„Weißen soll pauschal schlechtes Gewissen eingeredet werden“

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Der Historiker Thomas Grischany über Rassismus- und Kolonialismusdebatten und die von Linken gewünschte Interpretation der Geschichte

Herr Grischany, Sie sind Historiker und lebten einige Jahre in den USA. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum gerade jetzt im Zuge der Black Lives Matter-Bewegung die Themen Rassismus, Kolonialismus und dergleichen aktuell wurden?
Thomas Grischany: Ich sehe das als ein  Phänomen, das den gesamten Westen umfasst, nämlich als massiven und blindwütigen linken Backlash gegenüber den Jahren 2016 bis 2018, in denen patriotische Kräfte relativ erfolgreich waren: Brexit, Salvini, FPÖ und AfD, vor allem aber die Wahl von Donald Trump, der nun unbedingt beseitigt werden soll.

Dr. Thomas Grischany ist Professor für Geschichte an der Webster University in Wien. (Bild: Privat)

Welche Rolle spielt eigentlich das Klima an den Universitäten bei den aktuellen Ereignissen?  Als Beobachter gewinnt man den Eindruck, akademische Freiheit wird zunehmend durch politische Korrektheit ersetzt.
Grischany: In akademischen und intellektuellen Kreisen wurde diese Entwicklung bereits vorweggenommen und bereits seit Jahrzehnten ein linker Mainstream etabliert. So bezeichnen sich etwa viele Anführer von Black Lives Matter selbst als Marxisten.

Ist in den USA die akademische Freiheit in Gefahr?
Grischany: Diese ist doch, wie übrigens auch bei uns, schon lange nicht existent. Ausladungen von Gastrednern, Sprengungen von Vorlesungen, trigger warnings, safe spaces – all das hat mit wirklich freier Wissenschaft nichts mehr zu tun. Nun ist der Amerikanische Bürgerkrieg auch schon mehr als 150 Jahre vorbei. Inwieweit spielen die Ereignisse von damals heute noch eine Bedeutung für das kollektive Gedächtnis, insbesondere bei den Afroamerikanern? Ich denke da an den Sturz von Denkmälern von Politikern oder Generälen der Südstaaten. Grischany: Die meisten Menschen interessieren sich nicht für und wissen wenig von Geschichte, daher werden „kollektive Gedächtnisse“ zumeist von Eliten konstruiert
und instrumentalisiert, so wie hier im sogenannten Kampf gegen Rassismus. Vielleicht sollte man sich dabei auch daran erinnern, dass die Vorfahren von zwei Drittel der weißen Amerikaner für die Sklavenbefreiung gekämpft haben. Andererseits waren die Weißen in den Nordstaaten um nichts weniger rassistisch als die im Süden, wobei die meisten Südstaatler wiederum ja gar keine Sklavenhalter waren. Aber solche Differenzierungen werden nicht gemacht, weil allen Weißen pauschal ein schlechtes Gewissen eingeredet werden soll. Über jemand wie Reitergeneral Nathan Bedford Forest, der auch den Ku-Klux-Klan mitbegründete, kann man sicherlich diskutieren, aber Thomas Jefferson zu verhüllen, ist hirnverbrannt.

Bei uns wird immer wieder von der Notwendigkeit zur Vergangenheitsbewältigung gesprochen. Haben die USA ihre dunklen Kapitel der Geschichte, also Sklaverei und Kriege gegen die Ureinwohner, ausreichend aufgearbeitet und „bewältigt“?
Grischany: Was heißt denn überhaupt „Vergangenheitsbewältigung“? Geschichte ist immer das, was wir aus der Vergangenheit machen. Die Fakten, soweit sie bekannt sind, ändern sich nicht, aber das, was sie für die Gegenwart bedeuten, wie wir sie interpretieren, das ändert sich von Generation zu Generation. Es ist also ein Irrglaube zu meinen, dass es die eine Geschichte gäbe, auf die sich alle Menschen irgendwann einigen werden. Insofern kann Vergangenheit nicht ein für alle Mal „bewältigt“ werden, sondern man wird sich mit ihr immer wieder aufs Neue auseinandersetzen. Was hier gemeint ist, ist, dass nur mehr eine Interpretation, nämlich die der Linken, für alle Zeiten festgeschrieben werden soll.

Die Stadt Chicago hat im Zuge der Rassismus-Debatte eine Columbus-Statue entfernen lassen. Was sagen Sie dazu?
Grischany: Die Vereinigten Staaten inklusive der Stadt Chicago existieren nur, weil Herr Columbus eines Tages zufällig Amerika für die Europäer entdeckt hatte. Das sollte doch ein Denkmal wert sein. Und man kann ja gerne etwas dazuschreiben, wenn man auch an die grauslichen Konsequenzen dieses Ereignisses erinnern will. Ich hätte auch nichts gegen einige würdevolle Denkmäler für die Ureinwohner und Sklaven. Aber dieses so tun, als ob es nie passiert wäre, ist reine Geschichtsfälschung.

Wohin soll der Denkmalsturm führen? Sollen vielleicht die Geschichte umgeschrieben oder die historischen Deutungs-Parameter verändert werden?
Grischany: Ihre Frage ist im Grund die Zusammenfassung des bereits Gesagten: Es geht hierbei eindeutig darum, eine neue Lesart der Geschichte des Westens, die auf Schuld basiert, durchzusetzen. Vorbild dafür ist die BRD, wo deutsche Identität zunehmend ausschließlich auf einem Schuldkomplex, resultierend aus den zwölf Jahren des Dritten Reiches, aufgebaut und alles davor auf eine Art „Präfaschismus“ reduziert wird. Vor einigen Jahren noch hätten die meisten Amerikaner und Briten historische Vorhaltungen bezüglich Rassismus und Kolonialismus unter Hinweis auf ihre Errungenschaften und Verdienste beiseite gewischt, während sich so mancher patriotisch gesinnte Deutsche gewünscht hätte, dass nicht immer nur über deutsche Verbrechen gesprochen, sondern auch den anderen Nationen der Spiegel vorgehalten wird. Differenzieren ist völlig in Ordnung, da fast jede Geschichte nun einmal ihre positiven und negativen Seiten hat, und man sollte immer beide Aspekte berücksichtigen. Historisch gesehen waren die weißen Nationen alle keine Engel, aber die Linken wollen nunmehr die „weiße Rasse“ an sich verteufeln.

Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.

[Autor: – Bild: Wikipedia/Fibonacci Blue from Minnesota, USA Lizenz: CC BY 2.0]

 

 

 

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