„Das Dilemma setzt sich fort!“

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Meinungsforscher Werner Beutelmeyer (Market) zu der Rochade von Sebastian Kurz, Bundeskanzler Schallenberg und der neuen Position der FPÖ.

Herr Professor Beutelmeyer, in den letzten Tagen hat es die Rochade von Sebastian Kurz vom Amt des Bundeskanzlers zu jenem des Klubobmannes gegeben, sind damit eigentlich die Probleme der Regierung am besten gelöst?
Werner Beutelmeyer: Also für Kurz selbst war es gewiss die beste Lösung. Allerdings glaube ich, dass sein Spekulieren auf eine Rückkehr nicht viel Aussicht auf Erfolg hat. Auch in den Augen der Österreicher ist dieser „Zwischenparkplatz“ nicht wirklich geeignet, um in das Kanzleramt zurückzukehren. Wir müssen jetzt mit einem Prozess mit Untersuchungsausschüssen rechnen. Der kann lange dauern und ich glaube, dass sich da eher die Verdachtslage weiter verdichten wird. Ich kann mir ein Zurück auch dann nicht vorstellen, wenn eine Wahl zwischengeschaltet würde.

Prof. Dr. Werner Beutelmeyer ist Institutsvorstand und Geschäftsführer des Marketinstitut. (Bild: market.at)

Es wurde zwei Dinge evident. Einmal der Anspruch der Grünen, dass der Bundeskanzler nicht mehr Kurz sein dürfe, sollte die Koalition weitergehen, und zum anderen, die Forderung der schwarzen Bündeobleute und Landeshauptmänner, dass es nur mit Kurz an der Spitze der Regierung weitergehen könne. Ist das nun ein Sieg der Grünen oder ist das die Rettung der Republik, die Kurz hier vollzogen hat.
Beutelmeyer: Ich glaube, es ist ein Sieg für die Grünen. Ob es die Rettung für die Republik ist, bin ich mir jetzt ehrlich gesagt nicht sicher. Da müssen wir schauen, was nun kommt. Ich fürchte, uns erwartet nun erst das dicke Ende. Ich kenne Schallenberg zu wenig. Aber ich weiß, dass er gemeinsam mit Thomas Schmid im Kabinett von Michael Spindelegger gesessen ist. Also auch da herrscht eine hohe Vertrautheit. Es wird also wohl versucht, mit „more of the same“ weiter zu arbeiten. Es ist wohl abzuwarten, ob es so eine moralische Erneuerung geben wird. Ich bin eher skeptisch.

Wenn Sie von einer „moralischen Erneuerung“ sprechen, muss man wohl berücksichtigen, dass ja das gesamte Regierungsteam im Amt verblieb, so auch Gernot Blümel zum Beispiel, der ja auch bereits eine Hausdurchsuchung hinter sich hat. Wie wahrscheinlich ist da, dass sich etwas zum Positiven ändert?
Beutelmeyer: Genau das ist der Punkt. Man wird vorsichtiger sein, man wird peinlich darauf achten, dass nichts nach außen dringt. Ich glaube aber nicht, dass es zu einer „moralischen Erneuerung“ kommt, wie sie der Bundespräsident angesprochen hat. Insofern bleibt es also ein Sieg für die Grünen. Umfragemäßig stehen sie als Juniorpartner der Koalition nicht sonderlich gut da. Man muss sehen, wie sich das jetzt weiterentwickelt.

Positiver Aspekt dieser Affäre: Die Situation hat die Rolle der ­Freiheitlichen neu definiert.

Wenn Sie den Bundespräsidenten ansprechen, wie ist da das Mitmischen in der Tagespolitik zu verstehen? Früher hatten die Präsidenten eher repräsentative Aufgaben wahrgenommen. Ist das Ihrer Meinung nach die richtige Richtung?
Beutelmeyer: Ich halte es für durchaus richtig, wenn der Bundespräsident als moralische Instanz auftritt. Auch Kirchschläger hat ja bekanntlich von den „sauren Wiesen“ gesprochen, die trockengelegt werden sollten. Nichtsdestoweniger glaube ich auch in dieser Hinsicht, dass der Schritt nicht weitreichend genug war. Ich glaube, das Dilemma setzt sich fort, auch wenn jetzt der Kanzler Schallenberg heißt.

Es behauptet ja die Opposition auch, dass sich nicht viel geändert hat, dass das Türschild von Kurz möglicherweise ein anderes sei, der neue Bundeskanzler aber an der Leine des Klubchefs gehen wird?
Beutelmeyer: Ich gehe davon aus, dass Schallenberg an der kurzen Leine geführt wird. Es wird sich nicht viel ändern. Man wird vorsichtiger handeln, man wird auch versuchen, sich nicht erwischen zu lassen. Dafür wird aber umso mehr an der eigenen Machterhaltung gearbeitet. Kurz wird zwar nicht mehr an die Kanzlerschaft herankommen, er wird aber versuchen, sein System, sein Modell weiter zu praktizieren. Er hat ja nach wie vor alle Spieler am Feld.

Das wären keine guten Aussichten für Österreich. Die Opposition, der das Geschehene ja viel zu wenig ist, wird nun weiter auf Änderungen und Erneuerungen der Regierung drängen. Oder glauben Sie, dass die anderen Parteien nun ruhig halten werden?
Beutelmeyer: Nein, die werden sicher nicht ruhig halten. Die werden mit Argusaugen beobachten, was nun geschieht. Die Politik steht jetzt am Prüfstand. Das hat natürlich zur Folge, dass es auch für die Regierung ungeheuer schwer wird. Die Opposition ist nun ermutigt alles und jedes genau zu hinterfragen. Es wird bestimmt ein sehr kritischer Umgang gepflegt werden.

In der Diskussion, bei der es auch um eine Vier-Parteienregierung gegangen ist, hatte man plötzlich das Gefühl, dass der „böse Kickl“, plötzlich nicht mehr ganz so böse ist. Dass man ihn brauchen könnte, wenn es um Regierungsbildungen geht. Ist die FPÖ plötzlich von der „Ibiza-Affäre“ her exkulpiert? Wie, glauben Sie, wird es diesbezüglich in der Zukunft aussehen?
Beutelmeyer: Ich glaube, diese Situation hat die Rolle der FPÖ neu definiert. Es gab da sicher Annäherungen. Es gibt da sicher auch eine neue Perspektive. Das kann man gewiss als nachhaltig bezeichnen. Die Frage wird sein, wie die Personen miteinander umgehen. Da ist natürlich Kickl gefordert, aber auch die anderen sind es. Die ersten Schritte eines neuen Miteinanders wurden sicher getan. Das ist gewiss auch ein positiver Nebeneffekt dieser unerfreulichen Angelegenheit.

Glauben Sie nach ihrer persönlichen Mutmaßung, dass die Regierung nun „halten“ wird oder müssen wir wieder mit Neuwahlen rechnen?
Beutelmeyer: Ich glaube, dass wir mittelfristig, noch vor Ende der Legislaturperiode, Neuwahlen haben werden.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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