Reaktionärer Adventkalender XI

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Herr Meier verlässt seine Wohnung. Er arbeitet für ein Kohlekraftwerk. Sein Auto ist in der Werkstatt. Daher muss er heute den Bus nehmen. An der Haltestelle bildet sich eine Schlange. Er stellt sich brav an. Vor ihm schließt der Busfahrer die Türe. Herr Meier konnte noch so etwas wie „Kohlefaschisten nehmen wir nicht mit“ verstehen.

Frau Huber wohnt außerhalb des Ortes. Hier fährt kein Bus. Sie muss zum Arzt. Sie fährt mit dem Verbrennungsmotorbetriebenen Wagen möglichst früh weg, damit sie nicht allzu lange warten muss. Beim Arzt angekommen ist sie eine der ersten. Sie kommt als eine der letzten dran. Als sie die Ordination verlässt kann sie noch so etwas wie „Diesel-Tante“ hören. Es könnte auch etwas mit „Sch…“ gewesen sein.

Herr Müller ist Metzger. Er schlachtet selbst. Sein Motto: Ohne Schlachtung kein Schnitzel. Er will sich einmal mit seiner Familie einen feinen Restaurantbesuch gönnen. Der Gattin zuliebe. Der Ober ignoriert ihn ostentativ. Ihn packt die Wut, er steht auf und fährt nach Hause. Dort gibt es wenigstens anständige Portionen. Beim Verlassen des Restaurants hört er noch so etwas wie „Tiermörder“.

Frau Gruber hat vier Kinder. Sie legt besonderen Wert auf eine traditionelle Erziehung. Die Jungs dürfen als Ritter, Cowboys und Astronauten zum Fasching gehen. Die Mädchen als Prinzessinnen usw. Im Advent werden Kekse gebacken und Weihnachtslieder gesungen. Sie begleitet ihre Kinder zur Adventfeier in der Schule. Sie erstarrt. Türkische und arabische Lieder ertönen. Ihre gute Kinderstube verbietet eine Reaktion abseits demonstrativer Konsterniertheit. Beim Verlassen der Veranstaltung hört sie noch so etwas wie „Mutterkreuz-Nazi“.

Frau Gruber, Frau Huber und Herr Müller sowie Herr Meier sind allesamt hart arbeitende Steuerzahler. Sie achten auf die Erziehung und die Bildung ihrer Kinder. Sie sind tragenden Säulen des Staates sowie der Gesellschaft. Abgesehen von Strafzetteln für Schnellfahren, Falschparken und ähnliches haben sie sich nichts zu Schulden kommen lassen. Sie verstehen einfach nicht, warum sie von Behörden, Ämtern, Lehrerschaft und der übrigen Öffentlichkeit geschnitten werden.

Frau Gruber, Frau Huber und Herr Müller sowie Herr Meier schlagen die Zeitung auf und erleben ein so genanntes Aha-Erlebnis.

Still, heimlich sowie unter dem Tarnmantel der Nachhaltigkeit, des Umweltschutzes und des Klimaschutzes wurde das chinesische Sozialkreditsystem in Deutschland eingeführt. Leicht adaptiert.

Haushalte können mit Hilfe bestimmter Maßnahmen bzw. bestimmten Konsumverhaltens eine gewisse Anzahl von Punkten erzielen. Dann erhalten diese eine grüne Hausnummer.

Pluspunkte bringen unter anderem Mitgliedschaft bei Greenpeace, der Besitz eines E-Autos, die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, der Nichtbesitz eines Autos mit Verbrennungsmotor, Fleischverzicht, Bio-Lebensmittel, der Besitz einer Bahn-Jahreskarte, der Besitz einer PV-Anlage, die ausschließliche Benützung von erneuerbarer Energie, thermische Sanierung, Passivhaus etc.

Die Weltwoche hat vor geraumer Zeit die Kosten einer derart nachhaltigen Lebensweise errechnet. Mehrkosten eines normalen Haushalts im Vergleich zu einem nachhaltigen Haushalt: Etwa 10.000 Euro. Je konsequenter, umso teurer. Und umso unerschwinglicher für einen normalen Bürger.

Die grüne Hausnummer entspricht dem Freibrief zur Verkürzung des Fegefeuers analog zum mittelalterlichen Ablasshandel.

Mit dem Unterschied, dass die Benefizien bereits im Diesseits konsumiert werden dürfen. In Form bevorzugter Behandlung. Und dass die Bestrafungen ebenfalls bereits im Diesseits ausgefasst werden müssen.

Und wie immer, wenn der Mensch versucht das Jenseits ins Diesseits vorzuverlagern, schafft er die Hölle auf Erden. Früher oder später auch für die Jünger der profanen Messiasse.

Und mit dem Unterschied, dass die Jünger des jenseitigen Messias sich nun am Spiel des diesseitigen Messias beteiligen.

[Autor: G.B. Bild: www.wikipedia.org/Jøra Lizenz: CC BY 3.0]

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