„Die Regierung verliert, aber nicht zugunsten der Opposition“

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Werner Beutelmeyer über den langsamen Abstieg der Regierung

Herr Professor Beutelmeyer, die Corona­krise hat sehr viel bewegt in Österreich, auch bei den Politikern …
Werner Beutelmeyer: Ja, wir haben sehr unterschiedliche Messergebnisse zu unterschiedlichen Zeitpunkten. So hat der erste Lockdown vor ca. einem Jahr völlig andere Bewertungen ergeben als dies jetzt der Fall ist. Während beim ersten Lockdown die persönliche Angst, die gesundheitliche Verunsicherung sehr groß war, hat sich das in den beiden folgenden Lockdowns völlig verändert. Wir sind hinsichtlich der Sorge um die Gesundheit derzeit herunten auf dem Sommerniveau. Die nun aufgetretenen Mutationen des Virus machen die Leute wieder ein bisschen sorgenvoller. Dazu kommt, dass die Befürchtungen tendenziell nunmehr hin zu einer Wirtschaftskrise gehen.

Prof. Dr. Werner BeutelmeyerInstitutsvorstand und GeschäftsführerQuelle: market.at

Haben die wirtschaftlichen Bedenken bereits den Überhang gewonnen gegenüber der Gesundheit?
Beutelmeyer: Ja. Allerdings muss man sagen, dass in den letzten Wochen die Gesundheit wieder etwas anzieht. Es ist das ganz spannend, weil offensichtlich die Impfsituation wieder Bedenken in der Bevölkerung aufkommen lässt. Nichtsdestotrotz sind die vorherrschenden Bedenken jetzt wirtschaftlicher Natur: Wie geht’s weiter mit mir, mit meinem Arbeitsplatz, wie werde ich mir das Leben leisten können, wie sieht es mit der wirtschaftlichen Grundlage aus?

Wenn sich das Verhalten der Bevölkerung von Lockdown 1 zu Lockdown 3 verändert hat, hat sich wahrscheinlich auch die
Haltung zur Regierung verändert …
Beutelmeyer: Es hat sich die Zustimmung zur Regierung stark verändert, die Zustimmung zum politischen System und auch die Zustimmung zu den Parteien. In der ersten Phase hatten die Leute noch gemeint, das wäre sehr ernst zu nehmen, da ist Konsequenz erforderlich. Politisch ergab das einen Höhenflug der Regierung, wie es ihn zuvor noch nie gegeben hat. Denken Sie nur an die Grünen, die hatten im Frühjahr 2020 ungeahnte Popularitätswerte. Aber auch die des Bundeskanzlers sind ins Unermessliche gestiegen. Und erst jene des Gesundheitsministers, er lag deutlich über dem Vizekanzler, zu manchen Zeitpunkten sogar über dem Kanzler.

Wie hat es da mit der Opposition ausgesehen?
Beutelmeyer: Die war in der ersten Welle der Krise völlig kaltgestellt. Egal welche Partei, die Opposition ist von der Bevölkerung einfach nicht wahrgenommen worden. Jede Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit haben damals die
Regierungsparteien inhaliert.

Mittlerweile, im Laufe des letzten Jahres, sind aber Querelen aufgetaucht. Querelen hinsichtlich der Maßnahmen, die die Regierung gesetzt hat, jetzt auch hinsichtlich der Impfsituation. Nagt das an der Reputation des Bundeskanzlers und des
Gesundheitsministers?
Beutelmeyer: Ja, genau. Wir sehen seit längerem eine eindeutige Erosion. Die Werte der Regierung und ihrer Mitglieder sind deutlich gesunken. Die Grünen haben einen deutlichen Niedergang zu verzeichnen. Wenn man meinte, die Opposition hätte davon profitiert, so irrt man. Gestiegen ist im Gegenzug der Nichtwähleranteil. Es hat sich seit Wochen gefestigt, dass in Österreich die größte Partei jene der Nichtwähler ist. Die sind auch größer als die Türkisen, die nun auch deutliche Abstürze in den Rohdaten zu verzeichnen haben.

Wie sieht es aber nun doch bei den anderen Parteien aus?
Beutelmeyer: Ein bisschen freispielen konnte sich die SPÖ, die immerhin noch als stärkste Oppositionspartei wahrgenommen wird. Das hat aber nichts mit ihrer Parteichefin zu tun, die liegt in der Frage der Direktwahl gerade einmal bei der Hälfte von Kurz. Die Neos verändern sich nicht auf relativ niedrigem Niveau und die FPÖ hat einen deutlichen Absturz gegenüber den letzten Wahlen zu verzeichnen.

Warum gelingt es der FPÖ offenbar nicht, wieder stärker Fuß zu fassen?
Beutelmeyer: Ja, das ist eine völlig ungewohnte Situation. Das Thema „Strache“ gerät langsam in Vergessenheit, zumindest geht es ins Langzeitgedächtnis über, aber dennoch kommt die FPÖ nicht vom Fleck. Sie ist in den Rohzahlen unter zehn Prozent, das ist sehr niedrig.

Wie soll es nun weitergehen in Österreich?
Beutelmeyer: Wir haben in unseren Umfragen auch das Management der Krise thematisiert. „Sind wir in Österreich besser oder schlechter als die Anderen?“ Da hat sich eine dramatische Veränderung gezeigt. Beim ersten Lockdown waren es rund 8o Prozent, die der Meinung waren, die österreichische Regierung würde es besser machen. Das hat sich gedreht. Nun sagt die Bevölkerung, jetzt sind wir maximal gleichauf mit den anderen, wahrscheinlich aber deutlich schlechter unterwegs.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

[Autor: Bild: Parlamentsdirektion / Thomas Jantzen Lizenz: –]

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