Eine Lektüre, die lohnt: René Pfisters Werk „Ein falsches Wort“

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Montanasuffragettes Lizenz: CC BY-SA 4.0


Der Autor seziert mit der sicheren Hand eines Hirnchirurgen die Gefahren, die von einer links-totalitären Ideologie ausgehen

Ein Wahn hat Amerika erfasst: Im Namen von Gerechtigkeit und Antirassismus greift dort eine Ideologie um sich, die neue Intoleranz erzeugt. In liberalen Medien kann ein falsches Wort Karrieren beenden, an den Universitäten herrscht ein Klima der Angst, Unternehmen feuern Mitarbeiter, die sich dem neuen Zeitgeist widersetzen.

Sogar ein Mitarbeiter des sich selbst als Sturmgeschütz der Demokratie gerierende Hamburger Wochenmagazins „Der Spiegel“ – die Rede ist von René Pfister (48), „Spiegel“-Korrespondent in Washington – fühlt sich im liberalen Milieu nicht wohl. Er sieht sich im Zeichen von Wokeness laufend neuen Denkverboten unterworfen, deswegen hat Pfister ein Buch verfasst. Der Titel sagt schon viel aus: Ein falsches Wort. Wie eine neue linke Ideologie aus Amerika unsere Meinungsfreiheit bedroht (DVA/Spiegel Buchverlag, München 2022, 256 Seiten, 22 Euro; ISBN: 978-3-421-04899-8).

In vielen Porträts und Geschichten beschreibt René Pfister diese neue politische Religion, legt fundiert dar, wie Dogmatismus, Freund-Feind-Denken und Mob-Mentalität in Internet die Meinungsfreiheit in den USA gefährlich einschränken. Beobachtet demokratiefeindliche Bestrebungen der neuen Linken in den USA, Stichwort Cancel-Kultur, white fragility, kulturelle Aneignung (letzteres kann man durchaus als Folge des Prinzips der offenen Psychiatrie einstufen) und warnt eindrücklich vor diesem Fundamentalismus, dem wir uns widersetzen müssen, um auch in Europa die offene Gesellschaft zu verteidigen. Pfister wehrt sich deshalb auch gegen die um sich greifende organisierte Empörung. Dass dies ausgerechnet von einem „Spiegel“-Mitarbeiter kommt, zeugt von beträchtlicher Zivilcourage.

Pfister kritisiert den Begriff Mikroaggression. Sie führe zu einer Gesellschaft, die nicht mehr miteinander rede. Die Frage: Wo kommst du her? beinhalte bereits eine rassistische Note, nämlich Du gehörst hier nicht her. Das ist, so Pfister, blanker Unsinn. Denn meist ist es ehrliches Interesse für seine Mitmenschen. Das ist doch das Kennzeichen einer multikulturellen Gesellschaft: Man erzählt einander seine Lebensgeschichte.

Der Autor steht auch für den offenen, robusten, demokratischen Diskurs. Dafür, dass man die Empfindlichkeiten nicht zu hoch ansetzt. Dass man Witze und Kabarett zulässt, auch wenn sie verletzen können. Das gilt für die linke und für die rechte Seite … Und noch etwas spricht Pfister offen aus: Satire, die keinem wehtut, ist leider oft sehr öde. Wer verletzende Satire als Hetze denunziere, verkenne den Charakter dieser Textsorte, die eben durch Zuspitzung, Ironie oder Übertreibung eine Persiflage der Realität herstelle, wobei die Persiflage eine geistreiche Verspottung durch übertreibende Nachahmung darstelle.

Zuletzt sei eine Anmerkung des Verfassers dieses Beitrags erlaubt. Pfisters Einschätzung des Charakters einer Satire entspricht voll der Rechtsprechung eines der österreichischen Höchstgerichte. So führt der Oberste Gerichtshof in einer wegweisenden Rechtssache (OGH, AZ 15Os 130/16f) aus:

Schließlich haftet auch der Annahme einer satirischen Darstellungsform …kein formaler Begründungsmangel an, ist doch die – von der Generalprokuratur angesprochene – Verfremdung der Realität durch Verzerrung oder Übertreibung der Wirklichkeit zwar ein charakteristisches, aber nicht das einzige Stilmittel der Satire, die sich zB auch der Entstellung, Travestie, Bloßstellung, Kontrastierung der Wirklichkeit, der Gegenüberstellung oder der Darstellung des Gegenteils bedient und sich solcherart einer abschließenden Definition entzieht.

Fazit: Wer sich über die Gefahr, die von Wokeness, Cancel Culture und kultureller Aneignung ausgeht, ein abgerundetes Bild machen möchte, dem sei die Lektüre von Pfisters Buch ans Herz gelegt.

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