Sachbuchautor und Journalist Michael Brückner über den Begriff der Verschwörungstheorie und über den Wahrheitsgehalt so mancher Theorie
Man gewinnt den Eindruck, dass heutzutage der Begriff „Verschwörungstheorie“ fast schon inflationär verwendet wird. Wer etwa die Corona-Maßnahmen der Regierung kritisiert, bekommt schnell das Etikett „Verschwörungstheorie“ umgehängt. Was soll damit bezweckt werden?
Michael Brückner: Der Begriff „Verschwörungstheorie“ ist keineswegs so neu, wie man vielleicht vermuten könnte. Er wurde in den 1960er Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit von der CIA im Zusammenhang mit der Ermordung John F. Kennedys lanciert und sollte von Anfang an das Hinterfragen offizieller Versionen und Positionen von Regierungen und einflussreichen Organisationen stigmatisieren. In diesem Sinne hat sich das Instrument „Verschwörungstheorie“ bewährt. So auch jetzt in der großen Corona-Panik. Den Menschen wird auf geradezu perfide Weise Angst gemacht. Es geht nicht nur um den Verlust ihres Geldes oder ihrer Jobs, sondern angeblich ums Überleben. Menschen in Angst und Panik sind einfach zu steuern und zu manipulieren. Wer diese Panikmache gezielt hinterfragt und die offizielle Version in Frage stellt, ist natürlich nicht willkommen. Er wird als „Verschwörungstheoretiker“ diffamiert und lächerlich gemacht. Viele Menschen glauben das, weil sie mit dem Begriff „Verschwörungstheorie“ wenig anzufangen wissen. Alles, was sie wissen, ist, dass dieser Begriff negativ besetzt ist.
Wie sehen Sie als erfahrener Journalist und Publizist, der rund 50 Sachbücher verfasst hat, die Coronakrise? Ist diese vielleicht ein Vorwand, um bestimmte Absichten zu verstecken oder die Umsetzung von bestimmten Plänen zu beschleunigen? Ich denke da etwa an den geplanten „Great Reset“ des Weltwirtschaftsforums.
Brückner: Die weltweite und ständig weiter geschürte Panik bereitet natürlich den Boden für den von Ihnen erwähnten „Great Reset“, also den sogenannten „Großen Neustart“. Dessen Ziel könnte man als grünangestrichenen Milliardärssozialismus bezeichnen. Zu den Hauptprofiteuren zählen in erster Linie die US-amerikanischen Big-Pharma- und Big-Data-Konzerne (Google, Facebook usw.). Aber auch der chinesische Staatsozialismus wird eine noch stärkere Rolle spielen. Der liefert sozusagen die Blaupause für immer mehr Überwachung der Bürger bei zunehmender Einengung des Meinungskorridors, wie wir sie ja schon seit Jahren im Rahmen der „Politischen Korrektheit“ erleben. Überdies sichert Corona dem in den vergangenen Jahren zunehmend unpopulär gewordenen Establishment eine Renaissance, wie das Beispiel USA zeigt.
Wann ist für Sie die Grenze überschritten, wo Sie sagen, „das ist völliger Unsinn, das ist eine Verschwörungstheorie“.
Brückner: Ich denke, eine feste Grenze gibt es nicht, sie hängt von der Thematik ab. Außerdem können immer wieder neue Erkenntnisse und Erfahrungen sogar Dinge, die wissenschaftlich als fundiert galten, in Frage stellen. Selbst wenn die Evidenz dafür spricht, kann eine Erkenntnis falsch sein. Man sollte aber ganz genau hinschauen und die „Qualität“ und Konsistenz der Argumente prüfen. Dann zeigt sich in der Regel schnell, was völliger Unsinn ist.
Vorwürfe, ein „Verschwörungstheoretiker“ zu sein, werden meistens gegen Menschen erhoben, die politisch rechts der Mitte stehen. Dienen also entsprechende Vorwürfe dazu, den politischen Gegner zu diskreditieren bzw. die politische Deutungshoheit zu erlangen?
Brückner: In der Tat, das ist die erwähnte Einengung des Meinungskorridors, die Diskursverweigerung. Man diffamiert Menschen, die nicht links denken und handeln – und alle, die das nicht tun, sind nach der Mainstreammeinung eben „rechts“ und als Populisten oder „Verschwörungstheoretiker“ zu brandmarken. Und wenn selbst das nicht hilft, dann schwingt man eben die Nazikeule. Im Übrigen: Wie souverän ist eigentlich ein Mensch, wie gefestigt sein Meinungsbild, wenn er Andersdenkende auf diese Weise diffamiert, um seine Deutungshoheit zu behalten?
Die Mainstreammedien behaupten, Anhänger angeblicher Verschwörungstheorien würden nach einfachen Erklärungsmustern suchen. Aber ist es nicht eher so, dass es dabei um besonders kritische Menschen handelt, die sich lieber selber eine eigene Meinung bilden?
Brückner: Das sehe ich auch so. Es ist doch viel bequemer – und meist auch der Karriere zuträglicher –, sich dem Mainstream anzuschließen, also Dinge in Frage zu stellen und Zweifel intellektuell redlich zu begründen. Deshalb sollten wir uns von dem Kampfbegriff „Verschwörungstheoretiker“ auch nicht ins Bockshorn jagen lassen.
Wenn einfache Erklärungsmuster Verschwörungstheoretiker ausmachen, müsste man dann nicht auch Karl Marx bzw. den Marxismus dazuzählen? Schließlich sind für ihn ja ausschließlich die bösen Kapitalisten an der Unterdrückung der Arbeiterklasse schuld.
Brückner: Absolut. Was im Übrigen einmal mehr beweist, dass sich Ideologien zur Komplexität des wahren Lebens verhalten wie eine Dampfmaschine zu Hightech.
Sie haben sich in einem Ihrer Bücher mit der drohenden Bargeldabschaffung, die von manchen als Verschwörungstheorie bezeichnet wird, beschäftigt. Sehen Sie in der Coronakrise einen Beschleuniger für die Abschaffung des Bargelds, da die Menschen beim Einkaufen gebeten werden, „wenn möglich“ mit der Karte zu bezahlen?
Brückner: Gestatten Sie, dass ich mit einer kleinen, aber nachdenkenswerten Anekdote beginne. Als das von Ihnen erwähnte Buch erschien, hieß es von Vertretern des Mainstreams natürlich: „Das sind Verschwörungstheorien“.
Und siehe da – vier Wochen später gab die EZB die sukzessive Abschaffung der 500-Euro-Note bekannt. Was einmal mehr beweist, wie schnell aus einer vermeintlichen „Verschwörungstheorie“ auch „Verschwörungspraxis“ werden kann.
Ich werde häufig gefragt, was man gegen die drohende Bargeldabschaffung tun kann. Meine einfache Antwort: Zahlen Sie ostentativ bar!
Das Gespräch führte Bernhard Tomaschitz.
[Autor: – Bild: Wikipedia/Leonhard Lenz Lizenz: CC0 1.0]