Zinsen hoch, Schulden noch höher

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Autor: U.K. Bild: moritz320 auf Pixabay Lizenz: –


EZB führt unlimitiertes Schuldenankaufprogramm für Südländer ein

Es ist gut, dass der Rat der Europäischen Zentralbank immer donnerstags seine zinsrelevanten Sitzungen abhält. Dann hat der Autor übers Wochenende hinreichend Muße, das Kleingedruckte in den EZB-Verlautbarungen zu studieren, und in Ruhe zu analysieren, was denn Madame Lagarde und ihre Mitstreiter*_+?Innen in Frankfurt nun wirklich im Schilde führen.

So war’s auch diesmal wieder. Zum ersten Mal seit 11 Jahren erhöhte die EZB die Leitzinsen im Euro-Raum, und zwar gleich um „sagenhafte“ 0,5 Prozentpunkte. Da hinkt man halt dem Rest der Welt hinterher (Ausnahme: Bank of Japan), aber angesichts einer Teuerung jenseits von 8% blieb den Notenbankern in Frankfurt jetzt gar nichts anderes mehr übrig.

Das wurde in der Mainstream-Presse auch gebührend gewürdigt, von einem „historischen“ Zinsschritt war die Rede (der Autor kann sich aus seiner knapp 40-jährigen Berufspraxis allerdings an ganz andere Zinserhöhungen erinnern). Völlig übersehen haben aber die Kollegen dort, dass am selbigen Tage von der EZB ein neues, vollkommen unlimitiertes Schuldenankaufprogramm für Staatsanleihen der Euro-Zone ins Leben gerufen wurde, das die Finanzwelt so noch nicht gesehen hat. Als Entschuldigung möge gelten, dass die EZB dieses neue Hilfsprogramm für Europas Schuldenkaiser nur in englischer Sprache (noch dazu im Notenbanker-Jargon) verkündet hat, während ansonsten die Kommuniqués auch in Deutsch und allen anderen Euro-Landessprachen verbreitet werden.

„Transmission Protection Instrument“ (TPI) heisst das neue Zauberwerkzeug, welches in Zukunft verhindern soll, dass Länder wie Italien, Griechenland und Zypern wesentlich mehr Zinsen für ihre Staatsschulden als beispielsweise Deutschland, Österreich oder die Niederlande zahlen müssen. Denn aufgrund der jetzigen, und wohl auch der demnächst weiteren, Zinserhöhungen würden die Umlaufrenditen für die hochverschuldeten Euro-Südländer in Regionen steigen, bei denen die Zinslast volkswirtschaftlich schlicht untragbar wird und somit der Staatsbankrott droht. Einen Vorgeschmack darauf gab es bereits Mitte Juni, als Insider erstmals über solch ein neues Schuldenankaufprogramm munkelten (ZurZeit berichtete).

Seit letztem Donnerstag wissen wir also nun Genaues. Allein schon der Name ist eine Meisterleistung politischen Schönsprechs: „Transmission Protection Instrument“, „Übertragungs-Schutz-Instrument“, das kann ja nur etwas Gutes verheissen. Da ist der ursprünglich in Juni kolportierte Name „De-Fragementierungs-Mechanismus“ ja geradezu ekelhaft. Denn gegen ein „Schutz-Instrument“ kann ja nun wirklich kein rechtschaffener Bürger etwas haben, oder?

Studiert man aber die Details, so entpuppt sich das neue TPI als ein exakt auf die Euro-Südstaaten zugeschnittenes Anleiheankaufprogramm, das weder zeitliche noch mengenmäßige Grenzen kennt. Wieviel, wie lange und von wem die EZB Staatsanleihen aufkauft und damit den Schuldern Geld gibt, steht einzig und allein im Ermessen des EZB-Direktoriums. „Purchases are not restricted ex ante.“ – „die Ankäufe sind von vornherein nicht begrenzt“, heisst es wortwörtlich in den Richtlinien. Anders als bei den bisherigen Stützungsprogrammen gibt es keine besonderen Budget-Sparregeln, denen sich der unterstützte Staat unterwerfen müsste, und auch keine zeitliche Begrenzung. Ob das TPI-Programm jemals wieder endet, unterliegt schlicht der subjektiven Einschätzung des EZB-Rats. Und da haben die sparsamen Nordländer ganz klar die Minderheit.

Zudem kennt das TPI keine Paritätsregeln mehr. Bisherige Anleiheankaufprogramme sahen nämlich Höchstgrenzen für den Kauf von Schuldverschreibungen einzelner Staaten vor, die auch an der relativen Wirtschaftskraft der Länder innerhalb der Eurozone orientiert waren. Das entfällt nun, die EZB kann somit theoretisch Italien stützen und finanzieren, bis die Notenpresse platzt. Natürlich sollen die bisherigen Programme, wie z.B. das Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP), weitergeführt und fällig werdende Gelder unverzüglich in neue Staatsanleihen reinvestiert werden.

Wie damit die Inflation in der Euro-Zone eingedämmt werden soll, ist nicht nur dem Autor unklar. Denn der Effekt jeder Zinserhöhung wird sofort konterkariert durch eine Ausweitung der Geldmenge und der EZB-Bilanzsumme, wenn bestehende Anleihekäufe nicht zurückgeführt und zudem noch kräftig neue Staatsschulden in die Bücher übernommen werden. Da hat man in Frankfurt natürlich wenig Interesse, das neue TPI-Tool der Öffentlichkeit bekannt zu machen.

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