„Die Wahrheit verträgt heute keiner mehr“

by admin2

Der langjährige „EU-Bauer“ und Regisseur des Villacher Faschings, Manfred Tisal, über Political Correctness, Narrentum und die Zukunft der Faschingsgilden

Herr Tisal, Sie waren fast 30 Jahre lang Akteur in unterschiedlichsten Funktionen beim Villacher Fasching. Dieser wird heuer 65 Jahre alt. Wo steht der Villacher Fasching im Jahr 2020?

Manfred Tisal: Es hat sich einiges geändert. Das Interesse der Menschen am Villacher Fasching war hauptsächlich eine traditionelle Angelegenheit. Man darf nicht vergessen, es hat damals noch Schwarz-Weiß-TV gegeben, der ORF selbst war damals erst fünf Jahre alt und da gab es schon eine Aufzeichnung des Villacher Faschings. Sämtliche Familienmitglieder, die Bewohner eines Häuserblocks, wurden zusammengetrommelt: Wir gehen heute Fasching schauen, Villach ist im Fernsehen! Dazu hat man Krapfen gebacken oder man machte einen Heringssalat, Sekt oder Wein wurde dazu getrunken. Massenweise hat man die Sendung angesehen, es gab Zeiten, da gab es 3,5 Millionen Fernsehzuseher, wenn der Villacher Fasching ausgestrahlt wurde. Bis zum heutigen Tag ist der Villacher Fasching die weltweit älteste im selben Format ausgestrahlte Sendung der Welt. Geändert hat sich das Interesse der Leute, das ist ein Zeichen der Zeit. Heute kann man jeden Witz vom Internet herunterladen. Wenn zum Beispiel beim Villacher Fasching ein Witz gesagt wurde, der von einem der Mitarbeiter kreiert wurde, ist der nächsten Tag schon überall präsent im Internet. Der wird dann weiter kolportiert. Das Interesse der Leute sinkt eigentlich. Ich habe es in den 28 Jahren nie erlebt, dass auch nur ein einziger Stuhl frei gewesen ist. Aber jetzt hat man etwas zu kämpfen.

Die Zuseher-Quote war in der Spitzenzeit bei 3,5 Millionen, jetzt sind wir bei knapp einer Million Zuseher. Ist das nur das Internet oder ist es auch die Qualität, die vielleicht etwas abgenommen hat? Oder ist es vielleicht die politische Korrektheit, die durch den ORF in der Faschingssitzung zuschlägt?

Tisal: Man darf das Bemühen der einzelnen Akteure, ihr Bestes zu geben, nicht herunterwürdigen. Sie bemühen sich, versuchen ihr Bestes zu geben und damit das Publikum zu unterhalten. Die Ansprüche des Publikums sind natürlich gestiegen. Heute ist eine Faschingssitzung in Villach mehr eine Show als das, was der Fasching eigentlich sein sollte. Es sollte ein Spiegelvorhalten sein, es sollte etwas Negatives, das es etwa in der Politik gibt, sei es jetzt die Steuern, Gesetze, Verordnungen und so weiter, humorvoll ins Positive ziehen, versuchen, die Leute zum Lachen zu bringen. Zumal, wenn die Leute lustig über etwas denken, das dann auch viel leichter akzeptieren. Aber das kapieren viele nicht.

Vielleicht ist das Problem, dass politische Unkorrektheit nicht so erwünscht ist in dem Ausmaß, wie es notwendig wäre – zumindest in der Fernsehübertragung…

Tisal: Ein Narr, heißt es immer, sagt die Wahrheit und die Wahrheit verträgt heutzutage keiner mehr. Das ist leider Gottes so, ich habe das am eigenen Leib verspürt und viele andere wahrscheinlich auch. Ich habe dem Fasching ja nicht den Rücken gekehrt, sondern versuche jetzt, den kleineren Gilden etwas zur Seite zu stehen. Ich bin jetzt in Jedlersdorf in Wien aufgetreten, drei Mal hintereinander als Gast und ich werde das auch in Wartberg in der Steiermark machen, am 22. und am 23. Februar. Ich bin am 21. Februar in Bad Gleichenberg, ich bin in Althofen und werde dort vier Texte beisteuern. Es ist interessant, bei den kleineren Gilden mitzuarbeiten, die noch Lokalkolorit drinnen haben, die ein bisserl über die eignen Leute lachen können. Wenn der Onkel Franzi ein wenig verrissen wird, so ist das immer lustig für alle, die den Onkel Franzi kennen.

Es ist unbestritten: Höchster Respekt vor allen ehrenamtlichen Akteuren – egal ob bei den kleinsten Gilden oder aber auch bei den großen wie beim Villacher Fasching. Sie haben es erwähnt, das Bemühen kann man niemandem absprechen. Wie schwierig ist es zum Beispiel in Villach, das werden Sie sicher aus Erfahrung wissen, auch Akteure zu fi nden, die sich das antun, und eben auch die entsprechende Qualität mitbringen?

Tisal: Es gäbe sehr viele Leute, die auch mitmachen würden, die wollen aber mehr im Hintergrund und nicht auf der Bühne sein. Was der Villacher Fasching braucht, das sind Prangerredner, die auch selbst den eigenen Text schreiben. Wir haben Texter gehabt und die Texte waren wunderbar, nur eben nicht auf die Person zugeschnitten. Wenn einer seinen eigenen Text schreibt, dann identifi ziert er sich mit diesem Text und dann bringt er ihn auch gut. Ich habe schon für einige Prangerredner Texte geschrieben, aber sie konnten den Text einfach nicht rüberbringen. Die Person, die dahinter steht, ist genauso wichtig, wie der Text.

