Unschulds­vermutung

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Autor: Manfred Tisal Bild: Parlamentsdirektion/Mike Ranz Lizenz: –


Schön langsam leuchtet jeder Bürgerin und jedem Bürger unseres Landes ein, warum das neu renovierte Parlament eine Glaskuppel braucht. Die Antwort ist ganz einfach. Es gibt keinen Zirkus mit einem Flachdach. Und als Zirkus kann man die Vorgänge im Schauraum der Unzulänglichkeiten wahrlich bezeichnen. Da stellt sich eine Mehrheit hinter Gesetzesentwürfe, die vielfach jeglicher Vernunft entbehren. Und wenn man draufkommt, ist es entweder zu spät oder man wehrt sich vehement gegen Vorwürfe, man hätte etwas falsch gemacht. Fehler zuzugeben, ist nicht Sache der Regierenden. Politiker machen keine Fehler, sie unterliegen höchstens einem Irrtum, den Fachleute gemacht haben.

Dabei sollten unsere Vertreter im Parlament Vorbilder sein. Vorbilder, die jetzt jedoch auf heißen Kohlen im Ausweichparlament in der Hofburg sitzen. Der Grund: Sie sollen im Geheimen Geheimnisse, die sie vom Geheimdienst erhalten haben, an derzeit noch geheime Stellen weitergegeben und für diese Gefälligkeit eine Summe in noch geheimer Höhe erhalten haben. Natürlich gilt für alle verdächtigen Parlamentarier die Unschuldsvermutung.

Überhaupt verstecken sich hinter dem Begriff Unschuldsvermutung viele jener, die um das Vertrauen der Bevölkerung in Vorwahlzeiten gebuhlt haben. Um welche weitergegebenen Geheimnisse es sich handelt, ist derzeit noch geheim. So lange, bis die Staatsanwaltschaft vorerst noch im Geheimen ermittelt. Jetzt stellt sich die Frage, woher die Tagespresse von den ach so geheimen Geheimnissen des Geheimdienstes weiß und darüber berichtet. So berichtet, dass sich jeder einen Reim aus den Geschehnissen machen kann, von den Tatsachen jedoch keine Ahnung hat, weil sie ja geheim sind. Was ist beim österreichischen Geheimdienst so geheim, dass jene, die Gesetze über die Tätigkeit des Geheimdienstes beschließen, nicht wissen sollen, um welche Geheimnisse es sich handelt? Ich bin zutiefst überzeugt, dass die Geheimdienste anderer Länder die Geheimnisse unseres Geheimdienstes schon längst ausspioniert haben, bevor unsere Parlamentarier davon Kenntnis erlangen.

Die aktuell von unseren Parlamentariern für Geld weitergegebenen Geheimnisse sind nur eine Bestätigung dessen, was sie sowieso schon gewusst haben. Und auch eine Bestätigung ist was wert. Wieviel? Das zu eruieren, ist jetzt Aufgabe der Ermittler der Staatsanwaltschaft, in deren Haut ich nicht stecken möchte. Traurig an dieser Sache ist die Tatsache, dass das Vertrauen der Bürger in unsere „Staatsvertreter“ missbraucht wird. Na ja, Vertreter verkaufen halt. Staubsauger, Versicherungen, Gesundheitsprodukte u.s.w. Und Volksvertreter verkaufen halt das Volk. Die Lösung unterliegt dem Gespenst der Unschuldsvermutung. Darum ist das, was ich darüber denke und noch zu sagen hätte, geheim.

Manfred Tisal ist Kabarettist, Moderator, Autor und Journalist.

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