Baerbock und das Fiasko mit den Benin-Bronzen

by John Tuscha

Autor: E.K.-L. Bilder: Wikipedia CC 0 2.0/ Lizenz: Public domain


Die Nigerianer durchschauten das falsche Spiel der Gutmenschen

Gleich und gleich gesellt sich gern: Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock trifft in Begleitung der oft als Polit-Ulknudel wahrgenommenen Kultur-Staatsministerin Claudia Roth am 20. Dezember 2022 in Abuja (seit 1991 Hauptstadt von Nigeria, vorher war es Lagos) ein. In Baerbocks Gepäck befinden sich 20 Benin-Bronzen, gleichsam als kleine
Anzahlung. Die wertvollen Tafeln und Skulpturen stammen größtenteils aus britischen Plünderungen und sind danach auch an deutsche Museen verkauft worden.
An Anwesenheit ihres nigerianischen Amtskollegen Geoffrey Onyeama führt Baerbock unter anderem aus:
„… Heute sind wir hier, um die Benin-Bronzen denen zurückzugeben, denen sie gehören,
dem nigerianischen Volk. Wir sind hier, um ein Unrecht wiedergutzumachen. Amtsträger aus meinem Land kauften einst die Bronzen, obwohl sie wussten, dass sie geraubt und gestohlen worden waren. Danach haben wir Nigerias Bitte um Rückgabe sehr lange Zeit ignoriert.
Es war falsch, sie mitzunehmen. Aber es war auch falsch, sie zu behalten. … Die heutige Delegation ist eine der größten, mit der ich als Außenministerin je gereist bin. Dass wir hier alle zusammen sind, gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth und Staatsministerin Katja Keul, zeigt, was für eine großartige Gemeinschaftsleistung das war! … Daher freuen wir uns, den Bau eines Kunstpavillons im Edo-Staatsmuseum zu finanzieren und Sie einzuladen, die Bronzen dort auszustellen. Es sind ja viele, viele Bronzen, die gestohlen worden sind. Deswegen werden auch viele Bronzen zurückkommen. Deutschland arbeitet mit der Rückgabe auch eines seiner dunkelsten Kapitel auf, nämlich seine eigene koloniale Vergangenheit.“
Der Hintergedanke dieser auf den ersten Blick so menschenfreundlichen Aktion ist wirtschaftlicher Natur: Deutschland will vom erdöl- und erdgasreichen Nigeria bevorzugt mit verschiffbarem Flüssiggas (LMG) versorgt werden. Das brauchen die in Baerbocks Augen offenbar etwas naiven Nigerianer vorläufig nicht zu wissen. Doch diese durchschauen das heuchlerische Spiel und revanchieren sich. Mit dem Ergebnis, dass die Grünen-Politikerin wieder einmal als die Blamierte dasteht. Denn die Vision eines modernen staatlichen, mit deutscher Finanzhilfe in Millionenhöhe allen Anforderungen genügenden Museums in Benin City als neues Zuhause für die insgesamt 1.130 von Deutschland an Nigeria
übereigneten Benin-Bronzen ist vorerst ausgeträumt.

Ja, warum eigentlich? Der nigerianische Staatspräsident Muhammadu Buhari gibt in einer öffentlichen Erklärung am 23. März bekannt, er habe die Eigentumsrechte sämtlicher Benin-Kunstobjekte, die 1897 im Königspalast geplündert und anderswo im Benin-Reich gesammelt wurden, dem jetzigen König (Oba) von Benin, Ewuare II., übertragen. Er anerkenne ihn als Eigentümer und habe ihm deshalb mittels einer präsidialen Verfügung alle damit verbundenen Rechte einschließlich Aufbewahrung und Verwaltung übereignet – und zwar unter Ausschluss jeder anderen Person oder Institution. Dies gelte für alle bereits zurückgegebenen und alle weiteren zu erwartenden Restitutionen von Benin-Objekten weltweit; sie müssten künftig direkt dem Oba als Nachfahre der ursprünglichen Eigentümer übergeben werden. Sämtliche Bronzen sollen nach Gutdünken von Ewuare II. in dessen Palast oder anderswo untergebracht werden, solange ihre Sicherheit gewährleistet sei. Von Wanderausstellungen, Leihgaben, öffentlichem Zugang, wissenschaftlichen internationalen Kooperationen und Austausch ist nicht mehr die Rede.
Jetzt zeigt sich, wie verfehlt die übereilte Rückgabe durch deutsche Museen gewesen ist. Was von Baerbock und Roth als ein Zurückgeben des kulturellen Erbes an das nigerianische Volk

gedacht war und die Wunden der Vergangenheit heilen sollte (so Claudia Roth), ist stattdessen nun zu einem Geschenk an das Königshaus von Benin – eines unter mehreren Königshäusern und Sultanaten in der Republik Nigeria – geworden. Dazu muss man wissen: Obwohl Nigeria eine Republik ist, existieren auf dessen Territorium noch kleine Königreiche, die zwar nicht amtlich anerkannt sind, de facto jedoch samt ihren Königen von den staatlichen Behörden respektvoll behandelt werden. So auch das Königreich Benin im Südwesten des Landes (nicht zu verwechseln mit der Republik Benin, dem früheren Dahomey). Eine ähnliche Situation findet man auch im ostafrikanischen Uganda vor.
Das Königreich Benin hat sich bis zu seiner Unterwerfung durch die Engländer (1897) durchaus militant gegeben: Überfälle auf Nachbarländer mit Plünderungen, Zerstörungen, Massakern. Dazu Versklavung von Kriegsgefangenen, Menschenopfern zu Ehren der Ahnen sowie Sklavenhandel in großem Stil mit den Europäern, meist Portugiesen.

In der Religion der Bewohner von Benin gab es einen Glauben an ein Weiterleben im Jenseits.
Der Tod des Königs (Oba) war jedes Mal ein grausames Ereignis. Das Grab des Königs musste so tief gegraben werden, bis die Arbeiter ins Wasser fielen und ertranken. Erst dann wurde der Leichnam des Oba in Anwesenheit des gesamten Hofstaates ins Grab gelassen. Die Hofdiener sollen sich anschließend angeboten haben, ihren Herrscher ins Jenseits zu begleiten. Dieses Vorrecht wurde aber nur denjenigen gewährt, welche beim Oba zu seinen Lebzeiten am beliebtesten waren. Zu hohen Festen war es im Königreich auch
üblich, massenhaft Menschenopfer darzubringen: Sklaven, die erwürgt oder enthauptet wurden.

Die gegenständlichen Bronzen sind die englische Beute eines Krieges gegen die letzten Großhandels-Sklavenhändler Westafrikas. Denn die Obas von Benin brauchten auch nach dem Verbot des Sklavenhandels 1833 durch die Briten und später auch durch die Brasilianer weiterhin Sklaven für Menschenopfer, die sie durch Überfälle auf die benachbarten Stämme im heutigen Nigeria erlangten.
In ihrer eingangs zitierten Rede prangerte die deutsche Außenministerin zwar die Verbrechen der Europäer in der Kolonialzeit an und räumte ein, auch Deutschland habe ungeheures Leid verursacht. Baerbock und Roth sprachen aber weder von der Schuld der einstigen Sklavenhändler in Afrika und sie sprachen auch nicht vom Erdgas-Deal, der hinter der
Rückgabe der Bronzen steckt.

Für Annalena Baerbock ist es sicher nicht das letzte Fiasko.