Autor: E.K.-L. Bilder: Wikipedia/Andreas Gälle Lizenz: CC BY-SA 3.0 DEED
Der Kanton Genf wollte einen katholischen Umzug zum Fronleichnam verbieten
Am Fronleichnam, sechzig Tage nach Ostern, feiert die Katholische Kirche die Hostie als Symbol für die Realpräsenz Christi. In vielen christlichen Gegenden wird deswegen die Messe im Freien abgehalten, oft – wenn das Wetter halbwegs mitspielt – gibt es Prozessionen, bei denen der Priester die Monstranz mit einer konsekrierten Hostie durch die Straßen trägt. Ein friedlicher Umzug.
Eine derartige Fronleichnams-Prozession will auch die im Genfer Stadtzentrum gelegene Kirche Sainte-Claire im Frühjahr 2022 veranstalten. Doch dann geschieht etwas, womit man vielleicht in Nord-Korea, Rotchina oder in einem islamischen Staat gerechnet hätte: Die Behörden im „Kanton und Republik Genf“ verbieten den Umzug. Mit der fadenscheinigen Argumentation, man müsse doch den Religionsfrieden wahren.
Nun gilt es, eines zu wissen: Genf ist die Stadt, in der Reformationszeit, sohin im 16. Jahrhundert, ein gewisser Johannes Calvin seine Lehre verkündet und sie mit drakonischen Mitteln durchsetzt. Seine Gegner landen mitunter auf dem Scheiterhaufen. Heutzutage erhebt sich angesichts der Entscheidung der Genfer Obrigkeit die bange Frage: Lodert in der Stadt noch immer der Hass calvinistischer Eiferer? Werden römische Katholiken auch in der Gegenwart verfolgt?
In Genf können laut dem dortigen Veranstaltungsgesetz sogenannte „kultische Veranstaltungen“ auf öffentlichem Grund genehmigt werden. Oder auch nicht, wie im vorliegenden Fall. Wie lautet nun die Begründung für das behördliche Verbot des Umgangs zu Fronleichnam? Die Prozession, so die Behörde, habe einen rein ostentativen Charakter, der in besonders schwerwiegender Weise die Freiheit und die Rechte anderer Personen sowie die kultische Neutralität des öffentlichen Bereichs beeinträchtigt.
Doch der Pfarrer lässt sich nicht einschüchtern. Gemeinsam mit einer katholischen Aktivistin legt er das Rechtsmittel der Beschwerde bei der nächsthöheren kantonalen Instanz ein. Denn am Umzug würden sich höchstens dreihundert Gläubige beteiligen, dies auf einem Straßenabschnitt von sechshundert Metern; alles ohne Plakate, Schilder oder laute Musik.
Die Instanz (die sogenannte Verwaltungskammer) gibt der Pfarre spät (am 31. März 2023), aber doch recht, hebt die Entscheidung der kantonalen Behörde wegen Unverhältnismäßigkeit auf. Die Größe des Umzugs stelle kein Sicherheitsrisiko dar, auch würden dadurch keine Gefühle anderer Personen verletzt.
Aber der Kanton gibt nicht auf, legt Rekurs ein. Wobei sich die Erhebung des Rechtsmittels für die Juristen der Behörde zu einer juristischen Blamage auswächst: In seiner nunmehr veröffentlichten Entscheidung vom 13. September 2023 (AZ 2C_285/2023) geht das Schweizerische Bundesgericht gar nicht auf den Fall ein, weil es dem Kanton an der Berechtigung zur Erhebung eines Rekurses ermangle.
Das Begehren wird a limine, also sozusagen schon in der Einlaufstelle des Bundesgerichtes zurückgewiesen. Womit das Urteil der Genfer Verwaltungskammer rechtskräftig wird. Mit einem Wort: Der Kanton Genf darf den Umgang gläubiger Katholiken zu Fronleichnam nicht untersagen, denn dies würde die Glaubensfreiheit einschränken. Ende gut, alles gut.