“Wenn Bargeld nicht verwendet wird, ist es leichter einschränkbar”

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Nationalbank-Vizepräsidentin Barbara Kolm über die Bedeutung und Vorteile des Bargelds und die Kritik an Bargeldobergrenzen.

Wer heutzutage in einem Restaurant oder an der Supermarktkasse bar bezahlen möchte, wird in den meisten Fällen schon schräg angeschaut. Warum ist das so?
Barbara Kolm: Was wir beobachten, ist etwa, dass während der Corona-Pandemie zu Unrecht, wie wir heute etwa durch eine EZB-Studie wissen, vor der Bezahlung mit Bargeld aus hygienischen Gründen gewarnt wurde. Also es wurde da vorschnell vor der angeblichen Übertragung des Corona-Virus durch Bargeld gewarnt.
Es ist auch Aufgabe von Zentralbanken, solche falschen Annahmen zurechtzurücken. Bargeld ist sicher, auch im Hinblick auf die Übertragbarkeit von Infektionskrankheiten.

Dr. Barbara Kolm, Vizepräsidentin des Generalrats der Österreichischen Nationalbank (Bild: Niesner(OeNB)

Die UNO hat für eine Organisation, die sich „Better than Cash Alliance“ nennen, die Vorlage geliefert. Die Regierungen der Mitgliedstaaten, und das sind weitgehend alle, halten die Abschaffung des Bargelds offenbar für einen notwendigen Schritt für die Entwicklung ihrer Gesellschaften. Worin liegen da die Vorteile für den weitgehenden Verzicht aufs Bargeld?
Kolm: Über diese Organisation ist mir nichts bekannt. Ich sehe persönlich keinesfalls in dem Verzicht auf Bargeld irgendeine Form des gesellschaftlichen Fortschritts. Im Gegenteil, Bargeld ist aus folgenden Gründen sehr gut in eine offene und demokratische Gesellschaft eingebettet:
1. Bargeld ist ein inklusives Zahlungsmittel für alle Menschen.
2. Bargeld schützt die Privatsphäre des Einzelnen und
3. Bargeld ist in vielerlei Hinsicht ein sehr sicheres Zahlungsmittel.

Auch die Europäische Union hat mit mehreren Beschlüssen und Ankündigungen erkennen lassen, dass sie elektronisch bearbeitbare Geldflüsse bevorzugt. So wird seit 2019 kein 500 Euro-Schein mehr ausgegeben und Bargeldzahlungen soll es nur mehr bis zu einemBetrag von 10.000 Euro geben. Wie geht das weiter, und müssen wir damit rechnen, dass es bald auch den 200 Euro-Schein treffen wird?
Kolm: Hier hat Österreich eine eindeutige Meinung seitens des BMF und der OeNB: Eine Barzahlungsobergrenze wird kritisch gesehen bzw. abgelehnt, und die Hauptgründe für eine solche Grenze, die da immer wieder genannt werden, kann ich nicht immer nachvollziehen. So wissen wir, dass die Obergrenzen gar nicht so effektiv zur Bekämpfung der Geldwäsche etc. beitragen, wie es oftmals propagiert wird. Es ist wohl eher davon auszugehen, dass die meisten kriminellen Handlungen bei Geldwäsche, Korruption und anderen Taten online bzw. unbar abgewickelt werden, Stichwort
Darknet! Die Hürden, hohe Bargeldsummen abzuheben und durch die Gegend zu transportieren, sind höher als in wenigen Sekunden eine Kreditkartenüberweisung oder Kryptotransfers durchzuführen.
Ich betrachte jede weitere Reduktion von Papiergeld höheren Werts kritisch und sehe da aber auch keine Anzeichen derzeit. Ebenso sollten aus meiner Sicht die ganz kleinen Münz-Denominationen möglichst erhalten bleiben, selbst die kleinsten 1- und 2-Cent-Münzen sind in Österreich noch mehrheitlich beliebt in der Verwendung. Auch da gibt es, wie Sie sicher wissen, leider eine europäische Diskussion zur Abschaffung dieser kleinsten Münzen.

Die großen Befürchtungen der Bargeldbefürworter liegen im Datenschutz. Elektronische Geldflüsse können gespeichert und nachverfolgt werden. Eine Vernetzung mit beispielsweise dem Gesundheitswesen würde für fatale Regulierungen sorgen. Wie sehen Sie diese Überwachungsmöglichkeit.
Kolm: Diese Befürchtungen sind wohl nicht ganz unbegründet, denn im unbaren Zahlungsverkehr sind ja etwa bei Karten US-amerikanische Unternehmen dominant bzw. am Vormarsch. Auch die Europäische Union sollte in diesem Zusammenhang da als strategische Prämisse noch stärker ihre eigene Datenhoheit im Fokus haben.
Aber um es klar zu sagen: Nur Bargeld kann wirklich maximal einen gläsernen Bürger im Bezahlverhalten verhindern. Niemand soll sich dafür interessieren, wo sie bestimmte Güter einkaufen. Ich lehne selbstverständlich auch jegliche Aufweichung von Datenschutzbestimmungen ab.

