Bilder: Wikipedia/Blacksonne Lizenz: CC BY-SA 4.0
Rüdiger Stix über Chancen und Gefahren Künstlicher Intelligenz
Herr Dr. Stix, Sie haben sich berufsbedingt intensiv mit Künstlicher Intelligenz (KI) beschäftigt. Wie sehen Sie KI ganz allgemein, welche Chancen und Risiken bietet diese Technologie?
Rüdiger Stix: KI wirkt in etwa so, wie wenn die Verbreitung des Buchdruckes gleichzeitig mit der Einführung des elektrischen Stromes zu uns gekommen wäre.
Was sind Ihrer Meinung nach die größten Chancen, die KI bietet?
Stix: Schiffsmotoren haben auch noch die letzten Galeeren-Sklaven befreit, und der Buchdruck hat es geschafft, dass jeder Mensch die Möglichkeit erhalten hat, selbst zu lesen.
Mit dem Handy ist jede Omi besser mit ihrer Familie verbunden, als es der K&K Hof am Vorabend des Großen Krieges im Jahr 1914 war.
Das Internet öffnet heute selbst für Schüler mehr Informationen, als ein Mittelgroßer Geheimdienst im Kalten Krieg an seine Regierung berichten konnte.
Jetzt kommt die Zeit der personalisierten KI-Assistenten für alle: kreative Menschen bekommen damit Möglichkeiten, die bisher das Privileg von großen Konzernen oder von großen staatlichen Verwaltungen waren.
Derzeit ist KI in aller Munde. Aber wie lange schon gibt es eigentlich KI?
Stix: Seit Kurt Gödel, dem „Mozart der Mathematik“ aus dem Sudetenland. Mit Kurt Gödel beginnt die Computerwissenschaft neben der klassischen Mathematik, und seit Kurt Gödel wissen wir, dass eine KI denkbar ist (sobald sich antagonistische Algorithmen gegenseitig selbst überschreiben).
In den modernen Anwendungen wird man natürlich an Turing, Janos Neumann und seit den späten 50er Jahren an jene Wissenschaftler erinnern, die in einer ungefähren Analogie zum menschlichen Gehirn die neuronalen Netze konzipiert haben.
Vor 40 Jahren wird in Europa auch Jürgen Schmidhuber oder Sepp Hochreiter bedeutend, zumindest wissenschaftlich. Hochreiter ist heute Professor in Linz und der eigentliche Entdecker der LSTM, der Long Short Term Memory Algorithmen, die ua. Google zu einem Milliardenkonzern gemacht haben.
Wie sehen Sie die Diskussion über ein Verbot von Chat GPT?
Stix: Ein Verbot von ChatGPT ist etwa so wirksam, wie das Verbot von elektrischem Strom in Europa. Alle Konkurrenten Europas könnten sich darüber totlachen, egal ob in China, Indien oder in den USA.
Aber ähnlich wie beim elektrischen Strom wird man auch bei KI sehr wohl Risikoklassen und Transparenz einfordern können. Schließlich will auch niemand an einem Stromschlag sterben, nur weil die Kaffeemaschine eingeschalten wird.
Seit einigen Jahren ist die ausländische Beeinflussung von Wahlkämpfen, etwa durch Russland, ein Thema. Kann KI die Beeinflussung von Wahlen, nicht unbedingt nur durch das Ausland, erhöhen, etwa durch Chatbots?
Stix: Ja, natürlich. Propaganda wird in allen Medien verbreitet. Das waren Wanderprediger durch ihr Wort oder durch Flugblätter. Das sind seit ca. 300 Jahren die Zeitungen, wie wir sie heute kennen. In der Zwischenkriegszeit kam dann das Radio, und in den 60er Jahren die Verbreitung des Fernsehens in unsere Haushalte.
Selbstverständlich ermöglichen Transformer KI wie ChatGPT nun auch jedem einzelnen Bürger, sich an der medialen Produktion in einem nie gekannten Ausmaß zu beteiligen. Wäre ich Google, so würde ich um mein Geschäftsmodell fürchten, und ja, die Wahlkämpfe werden sich weiter ändern.
