Bild: PxHere Lizenz: –
Baufi24-Chef Tomas Peeters über die Psychologie des Immobilienmarktes, die Auswirkungen der EZB-Zinspolitik auf Wohnkredite und wie es im Häusermarkt weitergehen könnte.
Herr Peeters, die Baufi24 AG ist einer der marktführenden Vermittler für Immobilienfinanzierungen in Deutschland und sieht sich als Fintech der Baufinanzierung. Was darf man sich konkret darunter vorstellen?
Tomas Peeters: Die Sache ist die, der Kunde will mit jemandem sprechen, wenn er eine Immobilienfinanzierung sucht. Aber das Angebot der Banken wird immer mehr eingeschränkt, da pro Jahr grob geschätzt 1.000 Filialen in Deutschland geschlossen werden. Diese Lücke füllen jetzt die Vermittler. Mittlerweile gehen hier rund 40 % der Hypothekarkredite über Vermittler. Die Banken nehmen den Kredit in die Bücher, aber die Baufinanzierer bringen die Kunden. Nach Schätzung der Banken dürften das in drei Jahren 50 % sein. Das ist einfach ein anderer Vertriebskanal, spart den Banken Fixkosten. Generell ist es so, dass wir eine Vergleichbarkeit zwischen den Banken darstellen, was bei den heutigen Zinsen immer wichtiger wird. Umso teurer es wird, desto mehr zählt jeder Basispunkt für den Kunden.
Die Europäische Zentralbank EZB hat ja, nach langem Zögern, im Sommer einen radikalen Schwenk ihrer Zinspolitik vollzogen. Wie wirkt sich dies nun speziell auf den Markt der Wohnimmobilien und die Kreditnachfrage aus?
Peeters: Das hat eine große Auswirkung. Wir haben uns 12, 13, 14 Jahre lang daran gewöhnt, dass Hauspreise immer gestiegen und die Zinsen immer gesunken sind. Davor gab es aber immer Bewegung, und der Immobilienmarkt hat sich da auch mitbewegt. Wir haben jetzt seit über zehn Jahren verlernt, dass Zinsen und Preise schwanken können. Wir haben gedacht, es geht nur nach oben. Momentan gibt es ein psychologisches Phänomen zwischen Menschen. Der Käufer denkt, ich warte noch ein bisschen, dann geht der Preis noch weiter runter. Der Verkäufer meint, wenn ich warte, könnte ich vielleicht wieder einen etwas höheren Preis kriegen.
Was denken Sie, wann könnte sich das Gleichgewicht zwischen Käufererwartung und Verkäuferwunsch wieder einpendeln?
Peeters: Meine Vermutung, wenn man Studien liest, wie lange es dauert, bis sich Menschen auf eine neue Situation einstellen: etwa neun Monate. Das heißt, irgendwann im kommenden Sommer. Trotzdem werden sich Verkäufer auf fallende Preise einstellen müssen. Das Problem ist, dass bei der Geschwindigkeit, mit der die EZB die Zinsen erhöht hat, die Preise im gleichen Verhältnis fallen müssten, um wieder ein Gleichgewicht herzustellen. Das wird aber nicht überall der Fall sein, und wir werden zwei Unterschiede sehen: Als Folge der Energiekrise werden die Leute versuchen, energieeffiziente Häuser zu kaufen, um Heizkosten zu sparen. Also hier wird es wohl kaum Abschläge geben. Anderseits sind Neubauten aufgrund der Baukostensteigerungen mittlerweile so teuer geworden, dass selbst Gutverdiener sich das kaum noch leisten können. D.h. dieser Markt wird preislich stabil bleiben, aber kleiner werden. Bestandsbauten [Immobilien älteren Baujahrs, Anm. d. Red.] hingegen mit schlechten Energiewerten bekommen Sie kaum mehr verkauft, höchstens noch mit großem Abschlag.
In schlechten Regionen auf dem Land sind bis Mitte nächsten Jahres Preisrückgänge von 30 Prozent denkbar.
Wie werden sich regionale Unterschiede auswirken?
