Namensänderung als Versuch, mehr Wähler zu gewinnen
Die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) der Schweiz ist eine der staatstragenden Gruppierungen in unserem westlichen Nachbarland. Sie ist die Nachfolgerin der Konservativen Volkspartei KVP, des Sammelbeckens der katholischen Wähler in den Kantonen der Innerschweiz, die in der Mitte des 19. Jahrhunderts im sogenannten Sonderbundskrieg gegen die von den Liberalen dominierten Bundestruppen unterlagen. Die Christdemokraten sitzen seit 1891 (!) ohne Unterbrechung in der Regierung (Bundesrat) und galten anfangs als Gegenpol zur mächtigen FDP (Freisinnig-Demokratische Partei).
Heute ist die CVP im Nationalrat mit 25 von 150 Mandaten vertreten, sie bildet gemeinsam mit den je drei Vertretern der Evangelischen Volkspartei EVP und der Bürgerlich-Demokratischen Partei BDP (einer Absplitterung der national-konservativen Schweizerischen Volkspartei SVP) eine Fraktion namens „Die Mitte“. Im kleinen Ständerat (dem hiesigen Bundesrat vergleichbar) stellt sie mit 13 von 46 Landesvätern sogar die stärkste Fraktion, weil jeder Kanton ungeachtet seiner Bevölkerungszahl mit je zwei Mandataren vertreten ist und die CVP gerade in den kleinen Kantonen sowie den Halbkantonen (die bloß einen Mandatar entsenden) viel Zuspruch erfährt.
Jetzt wollen die Christdemokraten ihre bewährte Marke CVP zugunsten der nichtssagenden Allerweltsbezeichnung Die Mitte aufgeben. Eine Urabstimmung unter den Mitgliedern soll das bis Mitte Oktober klären, die Zustimmung gilt als ziemlich sicher. Die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) schreibt dazu: „Die CVP … sucht aber eine bessere Marke, um diese neuen Wählern schmackhaft zu machen. Der Vorschlag ‚Die Mitte‘ basiert auf einer Methode der Produktforschung, der ‚Conjoint‘-Analyse. Solche Umfragen nutzen Firmen zum Beispiel dazu, um herauszufinden, welche Eigenschaften eine Waschmaschine haben muss, damit sie bei den Käufern ankommt …“. Waschmaschine – der Leser merkt den leicht ironischen Unterton in der NZZ.
Es hat den Anschein, als möchte die CVP endgültig auf das „C“ im Parteinamen verzichten, sie will anscheinend den vermeintlichen Ballast abwerfen, der einst konstituierend für sie war: das katholisch-konservative Erbe. In Zukunft soll möglichst nichts darauf hindeuten, dass man bis heute eine stark im katholischen Milieu verwurzelte Partei ist. Im Kampf um neue Wählersegmente – das schielt man auf junge, urbane, weltoffene Stimmen – stört der Hinweis auf die eigene Herkunft. Dass dies unter dem Parteichef Gerhard Pfister stattfindet, ist überraschend. Galt doch Pfister bisher als einer, der das „C“ hochhielt und dem rechten Flügel der Partei angehört.
Die Mitte. Ob der neue Name sich als zugkräftig erweist, wird sich weisen. Dem tendenziell sinkenden Wählerzuspruch hat die CVP bisher mit unzukömmlichen Mitteln (Zustimmung zur Abtreibung sowie zur gleichgeschlechtlichen Ehe, liberaler Standpunkt in der Drogenpolitik) zu bekämpfen versucht. Die katholisch-konservative Stammwählerschaft goutiert den neuen Kurs eher wenig und wandert teilweise zur national-konservativen SVP ab. Es könnte leicht sein, dass Die Mitte dort landet, wo es relativ wenig kommod ist – zwischen zwei Stühlen.
[Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedi/NAC Lizenz: CC BY-SA 4.0]