Autor: U.K. Bild: Wikipedia/2×910 Lizenz: CC BY-SA 4.0
Grundstoff für Computer und Solarzellen wird knapp
Die Folgeeffekte der weltweiten Verteuerung von Energierohstoffen nehmen immer dramatischere Formen an: Rohsilizium, der unersetzliche Ausgangsstoff für Computerchips, Solarzellen, Flachbildschirme und Autoelektronik, wird wegen der Stromkrise in den nordchinesischen Industrieregionen knapp und teuer. Als Konsequenz droht nun, zusätzlich zu dem schon bestehenden Produktionsengpass bei fertigen Schaltkreisen, nun ein weiterer Ausfall wegen fehlendem Grundmaterial.
Dabei ist Silizium an sich, chemisch gesehen ein sogenanntes Halbmetall, auf der Erde in Massen vorhanden. Allerdings kommt es so gut wie nie in reiner Form vor, sondern meist als chemische Verbindung in Sand, Quarz und anderen Mineralien. Um industriell nutzbares Silizium-Metall mit einem Reinheitsgrad von ca. 99 % zu gewinnen, muss der Quarzsand in einem speziellen Lichtbogen-Reduktionsofen bei etwa 2.000 °C aufgeschmolzen werden. Dazu ist sehr viel elektrische Energie notwendig, weswegen die Silizium-Hersteller meist in Regionen mit billigen Stromquellen angesiedelt sind.
Für die Verwendung in elektronischen Bauteilen muss dieses sogenannte metallurgische Silizium noch weiter gereinigt werden, was ebenfalls sehr aufwändig und energieintensiv ist. Zur Herstellung von Solarzellen, die ja nach Wunsch der Grünen einen Großteil unserer Stromerzeugung leisten sollen, benötigt man polykristallines Silizium mit einem Reinheitsgrad größer als 99,99 Prozent. Für Computerchips und Halbleiterelektronik ist eine noch extremere Reinheit erforderlich: Monokristallines Silizium, bei dem der ganze Materialblock aus nur einem einzigen Kristall besteht, darf höchstens 1 Fremdatom pro 1 Milliarde Siliziumatome enthalten. Auch hier braucht man viel Strom und penibel arbeitende Fachkräfte, so dass die größten Produktionsstätten wiederum in China und Südkorea zu finden sind.
Nun hat aber die Stromkrise im Norden Chinas dazu geführt, dass auf Anordnung der Regierung etwa die Hälfte der dort ansässigen Silizium-Schmelzen ihre Produktion drosseln oder gar ganz einstellen müssen, zunächst bis Ende des Jahres. Offiziell wird dies mit Klimaschutzzielen begründet. Tatsächlich ist die Ursache aber stockender Nachschub und explodierende Preis bei Kohle und Flüssiggas, wodurch die dortigen Kraftwerke nicht mehr Volllast fahren können. Der Befehl dazu kam direkt von Vizepremier Han Zheng, der dem Energiesektor und der Industrieproduktion des Landes vorsteht. Die KP Chinas will unter allen Umständen die Stromversorgung für Privathaushalte und lebenswichtige Lieferketten während des Winters aufrechterhalten, um sozialen Unmut in der Bevölkerung zu vermeiden.
Die Folgen für die Weltwirtschaft könnten dramatischer nicht sein: Innert weniger Wochen hat sich der Preis für metallurgischem Silizium mehr als verdreifacht und ist auf ein Allzeithoch gesprungen. Für die weiterverarbeitende Industrie ein unerwarteter Schock, denn der Rohstoffpreis war über die letzten 20 Jahre relativ stabil und niedrig. Ein weiterer Anstieg ist so gut wie sicher, und große Veredler wie z.B. die Elkem ASA in Norwegen haben schon Lieferverträge aufgekündigt, mit der Force-Majeure-Klausel und weil ihnen schlicht das Material ausgeht. Betroffen ist aber nicht nur die Elektronikindustrie: Silizium ist ein wichtiger Zuschlagsstoff bei der Aluminiumproduktion und dürfte auch da die schon jetzt rekordhohen Alu-Preise weiter antreiben. Und auch Silikon, der Universalstoff für Baumaterialien, Kosmetik und Medizinprodukte, kann ohne Rohsilizium nicht hergestellt werden.
Was lernen wir daraus? In unserer komplexen Wirtschaftswelt können politisch gewollte Veränderungen einzelner Parameter zu Schadensfolgen führen, sich rasant über den ganzen Erdball ausbreiten und Branchen in Schwierigkeiten bringen, an die kein Politiker je gedacht hat. Denn die Verteuerung der Energie, das ist politisch gewollt, jedenfalls bei uns.