Autor: U.K. Bild: Hands off my tags! Michael Gaida auf Pixabay L
Nachfrage nach deutschen Schuldpapieren bricht dramatisch ein
Festverzinsliche Anleihen der Bundesrepublik Deutschland, die Wertpapiere, mit denen unser nördlicher Nachbar seine Staatsschulden finanziert, galten weltweit seit eh und je als der Inbegriff einer sicheren, beinahe risikolosen Geldanlage. Übertroffen nur noch von den „Öffentlichen Anleihen der Schweizerischen Eidgenossenschaft“, die aber seit Jahren kaum noch auf den Markt kommen.
Dementsprechend hoch war bisher die Nachfrage nach diesen deutschen Schuldpapieren. Wann immer die Finanzagentur der Bundesrepublik Deutschland in Frankfurt am Main, die staatseigene Geldbeschaffungs-Institution in der Rechtsform einer GmbH, neue Anleihen auf den Markt gebracht hat, wurde das Angebot vielfach überzeichnet. Vier- bis fünfmal soviel wollten Investoren oft kaufen als wie tatsächlich Staatsanleihen angeboten wurden. Da konnte sich der Finanzminister in Berlin im Auktionsverfahren die günstigsten Angebote rauspicken, und verdiente in besten Zeiten über 7 Millionen Euro pro Schuldenmilliarde, pro Jahr wohlgemerkt, dank Negativ-Verzinsung und EZB-Geldschwemme.
Doch das ist mittlerweile Geschichte, der Wind hat sich total gedreht. Überraschend kam das freilich nicht, wir haben hier auf ZurZeit schon Anfang Februar diese Entwicklung korrekt vorhergesagt. Da ist es noch das kleinste Problem, dass die Umlaufrendite für 10-jährige „Bunds“, das heisst die Zinsen, die Deutschland für seine längerfristigen Schulden zahlen muss, aktuell auf 2,2 % angestiegen ist. Das ist zwar immer noch relativ wenig, und der niedrigste Zins aller Euroländer, aber ein himmelweiter Unterschied zu den Mini-Werten der letzten 10 Jahre.
Doch jetzt bricht plötzlich auch die Nachfrage nach bundesdeutschen Staatsanleihen ein, und zwar dramatisch. Seit Anfang Oktober hat gerade mal eine einzige Anleiheemission von insgesamt zwanzig mehr Kaufangebote erhalten als Papiere zum Verkauf standen. Und hier reden wir über ein Emissionsvolumen von 43,3 Milliarden Euro für den abgelaufenen Monat! Im Schnitt konnte die Bundes-Finanzagentur mal gerade 70% der Summe am Markt plazieren, die eigentlich geplant war. Trauriger Negativ-Rekord war die Emission 7-jähriger Bundesanleihen am 18. Oktober, wo nicht einmal die Hälfte der dort angebotenen Wertpapiere von insgesamt 4 Mrd. € einen Abnehmer fanden, trotz durchaus attraktiver Rendite von 2,23% per annum.
Denn obwohl Deutschland nach wie vor mit der höchsten Bonitätsnote „AAA“ von den großen Rating-Agenturen wie Standard & Poors, Moody’s und Fitch bewertet wird, werden immer mehr Profi-Investoren skeptisch, was die zukünftige Wirtschaftskraft Deutschlands betrifft. Denn in ein linksgrünes Wolkenkuckucksheim zu investieren, dem potentiell die Deindustrialisierung drohen könnte, dazu haben die milliardenschweren Anleiheexperten keine Lust. Den Stein ins Rollen gebracht hat nun das 200 Milliarden Euro schwere „Rettungspaket“ zur Abmilderung der Folgen der Energiepreisexplosion. Dazu soll der zu Corona-Zeiten eingerichtete Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) reaktiviert werden und eben die 200 Milliarden Euro per neuen Schulden am Kapitalmarkt auftreiben.
Doch da spielen die internationalen Kapitalgeber nun plötzlich nicht mehr mit, zumal auch andere Länder der Eurozone und die EU selbst in 2023 rekordverdächtige 400 Mrd. € an neuen Schulden machen wollen. Dass es da jetzt irgendwo eine Schmerzgrenze gibt, musste im September leidvoll Grossbritannien erfahren, dessen zusätzlicher Finanzbedarf von 70 Mrd. Euro für deren eigenes Energiehilfsprogramm nicht nur das Britische Pfund in den Keller schickte, sondern Finanzminster Kwasi Kwarteng und Premierministerin Liz Truss gleich mit.
Wird also spannend, wie der einstige Musterschüler Deutschland sich in Zukunft finanzieren wird. Sicher über neue, und/oder höhere, Steuern, sicher wohl auch deutlich teurer als bisher am Kapitalmarkt. Und womöglich tritt man am Ende noch dem „Club Med“ bei, und hofft auf Staatsfinanzierung durch windige EZB-Programme.