Juni-Gewitter am Zinsmarkt

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Autor: U.K. Bild: Abel Escobar auf Pixabay Lizene: –


Die FED zieht die Schrauben an, Frau Lagarde kommt ins Schwitzen, und die Schweiz gibt den Euro verloren

Uff! Gut, dass das vergangene Feiertags-Wochenende ein langes war, jedenfalls in Österreich und der Schweiz. Da hatte der Autor genug Zeit, in Ruhe über die Turbulenzen zu reflektieren, die letzten Mittwoch über die weltweiten Zins- und Anleihemärkte gezogen sind.

Es begann damit, dass die amerikanische Notenbank FED ihren Leitzins mehr als deutlich um weitere 75 Basispunkte auf jetzt 1,75% anhob, um die steigende Inflation zu bekämpfen. Völlig unerwartet kam das nicht, denn die jüngsten Daten aus den USA vermeldeten von dort eine Teuerungsrate von 8,6%, mehr als von Analysten vorausgesagt und so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Gleichzeitig stellte FED-Boss Jerome Powell weitere kräftige Zinserhöhungen für den Rest des Jahres in Aussicht. Denn zu tief sitzt bei der Federal Reserve noch die Erinnerung an die Inflationszeiten der frühen Achtziger-Jahre, als die Preissteigerungsrate im April 1980 auf 14,8 % kletterte und letztlich nur um den Preis einer schweren Rezession eingefangen werden konnte. Das will man nun auf jeden Fall verhindern.

Das bringt aber nun die Europäische Zentralbank arg ins Schwitzen. Denn obwohl EZB-Chefin Lagarde bislang in realiter überhaupt noch keine Zinsen erhöht hat, entgleitet ihr zusehends die Kontrolle über die Umlaufrenditen der europäischen Staatsanleihen. Denn die Profi-Investoren, die in diesem Billionen-Markt unterwegs sind, lassen sich nicht von politischen Schönwetterreden oder Mainstream-Propaganda einlullen. Deshalb berief sie für Mittwochmittag eine außerordentliche Sitzung des EZB-Rats nach Frankfurt ein. Eine Maßnahme, die sehr selten vorkommt und üblicherweise nur Notfällen vorbehalten ist.

Denn zuvor waren die Renditen 10-jähriger italienischer Staatsanleihen auf in der Spitze fast 4,3% geklettert. Ein Wert, bei dem Italiens Schuldenlast von 2,5 Billionen(!!) Euro nicht mehr tragbar wird. Selbst Österreich und Deutschland mussten für ihre 10-Jährigen bis zu 2,5 bzw. 1,9% Zinsen bezahlen, wo sich die Finanzminister letzten Herbst noch über Negativverzinsung freuen konnten.

Die schuldnerfreundliche Lösung von Madame Lagarde ließ dann auch nicht lange auf sich warten: Die Erfindung eines neuen „Tools“ (dt: zusätzliches Anleihe-Ankaufprogramms) und eine neue geldpolitische Wortschöpfung, im EZB-Sprech: „De-Fragmentation“. De-Fragmentation bedeutet, dass die EZB die Zinsunterschiede für Staatsanleihen innerhalb der Euro-Zone, die durch die unterschiedliche Bonität und Wirtschaftskraft der Euro-Länder zu Tage treten, durch gezielte Maßnahmen bekämpfen und somit für ein einheitliches Zinsniveau sorgen will, egal, ob die Schulden auf Österreich oder Griechenland laufen.

Wie das De-Fragmentierungs-Programm genau aussehen soll, ist offiziell derzeit noch ein Geheimnis. Wie aber aus gewöhnlich gut unterrichteten Kreisen zu erfahren ist, wird es sich um eine Neuauflage des umstrittenen Anleiheankaufprogramms APP (Asset Purchase Program) handeln, das eigentlich demnächst auslaufen sollte. Wesentlicher Unterschied: Im alten APP ist vorgesehen, Staatsanleihen gewichtet nach Bonität der Ausgabeländer zu kaufen, wobei die Verhältnisse durch die jeweilige Wirtschaftskraft der Euro-Mitgliedstaaten vorgegeben waren. Neu wird nun sein, dass die EZB die Gewichtung der Länder nach freiem Ermessen beliebig festlegen kann. Also: Wenn in Zukunft Italiens oder Griechenlands Schuldzinsen am Markt steigen, darf die EZB deren Schulden kaufen, solange es ihr passt. Es ist nicht mehr notwendig, in entsprechender Relation auch Anleihen von z.B. Deutschland oder den Niederlanden zu erwerben, wie es das bisherige Reglement vorsah.

Wenn das keine Staatsfinanzierung ist, dann erbittet der Autor höflich einen Hinweis von der EZB, wie dies denn politisch korrekt zu benennen wäre.

Die Anleihemärkte reagierten denn auch prompt, die Umlaufrenditen gaben wieder etwas nach. Was aber vermutlich nicht von Dauer sein dürfte. Eventuelle Bemühungen der EZB zur Inflationsbekämpfung werden damit natürlich auf Sicht verwässert. Glaubt Frau Lagarde womöglich noch ihr eigenes Narrativ vom Frühjahr, dass die Inflation nur vorübergehend sei und von alleine wieder verschwinden würde?

Die wirkliche Überraschung kam dann aber am Fronleichnams-Morgen: Obwohl auch in der Schweiz Feiertag, erhöhte die Schweizer Nationalbank SNB am 16. Juni ihren Referenzzinsatz um 0,5% auf jetzt -0,25 Prozent. Etwas, womit nun wirklich keiner gerechnet hatte. Denn bislang war die größte Sorge der Berner Notenbanker, dass der Schweizer Franken gegenüber dem Euro zu sehr aufwerten könnte.

Doch jetzt verkündete SNB-Chef Thomas Jordan den grundlegenden Paradigmen-Wechsel: Nicht mehr die Wechselkursstabilität gegenüber dem Euro sei das Primärziel, sondern die innere Geldwertstabilität des Franken. Denn die Inflationsrate von aktuell 2,8% ist zwar nichts im Vergleich zum Rest der Welt, aber für die wertkonservativen Schweizer sehr wohl ein Grund zur Sorge. Und letztlich hat der hohe Kurswert des Franken entscheidend dazu beigetragen, die Preissteigerungen von Dollar-basierten Rohstoffen abzufangen.

Ergo ist auch im jüngsten Kommuniqué der SNB nicht mehr von einen „überbewerteten Franken“ die Rede. Vielmehr will man jetzt eine “flexible Währungspolitik” betreiben, und sich vor allem von den Zinsentscheidungen der EZB, denen man bisher im groben Rahmen gefolgt ist, verabschieden. Mit anderen Worten, in Bern setzt man keine großen Hoffnungen mehr auf den Euro.

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