Reinhard Eberhart, „Ideengroßindustrieller“ und Macher der Faschingszeitung, im ZZ-Gespräch über das Lachen in Zeiten der Pandemie und die „feine Klinge“ beim Humor.
Wir leben ja nicht nur wegen der Pandemie in dystopischen Zeiten. Wie erleben Sie diese?
Reinhard Eberhart: Die Zeiten verändern sich laufend und die Pandemiezeit, an die werden wir uns hoffentlich nicht gewöhnen müssen. Nicht einmal im Entferntesten dachte einmal jemand, die Maskenpflicht wäre immerwährend.
Ich kann mich noch gut erinnern, als das Vermummungsverbot zur Diskussion stand und ich das Maskenverbot beeinspruchte: Denn dann hätte es im Brauchtum Fasching weder Gschnas-Veranstaltungen, Faschingsumzüge und Maskenbälle gegeben. Auch die Perchtenumzüge wurden so vom Gesetz ausgenommen. Ja, Spaß muss sein und die Leute zeigen auch Humor und man sieht ja da und dort lustige bedruckte Masken. Auch selbstbemalte sind erlaubt. Die Frage ist nur, wie lange?
Einmal hatte ich eine Postkarte mit dem Text „Lachen verboten“. Wer die sah, lachte oder kam ins Schmunzeln. Ja, das ist Alltagshumor und der ist auch trotz Pandemie im Alltag zu vermerken. Es hat sich halt vieles verändert, wie immer. Die Kommunikation ist schnelllebiger. Wir bekommen den Humor online, laufend und in Jetzt-Zeit per Instagram, SMS oder WhatsApp geliefert. Die Proponenten sind unsere Politiker, die sich zu Polit-Clowns degradieren. Die liefern laufend Pointen. Egal was. Allein mit Kurz und den Masken und seinen Ohren gibt es abendfüllende Unterhaltung. Ob man das witzig findet oder nicht, ist eine andere Geschichte.
Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Heuer kein Fasching, kein Lachen?
Eberhart: Wir Menschen werden immer lachen. Und wir wissen, gerade das Kabarett hatte in der schlimmsten wirtschaftlichen Zeit seinen Höhenflug. Was verstehen wir unter Fasching? Bei mir, dem Narren, ist es klar, ich muss der Obrigkeit den Spiegel vorhalten und das mache ich eigentlich das ganze Jahr.
Der Faschingshöhepunkt zeichnet sich in unseren Breiten dadurch aus, dass die Leute ausgelassener sind. Das ist bei vielen ohne Alkohol schwer vorstellbar. Das ist ja das persönliche Faschingsschicksal jedes Einzelnen. Im Fasching durfte man über den Durst trinken, rauchen und sogar mit Fremden schmusen. Ja, so ist es der Brauch. Deshalb erleben wir ja nie mehr so einen tollen Fasching wie in der Jugend. Heute, wo wir alles dürfen und in Pandemiezeiten nichts mehr dürfen, stellt sich wieder alles auf den Kopf.
Wo können wir ein Glaserl heben? Ohne Leut und ohne Gesellschaft schmeckt auch kein Alkohol. Schon Qualtinger hat gesagt, lieber ein Achterl im Gasthaus als einen Doppelliter allein zu Hause. Das hat jetzt nichts mit Alkoholverherrlichung zu tun, aber den Fasching, wie ich ihn aus meiner Jugendzeit kenne, den gab es nur
angeheitert und ausgelassen.
Und die Lockdown-Lockerung kommt rechtzeitig zum Faschingshöhepunkt. Zu Hause in den privaten vier Wänden können wir wieder tun und machen, was wir wollen. Muss ja so sein. Wir Menschen brauchen ein Ventil zum Ablassen. In Russland wollte Wladimir Putin einmal den Alkohol verbieten, das war nur kurz, denn er kam gleich drauf, den Menschen darfst du alles nehmen, aber nicht die Droge Alkohol. Wir sind nicht das Land der Alkoholiker, aber ein kleines Schwipserl ist kein Verbrechen und jetzt alle zu kriminalisieren, wäre auch nicht der richtige Weg.