Zu Ihrer Person: Der ORF hat einen Rückblick über die letzten Jahrzehnte des Villacher Faschings gebracht und just in den letzten 30 Jahren waren Sie auch eine der mitprägenden Figuren in diesem Villacher Fasching. Sie waren nicht nur als EU-Bauer allen bekannt, Sie haben auch hinter den Kulissen gewirkt – als Regisseur, Sie waren im Vorstand und dergleichen fort. Der ORF hat Sie jedoch mit keiner Silbe, mit keinem Wort erwähnt. Wie fühlen Sie sich dabei? Was steckt da dahinter?

Tisal: Ich bin überhaupt nicht böse. Auch ein Regisseur ist weisungsgebunden. Was mich enttäuscht, sind diejenigen Kollegen, die 28 Jahre mit mir auf der Bühne gekämpft haben und das stillschweigend zur Kenntnis genommen haben, dass ich nicht erwähnt werde. Das ist das, was mich am meisten kränkt, denn es sind da Leute dabei, mit denen ich zusätzlich jahraus jahrein zehn Jahre auf der Bühne gestanden bin.

Das tut natürlich weh. Der Hintergrund ist dem Leser mehr oder weniger bekannt. Sie haben im Jahr 2017 – wenn man so will – ein politisch inkorrektes Posting auf Facebook verfasst, weshalb es in weiterer Folge zu einer – sagen wir – Vogelfrei-Erklärung durch den ORF gekommen ist. Das hatte dann indirekt in weiterer Folge zu Ihrem freiwilligen Rückzug aus dem Villacher Fasching geführt. Bereuen Sie das Posting?

Tisal: Warum soll ich als Österreicher bereuen, die Wahrheit gesagt zu haben? Es steht mir zu, meine Meinung zu äußern! Das ist ein verfassungsmäßig mir zustehendes Recht. Es kann mich jemand dafür rügen, es kann mich jemand dafür kritisieren, aber mich dafür zu bestrafen, hat man nicht das Recht. Ich wurde ja angezeigt, ich war bei der Kriminalpolizei, bei der Einvernahme. Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung heißt die Abteilung, die dafür zuständig war. Ich wurde fallen gelassen. Eine Expertise von einem bekannten Wiener Professor von der Universität für Rechtswissenschaften war notwendig, er hat mit keinem einzigen Wort erkannt, dass es ein Fehler von mir war, diese Aussage zu machen. Ich habe keine Beweislast erbringen müssen. Ich bin am Balkon gestanden und habe gesehen, wie dort sieben oder acht topgestylte Flüchtlinge in der Nähe meiner Wohnung ein Heim bezogen haben, mit Handys, die ich mir nicht leisten kann und auch mit Fahrrädern, mit eleganten Sportschuhen. Auch die Caritas hat sich bei mir gemeldet und hat das kritisiert, was ich gesagt habe und hat mich sogar eingeladen, dieser Einladung habe ich Folge geleistet. Der jetzige Bischof von Gurk hat mich da unten aufgeklärt, was da alles passiert und wie die zu all den Dingen kommen. Das gerade die neun, die bei mir vorbeigegangen sind, bei der Caritas in Klagenfurt Nike und Adidas ausgefasst haben … – allein mir fehlt der Glaube!

Noch einmal zurück zum Fasching. Die Gegenwart haben Sie analysiert, aber was ist mit der Zukunft? Wäre es etwa beim Villacher Fasching besser, nicht mehr im ORF gesendet zu werden?

Tisal: Nein, man muss sich nicht verabschieden, sondern der ORF sollte vielleicht auch einmal akzeptieren, dass eine Faschingssitzung auch eine gewisse Regionalität beinhalten soll, das heißt, den Haus- und Hof-Schmäh. Das muss man einfach akzeptieren! Wir in den Bundesländern müssen ja auch akzeptieren, wenn die Wiener Kabarettisten über Wien reden. Also können ohne weiteres einmal die anderen acht Bundesländer akzeptieren, dass es in Kärnten einen Schmäh gibt – einen eigenen Schmäh. Und bei den Kleinen würde ich sagen, man sollte aufpassen. Ich glaube, dass ein Rückschritt oft besser ist als ein Fortschritt, wenn man sich zu weit vorwagt. Eine Faschingssitzung soll nicht zu einer Show mutieren. Es soll bleiben, was es ist, eine Faschingssitzung. Büttenreden, zwischendurch ein bisserl Klamauk, Leute unterhalten, Humor verbreiten … das ist Fasching, meines Erachtens. Das ist das Wichtigste, dafür sollte man stehen und dabei sollte man bleiben. Es reicht, wenn man einen Sketch für zwei am Arbeitsamt mit einem Tisch, zwei Sesseln und einem Schild mit der Aufschrift „AMS“ auf die Bühne stellt, soviel Phantasie muss man den Zusehern schon zugestehen, dass sie auch wissen, um was es beim Sketch geht.

Das Gespräch führte F.-W. Moewe

[Autor: Bild: Privat, Tisal Lizenz: -]

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