Peeters: Ja, das zweite Thema ist Stadt – Land. Die meisten großen Städte wachsen, haben gute Wirtschaftsaussichten. Hamburg, München, Frankfurt, Stuttgart, die haben viel zu wenig Wohnungen. Da sind unglaublich viele, hochkalibrige Menschen mit hohem Einkommen, da werden die Preise nicht groß fallen. Ein bisschen vielleicht schon, aber nicht viel. Wenn sie da über 10 % sinken sollten, würde ich mich schon sehr wundern. Auf dem Land, wo nicht mehr so viel Leute hinziehen, sieht es schon ganz anders aus. In schlechten Regionen sind Preisrückgänge um 30 % denkbar, und zwar schon Mitte nächsten Jahres.
Zinserhöhungen hat es früher auch schon gegeben. In den 1990er Jahren waren die Hypothekenzinsen z. B. deutlich teurer. Was macht die aktuelle Situation anders?
Peeters: Die letzte Zeit der Niedrigstzinsen war unnatürlich, die Zinssituation zuvor war eigentlich das Normale. Aber jetzt war die Intensität, mit der die EZB auf die Bremse gestiegen ist, zu hoch. Bis die Menschen das im Kopf akzeptieren, brauchen sie eine Weile. Wenn der Zins von 1,5 % um 0,5 % hoch geht, ist das ok. Aber plus 2 % innerhalb weniger Monate ist ein Problem.
Was bedeuten die Zinserhöhungen für Anschlussfinanzierungen, wenn die Zinsbindung für die Hypothek jetzt abläuft? Könnte es da zu untragbar hohen Monatsraten kommen?
Peeters: In der Theorie lautet die Antwort ja, in der Praxis sage ich nein. Die meisten Zinsbindungen in Deutschland laufen über zehn Jahre, d.h. jetzt stehen Hypotheken aus 2012 zur Refinanzierung an. Das waren damals etwa 2 % Zins und banküblich 2 % Anfangstilgung. Das macht als Annuität etwa 4 % der Kreditsumme. Wenn Sie sauber finanziert und vertragsgemäß getilgt haben, stehen Sie heute bei 60 % des ursprünglichen Beleihungswertes. D. h., Sie bekommen eine erstrangige Folgehypothek zu Bestkonditionen, auch weil der Wert der Immobilie seit 2012 ja gestiegen ist. Das bedeutet aktuell 3,6 % Zins plus 1 % Mindesttilgung, also im Endeffekt 0,6 % Mehrbelastung im Monat. Weil aber auch die Einkommen seit 2012 gestiegen sind, sollte das verkraftbar sein.
Sie fürchten also keine Abwärtsspirale wie 2006/2007 in den USA, wo fallende Hauspreise zu Notverkäufen und damit wiederum fallenden Preisen führten, was letztlich die globale Finanzkrise 2008 auslöste?
Peeters: Das könnte bei uns nur dann zum Problem werden, wenn es aufgrund einer Rezession zu vielen Arbeitslosen käme, was dann in der Tat Notverkäufe auslösen könnte.
Aber für die Banken wäre selbst das keine Gefahr. Die Immobilienpreise sind in den letzten zehn Jahren derart gestiegen, dass die Bank selbst bei einem Notverkauf den Restwert der Hypothek erlösen würde.
Ein rückläufiger Immobilienmarkt erzeugt Sekundäreffekte. Wie dürfte sich das auf die Ertragslage der kreditgebenden Banken auswirken, und auf die Bauwirtschaft?
Peeters: Die Banken spüren den Schmerz momentan noch nicht sehr, jedenfalls nicht in ihrer Bilanz. Natürlich merken sie, dass das Neugeschäft runter geht. Denn die Baufi-Darlehen stehen langfristig in ihren Büchern, und einen Rückgang heute spürt man erst langsam, über die Jahre in der Gewinn- und Verlustrechnung. Im Moment sind die Banken sehr happy, weil die Sparzinsen niedrig sind und die Kreditzinsen relativ hoch.
Die Makler, die Baufinanzierer, die Bauträger aber fühlen den Schmerz, ganz klar. Im Bereich der Bauträger rechne ich mit zehn Prozent (oder sogar mehr) der Unternehmen, die sich vom Markt verabschieden werden müssen.
Denn aktuell sind die Materialpreise noch hoch, die Handwerker auch noch nicht zu Preisnachlässen bereit, die Kunden wollen nicht abschließen.
Somit dürfte das Neubauvolumen in 2023 zurückgehen.
Das Gespräch führte Ulrich Knappe.