Von Gerhard Kaniak
Wer finanziert unsere Gesundheit von heute und morgen, und werden wir in Zukunft mehr oder weniger Leistungen erhalten? Diese Frage stellt sich gerade in Anbetracht der aktuellen Coronakrise mehr denn je. Denn die Kosten für die Krisenbewältigung im Gesundheitswesen steigen in lichte Höhen, negative Auswirkungen auf die Bereiche Budget, Bildung, Soziales und Wirtschaft noch gar nicht berücksichtigt.
Dabei war und ist unser Gesundheitssystem eines der besten, aber auch teuersten weltweit. Doch nun steht es auf der Kippe. Denn in unserem solidarischen System der Pflichtversicherung zahlen immer weniger immer mehr dafür, dass möglichst alle Menschen möglichst alle Leistungen „zum Kassentarif“ bekommen. Dass dies natürlich auf Dauer nicht funktioniert und Anreize zum Missbrauch bietet, ist bekannt. Nur möchte keiner mit diesem Umstand konfrontiert werden oder ihn beseitigen. Die jahrelange Diskussion um das Foto auf der E-Card sei an dieser Stelle in Erinnerung gerufen!
Auch das „Leistungsversprechen“ ist ein sehr Relatives, denn teure Untersuchungen wie Computertomographien oder Hüftoperationen wurden und werden einfach zahlenmäßig gedeckelt, um die Kosten im Zaum zu halten. So wird aus dem Versprechen der bestmöglichen Versorgung für jeden ganz schnell eine „Zwei-Klassen-Medizin“: Auf der einen Seite jene, die sich zu Recht erwarten, dass sie für ihre Beiträge tatsächlich die bestmögliche Behandlung im öffentlichen Gesundheitssystem bekommen, aber oft so lange darauf warten müssen, dass schon irreparable Folgeschäden entstanden sind – auf der anderen Seite jene, die über ihre spezielle Krankenversicherung (z.B. KFL, LKUF, BVAEB) privilegiert sind oder sich eine private Krankenversicherung leisten (können). Letztere haben kein Problem, zur raschen Abklärung von Gesundheitsproblemen einen Wahlarzt oder eine private radiologische Fachpraxis aufzusuchen, da die Kosten dafür von ihrer Versicherung übernommen werden. Im Vergleich dazu nehmen sich die 80 Prozent Kostenersatz des Kassentarifs (nicht der tatsächlichen Kosten!) einer bezogenen Leistung für ASVG-Versicherte mehr als bescheiden aus und stellen oft eine unüberbrückbare finanzielle Hürde dar.
Wer sich nun die Frage stellt, wie es so weit kommen konnte, dass mehr als ein Drittel der Österreicher eine private Krankenversicherung haben, dem sei erstens ein Blick auf die Versorgungsstruktur und zweitens auf das Patientenkollektiv empfohlen:
Während in den letzten 20 Jahren die Anzahl der Kassenärzte (über alle Fachrichtungen) bei in etwa 7.000 stagnierte (und dies auf Grund der steigenden Bevölkerung somit immer weniger Kassenärzte pro Einwohner bedeutet), stieg die Anzahl der Wahlärzte von knapp 4.500 auf weit über 10.000! Die Gebietskassen und auch deren Nachfolgerin ÖGK haben schlicht kein Interesse daran, mehr Stellen zu schaffen, ja nicht einmal daran vakante Stellen zu besetzen! Denn weniger Vertragspartner bedeutet ganz einfach auch weniger Kosten, besonders dann, wenn man die Versorgungsleistung gleich komplett in den (viel teureren) Spitalsbereich verschieben kann, den die Länder primär finanzieren müssen.
Hier ist der Gesetzgeber gefordert, die Regeln für die Sozialversicherung enger zu definieren und den Versorgungsauftrag konkreter festzuschreiben Auch eine Teileinbindung der tausenden Wahlärzte in das Kassensystem könnte rasch und effektiv den vielerorts realen „Ärztemangel“ lindern, wenn nicht sogar beseitigen.
