapest will die EU bis heute nicht offenlegen, was die Quellen für die überaus phantasievollen Darlegungen sind. Das hat seinen Grund: Der EU-Rechtsstaatlichkeitsbericht über Ungarn vom Vorjahr fußt im Wesentlichen auf Stellungnahmen von 12 NGOs.
Naturgemäß wird nicht nur im Regime-TV, sondern auch in den stromlinienförmigen Medien darüber gejeiert, wie bedroht denn die Medienfreiheit im Land der Puszta sei. Jan Mainka, Herausgeber und Chefredakteur der renommierten deutschsprachigen „Budapester Zeitung“ schreibt dazu im „BP Magazin“ Nr. 4/2021 (12. bis 25. Februar ):
„Seitdem sich die ungarischen Wähler 2010 nach Ansicht des linksdominierten Mainstreams in Deutschland verwählt haben, ist die Grundaussage unserer aktuellen Titelseite leider aktuell. Seitdem fühlen sich nämlich viele deutsche Journalisten berufen, Hand in Hand mit der ungarischen Opposition auf die Abwahl der ihnen nicht genehmen Orbán-Regierung hinzuarbeiten … Den absoluten Vogel in Sachen unausgewogener Berichterstattung schoss aber ein Dokumentarfilm von Arte ab … Die Macher dieses rein technisch anspruchsvoll produzierten Beitrags brachten das Kunststück fertig, bei nur einem einzigen Orbán-Verteidiger sage und schreibe 22 (!) Orbán-Kritiker zu interviewen, um ihre Anti-Orbán-Thesen zu beweisen.“
Dem ist nur eines hinzuzufügen: Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird der ungarische Bürger auch bei der nächsten Parlamentswahl im April des nächsten Jahres Viktor Orbán sein Vertrauen schenken. Nach heutigem Stand der Dinge dürfte die Opposition kaum Chancen auf einen Erfolg haben.
[Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/ Lizenz: CC BY 2.0]