„10 bis 15 Jahre für die Familie müssen sich ausgehen“

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Barbara Rosenkranz, langjährige ­Politikerin der FPÖ, selbst Mutter von zehn Kindern zu der Wertehaltung in unserer Kultur und ökonomischen Herausforderungen der Familienförderung

Samuel Huntington hat in den 90er Jahren vor einem Kampf der Kulturen in Europa gewarnt. Wie lag er damals damit?
Barbara Rosenkranz: Wenn er damit gemeint hat, dass die Einwanderung aus anderen Kulturkreisen zu gewaltigen Konflikten in Europa führen wird, dann hat er die richtige Prognose gestellt. Man muss vor allem auch darauf hinweisen, dass diese Einwanderung auf ein Europa trifft, das weitgehend sein Selbstwertgefühl verloren hat.

Barabara ­Rosenkranz vertrat viele Jahre lang die FPÖ im Nationalrat. Die Mutter von zehn Kindern ist außerdem Verfasserin von zwei Büchern (Bild: Parlamentsdirektion / PHOTO SIMONIS)

Ist das Märchen von der Multikulti-Gesellschaft, das bei uns in weiten Teilen propagiert wird, noch ein valider Faktor oder ist das ideologisch bereits gestorben?
Rosenkranz: Dass die Einwanderung der letzten Jahrzehnte eine Bereicherung für uns wäre, kann eigentlich nur annehmen, wer aus ideologischen Rücksichten vollkommen blind sein will. Genau diese Einstellung verhindert aber neue Weichenstellungen. Dies sieht man in vielen Ländern Europas, wobei in Frankreich diese ideologischen Phantastereien bereits mit dem Begriff des „Islamo-Gauchisme“ (politische Allianz zwischen dem Islamismus und der Linken) etikettiert sind.

Es wird darin auch ein Allheilmittel gesehen, die Gleichmacherei am besten umsetzen zu können.
Rosenkranz: Was meinen Sie mit Gleichmacherei?

Na ja, wenn jeder einzelne, egal, ob er aus Afrika kommt, oder aus Asien oder Europäer ist, absolut gleiche Rechte hätte, dann gäbe es keine Auseinandersetzungen mehr, ist die Annahme der Multikulti-Fanatiker und wir würden alle in Frieden leben. Ist das zutreffend?
Rosenkranz: Diese, wie sie sich nunmehr selbst nennen, Linksliberalen, die gut gestellten, sogenannten urbanen Bobos also, verkennen die menschliche Natur vollkommen. Wenn Menschen wandern, dann nehmen die meisten ihre Kultur mit. Sie kommen nicht als ein abstraktes Individuum, das sich locker integrieren lässt, sie kommen als Somalier, als Afghanen, als Syrer, und die meisten sind auch nicht bereit, ihre Kultur abzulegen. Was wir sehen, ist, dass tatsächliche Integrationsbereitschaft, ein freiwilliger Kulturwechsel also, einen Sonderfall darstellt, der meist besonderen Umständen geschuldet ist. Er ist die Ausnahme von der Regel.

Müsste man dies von Zuwanderern verlangen, dass sie sich unserer Kultur anpassen und die eigene ablegen?
Rosenkranz: Die Bereitschaft dazu ist schon jetzt nicht vorhanden. Und sie nimmt mit der demographischen Entwicklung – weitere Einwanderung von Menschen, die eine bedeutend höhere Geburtenrate aufweisen – ab. Das Beharren auf Herkunftstraditionen wird auch dadurch provoziert, dass die eingesessene Bevölkerung ihre eigene Kultur kaum wertschätzt, sie nicht selten verachtet und ablehnt. Wir befinden uns in einer prekären und gefährlichen Stimmung des Selbstzweifels, ja der Selbstablehnung. Das hat natürlich wenig Anziehungskraft für andere.

Der demographische Absturz der 70er zeigt auch, dass sich die Einstellung zu Kindern extrem verändert hat.

Wenn wir in Europa nicht bereit sind, unsere eigene Kultur hochzuhalten, machen wir ja geradezu eine Lücke auf, in die andere stoßen müssen.
Rosenkranz: Genauso ist es. Es ist eine Konstante der Politik, dass ein Platz nicht lange unbesetzt bleibt, sondern von anderen beansprucht wird.

Wir haben in den siebziger Jahren den Pillenknick erlebt und auch die sogenannte Fristenlösung wurde zur Zeit der Regierung Kreisky beschlossen. Waren das nicht bereits Maßnahmen, die dazu beitragen, dass unsere Kultur früher oder später aussterben muss?
Rosenkranz: Der demographische Absturz der siebziger Jahre markiert einen entscheidenden Wendepunkt und zeigt, dass sich die Einstellung zu Kindern extrem verändert hat. Sie hat sich nahezu ins Gegenteil verkehrt. Pille und Fristenlösung haben es möglich gemacht, die Abfolge der Geburten bequem zu kontrollieren. Dies als Ursache des demographischen Verfalls zu nehmen, hieße allerdings, die grundlegenden Umbrüche zu verkennen. Entscheidend war der Wandel in den Vorstellungen darüber, was ein gutes Leben ausmacht.