Aber auch das Patientenkollektiv hat sich verändert. Hier zeigt sich, dass Gesundheit auch ein soziales (und manchmal kulturelles) Thema ist und Bevölkerungsschichten, die „bildungsfern“ sind, vielfach ein höheres Erkrankungsrisiko haben. Dies beginnt bei fehlender Prävention und Vorsorge (fragen Sie mal einen Zahnarzt!), geht weiter über schlechte Ernährung und mangelnde Bewegung, welche zu Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes führen, bis hin zur fehlenden Compliance, verordnete Therapien auch richtig umzusetzen. Ein wesentlicher, seit 2015 rapide größer werdender Teil dieser sozialen Gruppe sind Menschen mit Migrationshintergrund. Die Coronakrise hat gezeigt, dass Menschen mit „Sprachbarrieren“, wie man nicht integrationswillige Migranten und Wirtschaftsflüchtlinge nennt, die in städtischen Parallelstrukturen leben, ein deutlich erhöhtes Erkrankungsrisiko haben. Eine Umfrage in deutschen Intensivstationen hat ergeben, dass zwischen 50 Prozent und 90 Prozent (!) der Intensivpatienten einen Migrationshintergrund hatten bzw. der deutschen Sprache nicht mächtig waren. Dies hat sicherlich mehrere Gründe, wovon die häufig beengten Wohnverhältnisse, schlechte Arbeitsverhältnisse und Nichtverstehen der behördlichen Anweisungen und der Hygienerichtlinien ganz wesentliche davon sind.
Gezielte Aufklärungskampagnen in diese Zielgruppe wären eine kurzfristige Lösung, greifen aber zu kurz. Denn wer nicht Deutsch sprechen und verstehen kann, der hat nicht nur ein unmittelbar erhöhtes Gesundheitsrisiko, er kann auch viele (Weiter-)Bildungsangebote nicht wahrnehmen und wird auf dem Arbeitsmarkt kaum vermittelbar sein. Deshalb kann nur das verpflichtende Erlernen der deutschen Sprache auf lange Sicht eine soziale, berufliche und gesundheitliche Integration bringen.
Abschließend sei noch ein letzter Punkt angesprochen: Einen massiven Kosten- und Struktureffekt auf unser Gesundheitssystem hatte und hat die ungebrochene Einwanderungswelle nach Österreich. Denn primär kommen Menschen aus wirtschaftlichen Gründen und aus gescheiterten Ländern zu uns, die noch nie oder schon sehr lange nicht mehr ein geregeltes Gesundheitswesen gehabt haben. Kaum sind sie aber bei uns als Flüchtlinge anerkannt oder in einem laufenden Verfahren, erhalten sie vollen Zugang zu allen medizinischen Leistungen. Der „Nachholbedarf“ ist dabei immens und muss von der Allgemeinheit geschultert werden. Dass es in der Regel viele Jahre dauert, bis überhaupt nur ein kleiner Teil dieser Personen auch Beiträge in unser Gesundheits- und Sozialsystem einzahlt, verschärft das Ungleichgewicht, vom Familiennachzug ganz zu schweigen. Zudem wirkt es neben den direkten finanziellen Unterstützungen als zusätzlicher Magnet für die Wahl Österreichs als Zielland. Abhilfe ließe sich hier mit Übergangs- oder Wartefristen für die Aufnahme in die Kranken- und Sozialversicherung schaffen, wie es andere Länder wie die Schweiz bereits vorgezeigt haben.
Wenn es auf bundespolitischer Ebene nicht bald ein Umdenken und eine rasche Kurskorrektur gibt, dann wird unser einst viel gelobtes, solidarisches Gesundheitssystem einer Zwei- oder Mehrklassenmedizin weichen, in der die Versorgungqualität noch viel mehr als heute vom sozialen Stand und den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen abhängt als heute. Somit entpuppt sich das sozialistische Versprechen des offenen Zugangs in unser Gesundheitssystem für alle in Realität und Zukunft als asozial, gesundheitsschädlich und gesellschaftsspaltend.
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