Erhebliche Gefahr von Staatsschulden- und Währungskrisen

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Nationalbank-Vizepräsidentin Barbara Kolm über die Notwendigkeit des Staatsschuldenabbaus nach der Corona-
Pandemie, Inflationsrisiken und die Rolle der Europäischen Zentralbank.

Frau Dr. Kolm, Geld scheint in dieser sogenannten Corona-Krise keine Rolle zu spielen. Milliarden, die früher in anderen Dingen ständig abgingen, werden nun eingesetzt, als ob es kein Morgen geben würde. Was machen wir mit dem neuen Schuldenberg?
Barbara Kolm: Die große Gefahr des stark angewachsenen Schuldenbergs sind ansteigende Zinssätze, weil durch solche die Zinszahlungen für diese Schulden stark ansteigen würden. Diese Zinszahlungen liegen derzeit bei etwa 4,5 Milliarden Euro und damit angesichts des Schuldenstands von etwa 335 Milliarden Euro relativ niedrig. Zum Vergleich: Vor 20 Jahren, im Jahr der Euro-Einführung, lag der Schuldenstand bei knapp 150 Milliarden Euro, die Zinszahlungen jedoch bei etwa acht Milliarden Euro. Wenn die Zinssätze ansteigen, werden die budgetären Spielräume sehr stark verkleinert, weshalb es das Gebot der Stunde ist, die Schulden schnellstmöglich abzubauen.#

Dr. Barbara Kolm ist seit September 2018 Vize­präsidentin der Oesterreichischen Nationalbank. Dr. Kolm ist Präsidentin des Friedrich August von Hayek Instituts und Gründerin und Direktorin des Austrian Economics Center (AEC). (Bild: hayek-institut.at)

Dieses Geldverschleudern findet zwar weitgehend auch in den anderen europäischen Ländern statt, es gibt aber auch Beispiele, die ganz ohne „Lockdowns“ und mit viel weniger Geldverschwendung auskommen. Haben wir in Österreich da den richtigen Weg eingeschlagen?
Kolm: Für ein abschließendes Urteil wird man hier noch abwarten müssen. Aber die derzeitigen Entwicklungen in vielen Ländern, die weniger harte Maßnahmen getroffen haben als Österreich, stellen dem österreichischen Weg kein gutes Zwischenzeugnis aus. Und während wir mit die größten Hilfsprogramme in der Pandemie geschnürt haben, liegen beim prognostizierten Wirtschaftswachstum über die Jahre 2020 bis 2022 nur Griechenland, Portugal, Spanien und Italien hinter Österreich. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass andere Länder bis jetzt besser mit der Krise umgegangen sind.

Vielerorts wird nun die betroffene Wirtschaft wieder mit sogenannten Lockerungen in Schwung gebracht, trotzdem hinken wir in vielen Dingen ganz erheblich hinterher. Der Wintertourismus z.B. erlebt weiterhin erhebliche Einschränkungen. Hätte man da nicht anders vorgehen müssen?
Kolm: Die Schweiz macht als Beispiel tatsächlich vor, dass viele der Einschränkungen im Tourismus in Österreich vermutlich nicht notwendig gewesen wären. Auch andere europäische Länder haben, obwohl sie teils deutlich geringere Impfquoten haben als Österreich, ihre Beschränkungen schon aufgehoben und haben damit dem Tourismus deutlich weniger geschadet. Interessant wird vor diesem Hintergrund die Beantwortung der Fragen des VfGH sein, weil unter anderem diese zeigen wird, ob die Einschränkungen weitgehend gerechtfertigt waren.

„Mit Prognosen, nach denen die ­Inflation sich bald abschwächen wird, wäre ich eher vorsichtig.“

Wir hatten nun in den beiden letzten Monaten des Vorjahres eine beachtliche Geldentwertung von ausgewiesenen 4,3 Prozent. Einzelne Kommentatoren glauben den Zahlen nicht, sie müssten nach deren Meinung erheblich höher sein, zieht man die branchenspezifischen Aussagen in Betracht. Was müssen wir nun wirklich von der gegenwärtigen Inflation halten?
Kolm: Ob die veröffentlichte Inflationsrate die tatsächliche individuelle Verteuerung ausreichend abbildet, ist eine Frage der Zusammensetzung der Warenkörbe, auf deren Basis die Inflation berechnet wird. Es wird also – je nach den eingekauften Gütern – teils deutliche Abweichungen bei den individuellen Preissteigerungen von der Inflationsrate geben. Wenn wir nun nicht nur die Verbraucherpreisinflation betrachten, sondern auch die Preissteigerungen bei Erzeuger- und Großhandelspreisen, ist es aber richtig, dass die Inflation höher als bei 4,3 Prozent liegt.