Steckte da nicht politische Überlegung dahinter?
Rosenkranz: Wie jeder gesellschaftliche Wandel war auch dieser nicht naturgegeben und zwangsläufig, sondern kontingent und offen, und er spiegelt die Entwicklung gesellschaftlicher Auseinandersetzungen wider. Der offensive und skrupellose Teil der ideologischen Konkurrenten setzte sich durch und drückte der Gesellschaft seinen Stempel auf, indem er in die Institutionen eindrang und bis in die höchsten Ämter vorstieß. Heute bestimmt er den Zeitgeist. Wer erfolgreich war, waren die Agitatoren von 1968 und ihre Nachfolger, die sich neuerdings als selbstgerechte Linksliberale verspießern. Privat zwar an die Annehmlichkeiten bürgerlicher Lebensführung adaptiert, sind sie in politischer Hinsicht die bedenkenlosen Jakobiner geblieben, die sie immer waren. Sie propagieren ein Weltbild und feiern ein Lebensgefühl, in dem die traditionelle Familie nur noch als Störfaktor auftaucht. Wir müssen also im Grundsätzlichen beginnen, wenn wir das Ruder herumreißen wollen.

Da spielte doch auch noch mehr eine Rolle?
Rosenkranz: Natürlich war der Wandel in den Einstellungen der Menschen zur Ehe, zur Familie, zur Rolle der Frau usw. auch begleitet von handfesten ökonomischen Weichenstellungen. Die Umstellung auf Einzelbesteuerung etwa spielte eine durchschlagende Rolle. Seither ist die Anzahl der Kinder für die Bemessung der Steuerlast nur noch von marginaler Bedeutung. Das Versprechen, den Familienlastenausgleich zur Kompensation dieser eklatanten Ungerechtigkeit auszubauen, wurde schlicht gebrochen und zu den Akten gelegt. Das führte dazu, dass Kinder heute ein hohes ökonomisches Risiko darstellen. Bischof Klaus Küng hat es treffend ausgedrückt: Kinder sind heute der sicherste Weg in die Armut. Diese politisch erstellten Rahmenbedingungen mussten geradezu zu niedrigen Geburtenraten führen.

Die politisch gestellten Rahmen­bedingungen mussten geradezu zu niedrigen Geburtenraten führen.

Würden wir heute im vermehrten Ausmaß kinderreiche Familien fördern, würde das vor allem türkische Zuwanderer treffen, die ja eine wesentlich höhere Geburtenrate haben als wir.
Rosenkranz: Man muss sich natürlich an den aktuellen Umständen orientieren. Es lohnt in diesem Zusammenhang ein Blick zu unserem Nachbarn Ungarn. Viktor Orbán stellt die Familienförderung auf den Mittelstand ab. So wird beispielsweise der Erwerb eines Hauses mit zunehmender Kinderzahl begünstigt. Das heißt, dass die staatliche Förderung an die Entwicklung und Realisierung ökonomischer Perspektiven gekoppelt ist. Zum Zweiten werden Mütter begünstigt, die nach den Familienjahren ihre Erwerbsarbeit wieder aufnehmen. Sie sind von allen Abgaben befreit und bekommen den Bruttolohn ohne Abschläge ausbezahlt.

Abgesehen von Ungarn, gäbe es sonst noch anstrebenswerte Förderungen für einheimische Familien in Österreich?
Rosenkranz: Wenn wir zuletzt von ökonomischen Faktoren gesprochen haben, ist dennoch klar, dass das Wertebewusstsein einer Gesellschaft der grundlegende Faktor für politische wie für ökonomische Entscheidungen ist.
Dazu: Die Diffamierung der traditionellen Familie und der hausfraulichen Mütter ist unerträglich. Abschätzige Vorurteile, wie sie etwa durch „das Heimchen am Herd“ ausgewiesen sind, müssen klar und eindeutig zurechtgerückt werden. Ein Mädchen, das heute auf die Welt kommt, hat eine Lebenserwartung von nahezu 100 Jahren.
Da gehen sich 10 oder 15 Jahre, die vorrangig der Familie gewidmet werden, locker aus, ohne dass damit auf Beruf und ökonomische Eigenständigkeit verzichtet werden muss.

Was passiert aber mit den Frauen, die sich ganz den Kindern widmen wollen?
Rosenkranz: Wenn eine Frau sich entschließt, die gesamte Lebensarbeit der Erziehung von Kindern und Enkelkindern zu widmen, leistet sie eine besonders wertvolle Arbeit, die vernünftigerweise nicht zu materiellen Nachteilen oder gesellschaftlicher Geringschätzung führen kann. Eine zahlenmäßig ausreichende, leistungsstarke und zukunftsfreudige junge Generation ist nicht nur die Voraussetzung aller sozialstaatlichen Strukturen. Denken wir nur an die Alterspension. Sie ist elementar für die Nation im Gesamten.

Wenn wir die Wertekultur mit einbeziehen, müssten wir uns eigentlich nach Amerika orientieren, denn von dort kommen die meisten Filme, die für unsere Unterhaltungsindustrie produziert werden. Und darin wird das Frauenbild eben völlig konträr dargestellt, was könnte man dagegen unternehmen?
Rosenkranz: Schauen wir nach Frankreich. Dort gibt es für die öffentlich-rechtlichen Medien die Auflage, dass ein gewisser Prozentsatz der Sendezeit, ich glaube es sind 50 Prozent, heimischen Produktionen vorbehalten sein muss. Das ist ein Bekenntnis dazu, dass die französische Identität als solche gewahrt bleiben muss.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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