Filmfestspiele 2022 an der Côte d’Azur

by admin2

Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/President Of Ukraine from Україна Lizenz: CC0 1.0


Wolodymyr Selenskis Werbeeinschaltung begeistert Gäste und Hauptstrom-Medien

Cannes, am Dienstag, dem 17. Mai 2022. An der Küstenstraße Croisette wird zur Eröffnung der Filmfestspiele der rote Teppich ausgerollt. Hier gibt sich alles, was beim Film Rang und Namen hat, ein Stelldichein. Dann die Überraschung: Bei der Eröffnungsgala des 75. Cannes Filmfestivals im Grand Théatre Lumière hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenski einen Überraschungsauftritt via Videoschaltung …

Da fällt einem ein alter Spruch ein: Dem seine Sorgen und dem Mautner-Markhof sein Geld. Während sein Volk blutet, hat Selenski also Zeit und Muße, um wieder einmal in sein altes Metier zurückzukehren, zur Schauspielerey, genauer gesagt: zum Kabarett. Und wovon ist die Rede aus dem erlauchten Munde des Kiewer Herrschers? Selenski spricht lange, fast zehn Minuten, und man muss es den Organisatoren lassen, dass sein Überraschungsauftritt dramaturgisch gut platziert ist. Er nimmt an diesem Dienstagabend den Namen seines Widersachers nicht in den Mund. „Der Diktator wird nicht siegen!“, lautet seine Botschaft an die versammelte Glamourfraktion des Weltkinos.

Selenskis rhetorische Frage „Wird das Kino schweigen“ beantwortet er gleich selbst: Nein. Denn: „Wir brauchen einen neuen Charlie Chaplin, der beweist, dass das Kino nicht schweigt.“  Was die Welt jetzt nötig habe, so Chef-Ukrainer, sei ein Streifen wie „Der große Diktator“, bloß halt mit Wladimir Putin in der Hauptrolle. Begeisterter Applaus des Publikums, da will keiner nachstehen, womöglich sich der Gefahr aussetzen, als heimlicher Putin-Versteher zu gelten.

Die Lohnschreiber – meist brave Hurra-Pazifisten à la Anton Hofreiter – der inseratengemästeten Medien verfallen, eh klar, sofort in Lobeshymnen. Hier eine kleine Auswahl (alle Zitate sind solche vom 18. Mai)

Der Tagesspiegel: „Selenski ruft das Kino zur Verantwortung auf … Cannes hat gut daran getan, dem ukrainischen Präsidenten zur Eröffnung das Wort zu geben … Aber es gibt für den ehemaligen Schauspieler und Komiker auch kaum eine bessere Plattform, vor Kolleginnen und Kollegen, um an die Verantwortung der Weltöffentlichkeit zu appellieren. Stachel im Fleisch zu sein … Die Rede ist auch deswegen so eindrucksvoll, weil Selenski bei aller Kompromisslosigkeit zur Einigkeit gegen einen gemeinsamen Feind aufruft.“

Frankfurter Rundschau: „… bewegenden Rede des ukrainischen Präsidenten … ikonische Videoaufnahme des Mannes im kurzärmligen Militärhemd …“ Und zum erwähnten Charlie Chaplin Film über den großen Diktator: „Wie viel Kraft muss Selenski gerade aus diesem Film seines Idols gezogen haben und aus dessen Kampf gegen Goliath; schon als er noch selbst als Komiker die Missstände seines Landes ansprach, bevor man ihn zum Präsidenten wählte, um etwas dagegen zu tun.“

taz: „Auf dem renommiertesten Filmfestival der Welt: Noch ernster ging es schließlich bei der Eröffnungszeremonie zu, bei der neben den prominenten Gästen auf der Bühne ein weiterer prominenter Gast aus der Ukraine per Video zugeschaltet wurde: der Präsident Wolodimir Selenski. Dieser richtete an das Galapublikum die Worte: ‚Jeden Tag sterben Hunderte von Menschen. Sie werden nach dem Schlussapplaus nicht wieder aufstehen.‘ Seine Frage ‚Wird das Kino schweigen oder darüber reden?‘, verband er mit dem Appell: ‚Wir brauchen einen neuen Chaplin, der beweist, dass das Kino heutzutage nicht schweigt.‘“

Alles in allem: Der Krieg in der Ukraine geht weiter, aber der begnadete Selbstdarsteller Selenski gefällt sich in seiner Rolle als Schnittling auf allen Suppen.

Das könnte Sie auch interessieren