Die so genannte „Political Correctness“ schränkt zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung auch den Humor der Menschen ein. Kein Sexismus, kein Rassismus, kein Diskriminieren von Menschen ganz generell ist ja schön und gut. Aber dürfen diese Regeln auch für den Humor und die Satire gelten?
Eberhart: Den Humor wird und muss es immer geben. Freilich gibt es Grenzen und Unterschiede. Wir haben es immer so gehalten: Wer in einer Faschingszeitung vorkommt, der muss sich selbst noch gefallen. Und wir brauchten in 38 Jahren nie Sex- und Busenfotos, um lustig zu sein. Die, die in der Faschingszeitung vorkommen und auf die Schaufel genommen werden, haben selbst bei den Pointen mitgewirkt. Ich denke, schlimmer ist es, wenn jemand nicht mehr vorkommt, der ist politisch auch schon gestorben.
Die feine Klinge des Humors und der Satire schneidet, ohne jemanden persönlich zu verletzen oder zu diskriminieren. Wenn sich jemand durch einen Gag verletzt oder diskriminiert fühlt, sollte man sich schon fragen, ob das dann den Gag wert war. Political Correctness ist ja keine Spaßbewegung, sondern unter anderem ein Prozess, die Sprache solidarischer zu gestalten. Wenn das einen Humor einschränkt, dürfte dieser nicht sehr ausgeprägt sein.
Finden Sie, dass es so etwas wie einen „linken“ und „rechten“ Humor gibt? Und ist es mit zuviel Korrektheit nicht doch etwas fad?
Eberhart: Der Humor ist weder links oder rechts und wenn, dann ist er meistens nicht besonders witzig. Im Übrigen, ich mag keine Witze. Noch viel schlimmer, wenn Uralt-Witze in Pointen auftauchen. Wir nehmen alles, außer religiöse Themen, auf die Schaufel.
Wir wissen, die einzigen witzigen Juden-witze kamen von den Juden selbst, denn der Kern dieser großartigen Humorkunst beruht auf ihrer Selbstironie. Die größten und besten Kabarettisten waren jüdischen Ursprungs. Leider wurden da viele vertrieben und im Holocaust umgebracht.
Sie haben sich ja als „Ideenfabrikant“ einen Namen gemacht. Was macht Ihre „Fabrik“ in diesen Zeiten, wo nur ein Thema die Welt beherrscht?
Eberhart: Ja, da kommt einem der Humor zugute. Die Kunstaktion „for-distance“ hilft uns allen als Sinnbild, um Abstand zu halten. Ich habe auf der Simonhöhe in der Abstandshaltung einen Skulpturenpark aufgestellt. In Abständen von 10 Metern stellte ich lebensgroße Starschnitte auf und zwar in geometrischen Feldern. Bei solchen Abständen würde sich niemand anstecken. Das Video und Bilder von dieser großartigen Veranstaltung können wir auf www.for-distance.com bewundern. Es geht um das Bewusstsein für das Abstandhalten. Freiwillig möchte ich die Krankheit nicht haben. Ich hoffe auf Impfung oder ein gutes Medikament und hoffentlich wird das bald entwickelt. Wären wir in Israel, hätten wir schon die Impfung. Mit der „covid-geometrie“ habe ich eine Bewegung in die Welt gesetzt und in diesen Abständen werden Künstler und Kreative in unterschiedlichen Mustern und Farben die Idee weiterverbreiten. Und in solchen Abständen wäre jedes kulturelle Leben wieder möglich. Wir vertrauen der Wissenschaft, also sollen wir auch den Praktikern vertrauen, denn wir können die Pandemien nur überstehen, wenn wir aus der Krise Lehren ziehen.
Was kann Spaß beitragen, um aus dieser seltsamen Krise zu kommen?
Eberhart: Wenn wir uns an vernünftige Regeln halten, dann können wir die Pandemie auslachen. Solange man in und über eine Krise lachen kann, ist man an ihr noch nicht zu Grunde gegangen.
Das Gespräch führte Wendelin Mölzer
[Autor: – Bild: PxHere Lizenz: -]