Der langjährige Leiter des Instituts für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz, Dr. Sucharit Bhakdi, schrieb am 26. März an die deutsche Bundeskanzlerin Merkel einen offenen Brief.
Er schrieb, dass es ausdrücklich nicht sein Anliegen ist, die Gefahren der Viruserkrankung herunterzuspielen oder die politische Botschaft zu kolportieren. Jedoch empfinde er es als seine Pflicht, einen Beitrag dazu zu leisten, die derzeitige Datenlage richtig einzuordnen.
In Statistiken der Infektiologie – begründet von Robert Koch selbst – wird traditionell zwischen Infektion und Erkrankung unterschieden. Eine Erkrankung bedarf einer klinischen Manifestation. Deshalb sollten nur Patienten mit Symptomen wie etwa Fieber oder Husten als Neuerkrankungen in die Statistik eingehen. Mit anderen Worten bedeutet eine Neuinfektion – wie beim COVID-19-Test gemessen – nicht zwangsläufig, dass wir es mit einem neuerkrankten Patienten zu tun haben, der ein Krankenhausbett benötigt. Derzeit wird aber angenommen, dass fünf Prozent aller infizierten Menschen schwer erkranken und beatmungspflichtig werden. Darauf basierende Hochrechnungen besagen, dass das Gesundheitssystem im Übermaß belastet werden könnte.
Dr. Bhakdis Frage lautet daher: „Wurde bei den Hochrechnungen zwischen symptomfreien Infizierten und tatsächlichen, erkrankten Patienten unterschieden – also Menschen, die Symptome entwickeln?“
Außerdem schreibt Dr. Bhakdi, dass eine Reihe von Coronaviren – medial weitgehend unbemerkt – schon seit Langem im Umlauf sind. Sollte sich herausstellen, dass dem COVID-19-Virus kein bedeutend höheres Gefahrenpotential zugeschrieben werden darf als den bereits kursierenden Coronaviren, würden sich offensichtlich sämtliche Gegenmaßnahmen erübrigen.
Dr. Bhakdi fragt daher weiter: „Wie sieht die gegenwärtige Auslastung von Intensivstationen mit Patienten mit diagnostizierten COVID-19 im Vergleich zu anderen Coronavirus-Infektionen aus?“ Wobei er ausdrücklich fest stellt: „Diagnostiziert heißt, dass das Virus auch maßgeblichen Anteil an dem Krankheitszustand des Patienten hat, und nicht etwa Vorerkrankungen eine größere Rolle spielen.“
Laut eines Berichts der „Süddeutschen Zeitung“ ist nicht einmal dem viel zitierten Robert-Koch-Institut genau bekannt, wie viel auf COVID-19 getestet wird. Fakt ist jedoch, dass man mit wachsendem Testvolumen in Deutschland zuletzt einen raschen Anstieg der Fallzahlen beobachten konnte.
Der Verdacht liegt also nahe, dass sich das Virus bereits unbemerkt in der gesunden Bevölkerung ausgebreitet hat. Das hätte zwei Konsequenzen: erstens würde es bedeuten, dass die offizielle Todesrate – am 26.03.2020 etwa waren es 206 Todesfälle bei rund 37.300 Infektionen, oder 0,55 Prozent– zu hoch angesetzt ist; und zweitens, dass es kaum mehr möglich ist, eine Ausbreitung in der gesunden Bevölkerung zu verhindern.
Die Angst vor einem Ansteigen der Todesrate in Deutschland (derzeit 0,55 Prozent) wird medial derzeit besonders intensiv thematisiert. Viele Menschen sorgen sich, sie könne wie in Italien (zehn Prozent) und Spanien (sieben Prozent) in die Höhe schießen, falls nicht rechtzeitig gehandelt wird. Gleichzeitig wird weltweit der Fehler begangen, virusbedingte Tote zu melden, sobald festgestellt wird, dass das Virus beim Tod vorhanden war – unabhängig von anderen Faktoren. Dieses verstößt gegen ein Grundgebot der Infektiologie: erst wenn sichergestellt wird, dass ein Agens an der Erkrankung bzw. am Tod maßgeblichen Anteil hat, darf die Diagnose ausgesprochen werden. Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften schreibt in ihren Leitlinienausdrücklich: „Neben der Todesursache muss eine Kausalkette angegeben werden, mit dem entsprechenden Grundleiden auf der Todesbescheinigung an dritter Stelle. Gelegentlich müssen auch viergliedrige Kausalketten angegeben werden.“ Derzeit gibt es keine offiziellen Angaben darüber, ob zumindest im Nachhinein kritischere Analysen der Krankenakten unternommen worden, um festzustellen, wie viele Todesfälle wirklich auf das Virus zurückzuführen seien.
Dieser Text ist ein Auszug eines offenen Briefes von Dr. Sucharit Bhakdi an Frau Bundeskanzlerin Dr. Angelika Merkel.
[Autor: H.W. Bild: Wikipedia/scientificanimations Lizenz: CC BY-SA 4.0]