Brexit-Verhandlungen: „Give me night or give me America“

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Der Verfasser dieser Zeilen hat im Französischunterricht eine Lektion durch einen so genannten „native Speaker“ vermittelt bekommen. In der Geschichte der „Grand Nation“ gibt es zwei Persönlichkeiten, welche alle anderen überstrahlen. Ludwig XIV. und Napoleon Bonaparte. Französische Präsidenten bzw. Politiker, die dieses Amt anstreben, haben es sich angewöhnt, ihre Ambitionen an den Langzeitkönig bzw. an den ersten Kaiser der Franzosen auszurichten.

So verfasste der ehemalige konservative Premierminister de Villepin ein Werk über Napoleon. Über die vielen verpassten Chancen seiner „Herrschaft der 100 Tage“ nach seiner Rückkehr aus dem ersten Exil auf der Insel Elba. Alleine den kriegswütigen sowie revanchelüsternen Alliierten England, Preußen, Russland und Österreich sei es zu verdanken, dass die zweite Phase von Napoleons Herrschaft bei Waterloo endete und nicht zu einer glorreichen, glänzenden Zukunft Frankreichs führte, um Europa auf einer zivilisatorisch höheren Ebene in das 19. Jahrhundert zu führen.

Napoleons Bekundungen Frieden zu wahren und lediglich seine Herrschaft auszubauen, um Frankreichs „Gloire“ wiederherzustellen, fanden in den Kabinetten Londons, Berlins, Wiens und Moskaus keine gutgläubigen Ohren.

Wenn in bestimmten geschichtsbewussten Kreisen Europas die Rede auf Ludwig XIV. bzw. Napoleon kommt, erleiden diese einen Schauder der Vergangenheit. Getragen durch eine streifende Berührung der Muse der Historiographie, Clio.

In diesem Sinne weilte der britische Premierminister Boris Johnson zunächst in Berlin. Er war guten Willens. Er bemühte sogar den unheilvollen Satz von Angela Merkel, der einen wesentlichen Beitrag zum Brexit beigetragen hat: „Wir schaffen das.“ Auf Deutsch! Diesen Satz!  Es wird Brexiteers gegeben haben, die einen kräftigen Schluck nahmen und sich dachten sowie inbrünstig hofften: Verhandlungstaktik.

In Paris erwartet den Premierminister Präsident Macron. Der „Jupiter“. Die USA werden die EU nicht ersetzen können, verkündete dieser zuvor.

Lässt man den französischen Hang zur Theatralik beiseite und betrachtet die Sache mittels angelsächsischer Kühle, entspricht dies tatsächlich dem Sachverhalt. Aber es gibt noch den Commonwealth und zahlreiche andere Nationen, mit denen man Handel treiben bzw. Geschäfte machen kann. Hinzu kommen die Niederlande und Deutschland, deren Handelsbeziehungen mit den britischen Inseln intensiver sind, als die Frankreichs. Hinzu kommen Italien und die Visegrad-Staaten, deren Bemühen, dem Zentralismus Einhalt zu gebieten, entschiedener sind als die der Niederlande und Deutschlands.

Was Politiker, Militärs und Ökonomen in der Menschheitsgeschichte immer wieder vergessen bzw. nicht ausreichend berücksichtigt haben: Die Fähigkeit einer Volkswirtschaft organisatorische, wissenschaftliche und technologische Alternativen zu finden. Dieser Flexibilität, teils aus der Not geboren, verdankt die Menschheit zahllose zivilisatorische Errungenschaften.

Der Fall von Konstantinopel führte zu den Entdeckungsreisen der Spanier und Portugiesen. Napoleons Kontinentalsperre führte zur Zuckerrübenproduktion am Kontinent. Die Blockade gegen die Mittelmächte im ersten Weltkrieg führte zum Haber-Bosch-Verfahren.

Sollten sich im Zuge der Verhandlungen die Briten denken: „Give me night or give me Prussia“ und die Preußen werden erwartungsgemäß nicht kommen, verbleibt noch immer: „Give me America and the Commonwealth“.

[Autor: G.B. Bild: www.wikipedia.org/Doctor Syntax Lizenz: -]

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