Französische Gemeinderatswahl: Premier Philippe setzt sich durch, Sieg des RN im Süden
Das Ergebnis der zweiten Runde der französischen Gemeinderatswahl (Sonntag, 28. Juni) versprach vor allem in der Stadt Le Havre (dt. der Hafen) spannend zu werden. In der an der Mündung der Seine in den Atlantik gelegenen 170.000-Einwohner-Stadt – sie wird oft Stalingrad-sur-Mer genannt, dies wegen der vielen hässlichen Betonbauten an der Stelle der 1944 durch Bomben verstörten Innenstadt, aber auch wegen der nicht eben wenigen Kommunisten – kandidierten in der ersten Runde der Wahl (am 15. März) auf der einen Seite der Premierminister Édouard Philippe sowie dessen schärfster Rivale Jean-Paul Lecoq, ein Kommunist.
Philippe (50) errang in der ersten Runde 43,59 % oder 17.798 (minus 8,5 %). Sollte er erneut Bürgermeister werden, so muss er wie bisher dieses Amt ruhen lassen, solange er Regierungschef des weithin unbeliebten Emmanuel Macron ist. Nicht gerade ein Plus. Seine Kandidatur ist auch deshalb ein gewagtes Spiel, weil er im Falle einer Niederlage seine Stellung als Premier verliert. Dies gebietet ein ungeschriebenes Gesetz.
Sein Mitbewerber Jean-Paul Lecoq (62, geboren in Le Havre) erhielt 35,87 % oder 14.646 Stimmen. Lecoq ist seit 1972 im PCF tätig, er wird auch von den Sozialisten (PS) unterstützt. Der Kommunist setzt auf Lokalpatriotismus, weil er seine Liste Un Havre Citoyen nennt – ein kleiner Seitenhieb auf Philippe, der aus dem etwas Seine-aufwärts gelegenen Rouen stammt.
Die übrigen Bewerber sind in die Kategorie ferner liefen einzureihen, auch Frédéric Groussard vom Rassemblement National (RN) mit mageren 7,31 %.
Wie haben die Wähler von Le Havre im zweiten Wahlgang am Sonntag (28. Juni) entschieden?
Der Sieger der Stichwahl heißt Édouard Philippe. Er siegt mit 25.159 Stimmen, das sind 58,83 %. Philippe darf damit aufatmen, weil dadurch auch sein Amt als Premier gerettet ist. Sein Gegenspieler, der Alt-Kommunist Jean-Paul Lecoq kann im Vergleich zur ersten Runde nur wenig zulegen: von 14.646 Stimmen auf 17.604 (41,17 %). Die Wähler von Le Havre haben der Linken eine deutliche Abfuhr erteilt. Die geringe Wahlbeteiligung von 42,02 % ist allerdings eine bittere Pille.
Wenden wir uns nun dem Rassemblement National (RN) zu.
Was deren Bürgermeister-Kandidaten RN angeht, so haben sich etliche bisherige Amtsinhaber bereits im ersten Wahlgang eine Verlängerung gesichert. So etwa in den Städten Beaucaire (16.000 Einwohner; Julien Sanchez [36] erringt 59,5 %), Béziers (80.000; dort fährt der Algerien-Franzose und Ex-Trotzkist Robert Ménard mit Hilfe des RN beachtliche 68,74 % in die Scheune) und Fréjus (54.000; 50,6 % für den erst 28-jährigen David Rachline), alle diese Städte liegen im Süden. Aber auch in Hénin-Beaumont bei Calais (25.000) verbucht der RN einen Sieg. Dort erhält der bisherige maire Steeve Briois satte 74,21 %.
Ein Spezialfall ist Perpignan nahe der Grenze zu Spanien. In der Stadt leben 120.000 meist katalanisch sprechende Einwohner, was für eine prononciert französisch-nationale Bewegung wie dem RN eigentlich kein guter Boden ist. Trotzdem bekommt am 15. März der Vizepräsident des RN und langjährige Lebensgefährte von Marine Le Pen (bis 2019), Louis Aliot (51), im ersten Wahlgang 35,66 % der Stimmen.
Perpignan steht ab dem 28. Juni für einen Sieg der Partei von Marine Le Pen. Der formal als Unabhängiger antretende RN-Bewerber Louis Aliot gewinnt mit 53,17 % gegen seinen Mitte-Rechts-Konkurrenten Jean-Marc Pujol, der sich mit 46,9 % bescheiden muss. 2014 waren es noch 55,11 %. Pujol ist ein pied noir (dt. Schwarzfuß), also ein Algerienfranzose, der 71-jährige Jurist stand seit 2009 an der Spitze der Stadt. Der von linken samt linksradikalen Kräften wie üblich gebildete front républicain, der einen Sieg des RN verhindert hätte sollen, hat damit Schiffbruch erlitten. Hingegen ist der 28. Juni ein Freudentag für Frankreichs Patrioten, stellt doch der RN mit Perpignan zum ersten Mal den Bürgermeister in einer Stadt mit über 100.000 Bewohnern.
[Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/MARCHESAN PASCALE – MAIRIE DE PERPIGNAN Lizenz: CC BY-SA 4.0]