EU: Warschau und Budapest stehen nicht allein

by admin2

Nach Slowenien wendet sich nun auch Estland gegen Brüssels überbordendes Machtstreben

In der Diskussion über eine Verknüpfung von Budget samt Hilfsgeldern für die südlichen Mitgliedsstaaten einerseits und der sogenannten Rechtsstaatlichkeit vermitteln viele Medien den Eindruck, als würde die gesamte EU gegen Warschau und Budapest geschlossen Front machen, wie ein Mann hinter Merkel und Macron stehen. Dem ist beileibe nicht so. Sicher, bloß Polen und Ungarn stellten ein Veto in den Raum, aber auch in anderen Mitgliedsländern herrscht eine gehörige Portion Skepsis gegenüber dem Streben Brüssels nach immer mehr Einfluss. So halten sich Prags Andrej Babiš oder auch Preßburgs Igor Matovič auf Distanz zu allen Plänen, die Souveränität ihrer Länder zu beschneiden. Das überrascht wenig, bilden doch Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei die Gruppe der Višegrad-Vier, die in den meisten Fragen eng abgestimmt vorgehen.

Doch schon im November erhalten Polen und Ungarn Sukkurs durch Sloweniens Premier Janek Janša, der durchaus Verständnis zeigt für die Haltung der beiden Staaten, die sich dagegen aussprechen, dass Brüssel einen Hebel in die Hand bekommt, um unter dem Vorwand eines Mangels an Rechtsstaatlichkeit – ein nebuloser Begriff – den Geldhahn abzudrehen. Damit stellt sich auch Slowenien gegen rote Moralaposteln wie Heiko Maas und Jean Asselborn, den von vielen minder ernst genommenen Außenministern Deutschlands bzw. Luxemburgs.

Die Rache des Imperiums bleibt im Fall Slowenien nicht aus. Schon kurz nach Janšas mutiger Stellungnahme schert dessen kleinster Koalitionspartner DeSUS (Demokratische Pensionistenpartei Sloweniens; fünf Mandate im Laibacher Parlament) aus seiner Vierparteien-Regierung aus. Urplötzlich stoßen sich die Senioren an einer angeblichen Orbánisierung Sloweniens. Doch man macht die Rechnung ohne Wirt: Janek Janša, ein guter Freund Viktor Orbáns, kann ohne seinen kleinsten Partner bis zur nächsten Wahl (2023) weiterregieren, da ihm sofort die Nationalpartei (drei Sitze) sowie die beiden Mandatare der anerkannten Minderheiten (Italiener und Magyaren) zur Seite springen. Tja, damit wird Herr Soros wenig Freude haben.

Kurz nach Weihnachten enttäuscht ein weiterer Staat die Brüsseler Bürokraten, nämlich Estland. Wie die  Tageszeitung „Magyar Nemzet“, die Agentur „Hungary today“ sowie die deutschsprachige „Budapester Zeitung“ melden, stellt dessen Außenminister Urmas Reinsalu (45) am Sonntag, dem 27. Dezember, in einem Radiointerview klar: Das in Aussicht gestellte Veto Polens und Ungarns in Sachen Unions-Haushalt sei ein in den EU-Verträgen garantiertes Recht. Niemand habe die EU in Geiselhaft genommen, wie das der internationale liberale Mainstream, so der in Reval (Tallinn) gebürtige Reinsalu wörtlich, gerne behaupte. Bereits unter Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sei jenes Konzept entwickelt worden, mit dem man die EU-Gelder mit der Migrationspolitik verbinden wollte – diesem Konzept konnte abgesehen von Ungarn auch er nie zustimmen.

Ungarns Außenminister Péter Szijjártó würdigt daraufhin seinen estnischen Amtskollegen. Dieser sei augenscheinlich kein Favorit des liberalen Mainstreams. Wie könnte er es auch sein, so Szijjártó, wenn er direkt, ehrlich und klar spricht und keine Angst hat, für seine Meinung, seine patriotischen Ansichten und für die Interessen seiner Nation einzutreten. Ungarn und Estland stimmten in Grundsatzfragen hinsichtlich der Zukunft der EU überein, so im Kampf gegen die illegale Einwanderung.

Allfällige Versuche, Estlands Regierung nach dem Muster Sloweniens zu destabilisieren, sind angesichts der Mehrheitsverhältnisse in Revals Volksvertretung von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die seit April 2019 im Amt befindliche Dreiparteienkoalition unter Ministerpräsident Jüri Ratas (42) verfügt im 101-köpfigen Parlament über eine solide Mehrheit von 56 Abgeordneten: Ratas Zentrumspartei 25, die rechtskonservative Volkspartei 19, die Vaterlandsunion (ihr gehört Urmas Reinsalu an) 12 Sitze.

Insgesamt also schlechte Aussichten für Scharfmacher wie dem holländischen Premier Mark Rutte. Statt den moralischen Stinkefinger auf andere zu richten, sollte der Mann vielleicht beginnen, die jüngere Vergangenheit seines Landes aufarbeiten zu lassen, zum Beispiel die Kolonialgräuel in Indonesien, dem früheren Niederländisch-Indien.

[Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Aron Urb Lizenz: CC BY 2.0]

Das könnte Sie auch interessieren