Autor: U.K. Bilder: nasa.gov Lizenz: –
In Südamerika formiert sich Widerstand gegen den umweltschädlichen Abbau dieses Akku-Grundstoffs
Chile, das Land mit den größten Lithium-Reserven der Erde, will die dort tätigen Lithium-Produzenten verstaatlichen. Das erklärte vergangene Woche der chilenische Präsident Gabriel Boric, der der linksorientierten Partei Convergencia Social (deutsch: „Soziale Konvergenz“) angehört. Begründet wird dies mit dem Wunsch, einen größeren Anteil an den Gewinnen der Lithium-Produktion für die eigene Staatskasse einzubehalten, aber auch mit dem wachsenden Widerstand der Bevölkerung gegen die umweltschädigenden Abbaumethoden.
Lithium ist derzeit der unverzichtbare Bestandteil praktisch aller leistungsfähigen batterieelektrischen Stromspeicher, egal ob Handyakku, Energiequelle für Akkuschrauber oder E-Auto-Batterie. Sämtliche grünen „Verkehrswende“-Konzepte bauen darauf, dass Lithium in riesigen Mengen und zu günstigen Preisen zur Verfügung steht. Manche Experten sehen Lithium schon als das neue Rohöl, und die Kontrolle über die Lithium-Minen als zukünftigen geopolitischen Machtfaktor. Sogar Vergleiche zu einer neuen „OPEC 2.0“ werden gezogen, deren Keimzelle im sogenannten „Lithium Triangle“ aus Argentinien, Bolivien und Chile liegen könnte, die zusammen nach Angaben des U.S. Geological Survey 54% der bekannten Lithium-Vorkommen der Welt besitzen.
Die Ankündigung Borics hat in der Rohstoff-Branche für einige Unruhe gesorgt. Zwar sollen die laufenden Konzessionen mit den derzeitigen Minenriesen Sociedad Química y Minera de Chile SQM, die erst 1988 privatisiert wurde, und der US-amerikanischen Albemarle Corporation zunächst regulär weiterlaufen und erst allmählich in ein gemeinsames Unternehmen von Staat und Privatinvestoren überführt werden. Doch wer die Launenhaftigkeit lateinamerikanischer Politik kennt, wird diese Aussage mit gewisser Vorsicht betrachten. Denn Mexico hat bereits vergangenes Jahr seine Lithium-Vorkommen verstaatlicht und Bolivien vergibt derzeit keine neuen Abbaurechte mehr. Lediglich Argentinien heisst ausländische Lithium-Investoren weiter willkommen, und die kommen dort jetzt mehrheitlich aus der VR China.
Auch wenn für die Entscheidung Chiles der Profitgedanke im Vordergrund stehen dürfte, so sind die in Südamerika praktizierten Abbaumethoden ökologisch höchst umstritten. Dort kommt Lithium als wässige Salzlösung unter ausgetrockneten, prähistorischen Seen vor, den sogenannten „Salars“, die vor allem in den Trockenwüsten der Andenregion liegen. Zum Abbau werden diese unterirdischen Reservoire angebohrt und die lithiumhaltige Lake, im Fachjargon „Brine“ genannt, in ein System von riesigen Becken an der Oberfläche gepumpt. Dort verdunstet durch Sonne und Wüstenwind langsam das Wasser, bis die Lithiumsalz-Konzentration in der Brühe etwa 5% erreicht hat (zum Vergleich: Meerwasser hat einen durchschnittlichen Salzgehalt (Salinität) von 3,5 %). Dann wird das Becken abgepumpt und die Flüssigkeit, meist per Tanklaster, zu an der Küste gelegenen Aufarbeitungsanlagen transportiert, wo in einem weiteren chemisch-physikalischen Prozess z.B. Lithiumcarbonat und Lithiumhydroxid gewonnen wird, welches dann technisch nutzbar ist.
Die Konzentrator-Becken haben einen gigantischen Flächenbedarf. Unser Titelfoto, aufgenommen vom NASA-Satelliten Landsat 8, zeigt einen Teil der Beckenanlagen in der Salar de Atacama in Nordchile. Allein das dort blau umrandete Areal umfasst eine Fläche von 100 Quadratkilometern, etwa soviel wie die Großstadt Linz. Wobei der Flächenverbrauch in der praktisch unbesiedelten Atacama-Wüste noch das kleinste Problem ist. Denn um eine Tonne Lithium zu gewinnen, müssen rund 2 Millionen Liter Wasser aus der Erde gepumpt werden. Wasser, das dem Grundwasserspiegel entzogen wird und dann für die Region unwiederbringlich verloren ist. Zudem verweht der Wind stark salzhaltigen Wassernebel aus den Becken mit schon höherer Li-Konzentration (das sind die hellen im Satellitenbild), welcher sich dann in einiger Entfernung niederschlägt und dort die Felder versalzen lässt. Gerade an diesen Punkten macht sich der zunehmende Protest der Einheimischen fest.
Zwar gibt es sehr wohl umweltfreundlichere Verfahren zur Lithiumgewinnung. Aber die Brine Extraction ist das bei weitem billigste und erfordert auch die geringsten technischen Investitionen. Und in den grüngeführten Umweltministerien in Wien und Berlin merkt man halt nichts von Grundwasserverlust und Versalzung im fernen Südamerika …