Einzelne „Experten“ behaupten, diese inflationäre Entwicklung wäre nur von kurzer Dauer und würde sich noch in diesem Jahr erheblich abschwächen. Sehen Sie das ähnlich?
Kolm: Ich zweifle daran. Die Preissteigerungen bei den Erzeugerpreisen und im Großhandel sind im Jahresvergleich zwischen 15 und 20 Prozent angestiegen. Zwar fallen die Preissteigerungen in diesen Bereichen üblicherweise etwas stärker aus als bei den Verbraucherpreisen, vor allem dann, wenn die Erzeuger- und Großhandelspreise sich bereits kurze Zeit später stabilisieren oder sogar sinken. Das Problem, mit dem wir jetzt konfrontiert sind, ist jedoch, dass sich (noch) keine nachhaltige Trendumkehr in diesen Bereichen abzeichnet. Mit Prognosen, nach denen die Inflation sich bald abschwächen wird, wäre ich daher eher vorsichtig.

Licht am Ende des Tunnels sehe ich erst, wenn der Staat der Wirtschaft wieder Raum zum Atmen gibt.

Im Zuge der Corona-Krise hat sich die Geldmenge erheblich erhöht. Liegt nicht darin ein großes Problem, das die Währung auch mittelfristig massiv unter Druck setzt?
Kolm: Ja, vor allem die Geldbasis wurde erhöht, weil die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes stark abgenommen hat. Wenn wirtschaftliche Unsicherheiten wegfallen und die Umlaufgeschwindigkeit wieder zunimmt, ist davon auszugehen, dass ein starker inflationärer Druck die Folge ist. Die große Frage wird sein, ob es die Zentralbanken dann schaffen, das zusätzlich geschaffene Geld ausreichend schnell wieder aus der Wirtschaft zu ziehen.

Die Teuerung in manchen Branchen ist für breite Teile der Bevölkerung kaum mehr zu bewältigen. Vor allem am Energiesektor ist „Not am Mann“ Mit Einmalzahlungen zwischen 150 und 300 Euro soll hier Abhilfe geschaffen werden. Ist das ein geeignetes Instrument und in seinem Umfang gerechtfertigt?
Kolm: Es handelt sich hierbei kurzfristig für einige Haushalte um eine notwendige Maßnahme. Mittel- und längerfristig gesehen bezweifle ich jedoch stark die Eignung derartiger Instrumente zur Lösung des eigentlichen Problems. Man wird sich hier vielmehr grundsätzlich erstens fragen müssen, wie eine Energiewende ohne starke Preissteigerungen herbeigeführt werden kann, und zweitens, ob eine zusätzliche CO2-Besteuerung in dieser Situation wirklich der Weisheit letzter Schluss ist.

Die Situation stellt sich für die Österreicher so dar, dass alles teurer wird, viele Firmen nicht liefern können und die Staatsverschuldung explodiert. Sehen Sie irgendwo „Licht am Horizont“, einen Zeitpunkt, von dem an wir wieder in ein halbwegs „normales“ Leben zurückkehren können?
Kolm: Wir alle hoffen, dass wir möglichst schnell die seriellen Krisen hinter uns lassen können, aber die Gefahr, dass sich an das Ende der Lockdown-Krise Staatsschuldenkrisen und Währungskrisen hängen, ist erheblich. Auch die Lieferketten werden sich nicht so schnell erholen wie erhofft. Licht am Horizont sehe ich dann, wenn der Staat sich entscheidet, der Wirtschaft wieder Raum zum Atmen zu geben – oder die Wirtschaft sich diesen Raum über Innovationen selbst schafft.

Wie beurteilen Sie das Finanzmanagement der EU mit der Zentralbank. Würden Sie auch so vorgehen oder andere Wege einschlagen?
Kolm: Für eine Beurteilung ist es noch zu früh. Ich hätte aber einen deutlich weniger expansiven Kurs in der Geldpolitik verfolgt. Das vor dem Hintergrund, dass viele der Effekte der expansiven Geldpolitik ohnehin durch Lockdowns verpufft sind. Die Reduzierung von Kontakten und wirtschaftliche Stimulierung sind nämlich eindeutig Zielkonflikte. Zudem hätte eine weniger expansive Geldpolitik ein geringeres Risiko der Bildung von Preisblasen.

Die Corona-Krise hat uns finanztechnisch am „falschen Fuß“ erwischt. Ist da für die Zukunft eine Art „Automatismus“ denkbar, um derartige Auswüchse künftig zu vermeiden?
Kolm: Das grundsätzliche Problem ist, dass im Falle des Eintretens von Krisen auf den Staat zur Lösung dieser Krisen geschielt wird. Tatsache ist aber, dass Problemlösungen, die auf Eigenverantwortung setzen, staatlichen Problemlösungen meist überlegen sind. Auch in der Corona-Pandemie zeigte sich das oft – Beispiel Schweden.
Als Automatismen würde ich daher sowohl eine Schuldenbremse als auch eine Ausgabenbremse befürworten.
Mit solchen Instrumenten wird klar gemacht: Der Staat kann in Notfällen helfen, sofern er bereit ist, sich bei anderen Ausgaben einzuschränken.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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