Autor: E.K.-L. Bilder: Wikipedia/miemo Lizenz: CC BY 2.0
Die Sozialdemokraten der bisherigen Regierungschefin Sana Marin fallen vom ersten auf den dritten Platz zurück
Die Finnen sind nicht bloß jüngstes NATO-Mitglied, sondern nach einer unlängst veröffentlichten Untersuchung auch das glücklichste Volk der Welt. Am 2. April 2023 wählten sie ihr neues Parlament. Dabei wurde die konservative Nationale Sammlungspartei (Kansallinen Kokoomus, KOK) stärkste Kraft im 200-köpfigen finnischen Parlament, dem Reichstag (finn. Eduskunta, schwed. Riksdagen). Die KOK erreichte 20,8 Prozent der Stimmen. Mit knappem Abstand folgt die patriotische Partei „Die Finnen“ (Perussuomalaiset), die auf 20,1 Prozent kommt und damit ihr bislang bestes Ergebnis erreicht. Drittstärkste Kraft ist die Sozialdemokratische Partei (SDP) der derzeitigen Regierungschefin Sanna Marin mit 19,9 Prozent. Marin räumte ihre Niederlage bereits ein, damit gehört auch die von ihr geführte Regierung (in Finnland heißt das Kabinett „Staatsrat“, finn. Valtioneuvosto) aus Sozialdemokraten, Zentrum, Grüne, Linksbündnis (VAS) und Schwedischer Volkspartei (SFP) der Vergangenheit an.
Obschon die KOK-Konservativen des 52-jährigen ehemaligen Ministers (Finanzen, Inneres, Ackerbau) Petteri Orpo knapp an der Spitze liegen, sind die patriotische Bewegung „Die Finnen“, auch Finnenpartei, Basisfinnen oder Wahre Finnen genannt, sowie deren Chefin die heimlichen Sieger (39 Mandate).
Finnlands partytaugliche und von den internationalen Medien überaus gepriesene Ministerpräsidentin Sanna Marin hat nicht bloß den Kampf um eine zweite Amtszeit an der Regierungsspitze verloren, sondern auch den Wettbewerb bei den Vorzugsstimmen. Die 37-jährige Sozialdemokratin, die sich in den letzten vier Jahren ein veritables Rockstar-Image aufgebaut hat, muss dabei überraschend Riikka Purra den Vortritt lassen, der Vorsitzenden der Finnenpartei. Auf Purra entfielen im Wahlkreis Uusimaa (Helsinki-Umgebung), dem finnischen Wahlkreis mit den meisten Wahlberechtigten, satte 42 600 Stimmen. Die 37-jährige Marin kam im Wahlkreis Pirkanmaa (Stadt Tampere samt Umland) bloß auf rund 35 600 Stimmen. Wer bei Wahlen besonders viele Stimmen gewinnt, wird in Finnland gerne als Stimmenmagnet bezeichnet. Hinter dem Namen des 53-jährigen Konservativenchefs Petteri Orpo machten im Wahlkreis Varsinais-Suomi (Stadt Turku samt Umgebung) rund 17 300 Wähler ihr Kreuz. Deutlich volkstümlicher ist Orpos Stellvertreterin Elina Valtonen, sie erhält im Wahlkreis Helsinki 32 400 Stimmen.
Ein Blick auf die Landkarte zeigt das Ausmaß des Wahlerfolgs der Finnenpartei: Außer in den großen städtischen Agglomerationen des Südens, wo die Bürgerlichen herrschen, und in den drei Wahlkreisen Mittelfinnlands, dem traditionellen Stammland der Sozialdemokraten, sind sie nun in allen Landesteilen die größte Partei.
Der neuerliche Aufstieg der Finnenpartei ist umso erstaunlicher, als die Partei sich vor sechs Jahren, als sie erstmals an einer Regierung beteiligt war, gespalten hat. Der pragmatische Flügel, die sogenannte „Blaue Zukunft“ (Sininen tulevaisuus), verblieb bis zum Ende der Amtsperiode in der Regierungskoalition und verschwand daraufhin in der Versenkung. Der andere Teil der Finnenpartei begab sich in Opposition und erreichte in den Wahlen von 2019 schon fast wieder 20 Prozent Wähleranteil. Nun, 2023, erzielt die Finnenpartei das beste Wahlresultat ihrer Geschichte und zieht sogar an den Sozialdemokraten vorbei auf den zweiten Platz. Schwerpunkte der Finnenpartei sind eine restriktivere Einwanderungspolitik, Kürzungen der Entwicklungshilfe für die Dritte Welt sowie weniger Einschränkungen für die Bürger wegen der sogenannten Klimaerwärmung.