Autor: E.K.-L Bilder: Wikipedia/Team Basis Lizenz: CC BY-SA 2.0
Andreas Babler sei an einen gewissen Erwin Scharf erinnert
Ein Szenario ist naheliegend: Hans Peter Doskozil wird zum Chef der SPÖ gekürt, Andreas Babler hat das Nachsehen und schert aus der Partei aus. Eine angesichts seiner programmatischen Vorstellungen naheliegende Sache. Denn Babler hält den Marxismus als Brille, durch die man die Welt betrachtet, für ein durchaus geeignetes Instrument. Für die Sozialdemokratie wäre eine Linksabspaltung in Richtung KPÖ ein Déjà-vu, also etwas, was man bereits erlebt hat. Wenn es auch schon einige Zeit her ist.
1945. Im Vorstand der SPÖ (damals noch: Sozialistische Partei Österreich) sitzt ein ehemaliger Tito-Partisan. Der Mann schreibt sich Erwin Scharf. Der 1914 im böhmischen Karpfenparadies Wittingau (nunmehr: Trebon) Geborene gilt als entschiedener Verfechter der sogenannten „Volksfront“, sohin eines Zusammenschlusses der marxistischen Parteien SP und KP. Scharf erlangt im Nationalratswahlkampf 1945 traurige Berühmtheit, nämlich als geistiger Vater eines SP-Plakats mit der Forderung, ehemalige NSDAP-Mitglieder im Tausch gegen Kriegsgefangene nach Sibirien zu verfrachten. Viele Wähler sind, wie Hugo Portisch in seinem Werk „Österreich II“ schreibt, unangenehm berührt. Dieses Plakat ist wahlentscheidend – zu Ungunsten der Sozialisten.
Denn so radikal wie Scharf sind nicht einmal die Sowjets. Marschall Tolbuchin, Chef der nach Österreich eindringenden Rotarmisten, erlässt in einer Druckschrift namens Österreichische Zeitung am 15. April 1945 einen Aufruf an die Bevölkerung, wo es heißt Die einfachen Mitglieder der nationalsozialistischen Partei werden nicht verfolgt, wenn sie sich gegenüber den Sowjettruppen loyal verhalten.
Erwin Scharf treibt es in der Folgezeit immer bunter, nervt seine Vorstandskollegen in der Löwelstraße mit dem Hinweis auf das Linzer Programm der Sozialdemokraten aus dem Jahre 1926, wo die Austromarxisten ganz ungeniert ihre Pläne offenlegen: Wenn sich aber die Bourgeoisie der gesellschaftlichen Umwälzung … widersetzen sollte, dann wäre die Arbeiterklasse gezwungen, den Widerstand der Bourgeoisie mit den Mitteln der Diktatur zu brechen … Eine andere rote Parole lautet: Demokratie, das ist nicht viel; Sozialismus ist das Ziel.
1948 erfolgt Scharfs Parteiausschluss. Der Stalin-Bewunderer geriert sich ab 1949 als Haupt einer Splittergruppe namens „Vereinigung fortschrittlicher Sozialisten“. 1952 Umbenennung in „Sozialistische Arbeiterpartei“. Diese SAP fusioniert sich 1956 mit der KPÖ. Welch Geistes Kind Scharf ist, belegt seine 1955 erschienene Schrift „Die Linkssozialisten rufen“, wo er über Raub, Mord und Vergewaltigung der sowjetischen Besatzer (= 3. Ukrainische Heeresgruppe) großzügig hinwegsieht und formuliert:
„… der Einzug der Soldaten und die folgenden Jahre der Besatzung waren mit Begleiterscheinungen verbunden, die die feindliche Propaganda für ihre Zwecke ausnutzen konnte. Statt Verständnis für die Ereignisse und für die besondere Lage zu entwickeln, bauschten sie (die reaktionären Kreise) jeden Zwischenfall auf …“
Bezüglich des sogenannten Deutschen Eigentums meint Scharf in seltsamer Umkehrung der Wirklichkeit: Nicht die Sowjetunion, sondern das westliche Ausland ist (es), das nach unseren Bodenschätzen, nach unserer Industrie, nach unserer Wirtschaft greift. Faktum ist: Die Russen beschlagnahmen viele Großunternehmen unter dem Vorwand, diese seien eigentlich deutsches Eigentum. Der Nationalrat verwahrt sich in einer Sondersitzung am 10. Juli 1946 (selbstredend gegen die Stimmen der KP-Mandatare) vergebens gegen den Raubzug der Sowjets. Österreich verliert dadurch die gesamte Erdölindustrie, die Schifffahrtslinie DDSG sowie 300 Industriebetriebe. Die Sowjets bilden daraus die USIA (Uprawlenije Sowjetskim Imuschtschestwom w Awstriji = Verwaltung des sowjetischen Eigentums in Österreich), die zur Domäne der KP wird, weil viele Mitarbeiter aus Angst um den Arbeitsplatz Parteimitglieder werden.
Doch es kommt noch dicker, wenn der ehemalige SPÖ-Zentralsekretär gar vermeint: Die Sowjetunion ist der erste Arbeiterstaat. Sie ist das erste Land ohne Arbeitslosigkeit und Ausbeutung. Sie ist die gewaltigste Friedensmacht der Welt … Zurück zur alten Parole der Sozialdemokratie: Freundschaft mit der Sowjetunion!
Die KPÖ vermag 1949 dank des Zuzugs von Scharfs Linkssozialisten ihre bescheidene Mandatszahl im Nationalrat von vier auf fünf steigern, einen dieser Sitze belegt Erwin Scharf. Der fliegt allerdings schon bei der Nationalratswahl 1953 wieder hinaus. Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan … Für Andreas Babler sollte dies ein Menetekel sein.