KI spielt eine wichtige Rolle im chinesischen Sozialkreditsystem, das ja nichts anderes als ein Massenüberwachungs- und -kontrollprogramm ist. Aber wie sieht es diesbezüglich in Europa bzw. Österreich aus – werden auch bei uns die Massen mit KI überwacht?
Stix: Wäre ich Big Brother, so würde ich dies versuchen, egal ob in einem totalitären Staat oder in einem „Überwachungskapitalismus“ von großen Kartellen. Aber: die modernen Transformator-KI wie ChatGPT gibt Bürgern, und auch den Klein- oder Mittelunternehmen eine „Waffengleichheit“, wie wir sie noch niemals hatten.
Bei KI kommt es auch darauf an, wer was in das Programm eingibt. Worauf ich hinaus will: Werden sich, was die Deutungshoheit betrifft, über KI die woken Kalifornier oder die Chinesen oder vielleicht die Russen durchsetzen? Und was nicht minder wichtig ist: Was macht Europa?
Stix: Ja, stimmt. Gewinnen werden diejenigen, die den Medienkonsumenten, also praktisch allen Menschen weltweit, helfen können, neben dem Wunsch nach Unterhaltung, der immer im Vordergrund stand seit „Brot und Spielen“, eben aber auch in ihrer Suche nach Wahrheit zu unterstützen: mit glaubwürdigen Argumenten und mit überprüfbarer Information. Da ist KI gestützter Bürger-Journalismus eine echte Konkurrenz für Medienmonopole.
Stichwort Ukraine-Krieg: In welchem Ausmaß beeinflusst KI Kriege bzw. welche Rolle wird KI bei Kriegen in zehn oder 20 Jahren spielen?
Stix: KI entscheidet alles, wenn sich ernsthafte Konkurrenten gegenüberstehen, nämlich deshalb, weil sämtliche vorhandenen Informationen nicht nur sofort erfasst werden. Dies konnte jedes elektronische System schon bisher auch.
KI kann aber mehr: KI simuliert die möglichen Optionen in einem Ausmaß und in einer Geschwindigkeit, die selbst die Großmeister des Schachs und des Go-Spieles nach zweieinhalb Jahrtausenden an Strategiegesimulationen in den Hochkulturen unserer Welt geschlagen hat.
Immer wieder werden Befürchtungen geäußert, KI könne, wenn sie außer Kontrolle gerät, zur „Auslöschung der Menschheit“ führen. Bestehen solche Gefahren tatsächlich oder handelt es sich hierbei nur um Stoff für einen billigen Science-Fiction-Film?
Stix: KI selbst macht mir keine Sorge. Wenn KI irgendwann einmal den Menschen überholt haben wird, gibt es keinen Grund mit uns zu konkurrieren. KI hat dann alle Zeit des Universums, sich gemütlich im Weltraum auszubreiten, Energie aus den Protuberanzen der Sonne zu entnehmen und ihre Tochter-Algorithmen nach Alpha Centauri zu entsenden – und natürlich noch viel weiter. Ihr Ahnherr, der Mensch stört dabei nicht.
Heikler ist es jetzt vielmehr, wenn wir Menschen unsere Kriege gegeneinander mit Hilfe der KI führen, was natürlich derzeit geschieht. Dafür haben wir leider noch keine Form von Rüstungs-Kontrollverhandlungen, wie selbst Henry Kissinger zu seinem hundertsten Geburtstag aufzeigt, übrigens gemeinsam mit dem ehemaligen Chef von Google (und Alphabet) Dr. Eric Schmidt.
Aber natürlich wäre dies ein möglicher Ansatzpunkt für einen Neutralen in der EU.
Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.
Dr. Rüdiger Stix ist als Obmann der SLÖ zuständig für die Heimatvertriebenen aus Böhmen, Mähren und Österreichisch – Schlesien.
Er war (als ehem. Offizier sowie) als Jurist verantwortlich für Österreichs Vorbereitung der EU Verteidigungsforschung (insbesondere bei KI und Robotik, KI und Human Enhancement, etcetc.)
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