Schweiz: Das Ende des Telefonbuchs

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/PTT Telefonbuch 1980/81 Lizenz: public domain


Wieder einmal verschwindet ein Stück der (vermeintlich) guten alten Zeit

Man kann wohl kaum behaupten, die Nachricht von heute (Mittwoch, 14. September 2022) würde die Eidgenossenschaft erschüttern, nämlich: Das gedruckte Telefonbuch der Schweiz, genannt Die weißen Seiten (aktuelle Auflage 1,9 Mio.) wird nach 142 Jahren eingestellt.

Seit undenklichen Jahren gehört in vielen Ländern das regelmäßig aktualisierte Verzeichnis der Inhaber eines Festnetz-Telefonapparats zum ehernen Bestand eines Haushalts. In der Schweiz seit 1880, sohin seit 142 Jahren. In jenem fernen Jahr erscheint für die Stadt Zürich ein schmales Verzeichnis – die sogenannte Liste der Sprech-Stationen – mit nur ein paar Dutzend Teilnehmern, konkret 99. Zum Vergleich: Laut dem Verzeichnis der Abonnenten und öffentlichen Sprechstellen des Telephonnetzes in Wien und der übrigen Telephonnetze in Nieder-Oesterreich, Ausgabe Juli 1913, gibt es Wien damals rund 60.000 Telefonanschlüsse und 543 öffentliche Sprechstellen.

Sprech-Stationen, Sprechstellen. Jene heute merkwürdig anmutende Terminologie rührt daher, dass damals nicht auf dem Display oder der Wählscheibe eine Nummer wählt. Sondern man ruft beim Fräulein von Amt an, das den Gesprächspartner vermittelt.

Nebenbei sei angemerkt: Das Telefonbuch erzählt stets mehr Geschichten, als die spröden Zeilen vermuten lassen. Es beantwortet Fragen wie: Seit wann gibt es Psychiater, seit wann Fitnessstudios? Das Telefonbuch ist für die Wirtschaftsgeschichte eine genauso wertvolle Quelle wie für die Familienforschung.

Ab 1954 wird von der eidgenössischen Post die jährliche Ausgabe sogar in einem größeren Format als bisher geführt. Am Höhepunkt, in den 1990er Jahren, sind es 4,2 Millionen Einträge. Doch in den letzten Jahren besitzen immer weniger Haushalte einen Festnetzanschluss, denn viele Menschen haben nur noch ein Mobiltelefon, und immer weniger Schweizer geben ihre private Nummer preis (Stichwort: Datenschutz).

Deshalb wird das Telefonbuch ab nächstes Jahr nicht mehr gedruckt, sondern steht nur mehr online zur Verfügung. Ein Nachteil für ältere Menschen, die sich mit der modernen Technik etwas schwertun. Ein Umstand lindert die Sache: Das Schweizer Branchenverzeichnis Die Gelben Seiten bleibt in Papierform weiterhin bestehen.

In Europa sind die Schweizer mit dem Schritt nicht allein: Holland etwa hat das papierene Telefonbuch schon 2018 abgeschafft. In Deutschland hingegen hält man bisher am gedruckten Telefonverzeichnis fest (Auflage 60 Millionen). Auch in Frankreich liegen die Pages blanches (Weiße Seiten) nach vor wie gedruckt auf.

Ob es Österreich in den nächsten Jahren das Telefonbuch in Papierform geben wird, das steht in den Sternen. In den letzten Jahrzehnten mussten sich die Menschen auf allerlei Änderungen im Nachrichtensektor gewöhnen: Abschaffung des Telegramms, des Expreß-Briefes sowie im städtischen Bereich das Verschwinden des kostengünstigen Viertel-Telefons. Selbst (funktionierende) Telefonzellen sind mit der Zeit eine Rarität geworden …

 

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