Ein bisschen erinnert die Einschränkung des Bargeldverkehrs oder gar dessen Abschaffung an die Einführung der Impfpflicht. Sie würde einen massiven Eingriff in die persönlichen Freiheiten bedeuten. Bei allen möglichen Vorteilen des digitalen Systems würde eine Durchsetzung desselben zu heftigen Widerständen führen. Welche Regierung und welcher Politiker sollen einen derartigen Eingriff in die Grundrechte durchstehen können?
Kolm: Der Wähler sollte genau hinsehen, wie sich die verschiedenen Gruppierungen da politisch positionieren bzw. aufstellen. Bargeld ist gedruckte Freiheit und ein echtes Gut! Aber klar ist auch: Wenn Bargeld nicht verwendet wird, geht es zurück bzw. ist leichter einschränkbar. Auch da ist eine Art Marktmechanismus bemerkbar. Es muss ja auch eine Infrastruktur für Bargeld vorhanden sein, denken Sie an die Versorgung durch Bankomaten. Je weniger Bargeld nachgefragt wird, desto schwieriger ist eine Versorgung mit Bargeld, daher mein Appell: Verwenden Sie möglichst oft Bargeld. Bargeld ist übrigens das einzige Zahlungsmittel, das immer und überall funktioniert. Denken Sie etwa an einen Blackout.

Um es klar zu sagen: Nur Bargeld kann wirklich maximal einen gläsernen ­Bürger im Bezahlverhalten verhindern.

Bei der Übernahme der elektronischen Bezahlung gerät die persönliche Kontrolle über seine Einnahmen immer mehr außer Kraft. Man sieht erst mit der Abrechnung, was man tatsächlich ausgegeben hat. Böse Überraschungen für den Einzelnen stehen dabei auf der Tagesordnung. Wie kann dergleichen verhindert werden?
Kolm: Völlig richtig, mit Bargeld haben Sie eine sehr gute Übersicht über laufende Ausgaben. Zum Glück gibt da aktuelle Trends von jungen Menschen, z.B. der Trend „cash stuffing“, der auf TikTok viral war. Da hat man sich z. B. ein übersichtliches Karteikästchen gebastelt, wo man sein Bargeld für verschiedene Ausgabenkategorien einordnet. Da sieht man sehr schön, dass auch junge Menschen gut den Vorteil von Bargeld im Sinne des Ausgabenüberblicks erkennen.

Wir befinden uns derzeit in einer veritablen inflationären Krise. Diese kommen und gehen. Auch in Zukunft wird man damit zu rechnen haben. Wäre da nicht das Bargeld in der Tasche ein wesentlicher Faktor, der eine sparsame Haltung der Einzelnen begünstigt. Ist nicht auch aus diesem Grund die Abschaffung des Bargeldes zu verhindern.
Kolm: Da würde ich auf das oben Gesagte verweisen und mich anschließen, dass Bargeld eine sparsame Verwendung der eigenen Mittel fördert.

Es taucht immer wieder die Forderung auf, den Gebrauch des Bargelds verfassungsmäßig zu verankern. Halten Sie das für sinnvoll, und erscheint eine diesbezügliche Umsetzung bei uns und in der EU im Bereich des Möglichen?
Kolm: Das halte ich für sehr sinnvoll! Wenn hier ein politischer Wille besteht, sehe ich da schon eine Möglichkeit, dies in Österreich zu verankern. Bezüglich der komplexen Entscheidungsfindung auf europäischer Ebene wissen Sie aber sicher, dass das keine leichte Aufgabe wäre. Es ist allerdings im europäischen Recht verankert, dass der Euro bzw. das Euro-Bargeld das gesetzliche Zahlungsmittel im Eurosystem ist. Es kodifiziert allerdings leider keinen absoluten Annahmezwang des Euro-Bargelds. Genau das wäre aber wünschenswert und unterstützen wir. Um Ihnen ein sinnvolles Beispiel zu geben: Kein Bäcker sollte beim Verkauf seiner Semmel am Tresen Euro-Bargeld ausschließen dürfen.

Es ist im europäischen Recht verankert, dass Euro-Bargeld das gesetzliche Zahlungsmittel im Eurosystem ist.

Welche Schritte, meinen Sie, wird die Oesterreichische Nationalbank unternehmen, um den Bargeldverkehr zu konservieren oder im anderen Fall abzuschaffen?
Kolm: Die OeNB spricht sich ganz klar für den Erhalt des Bargelds aus, betont in Presseaussendungen seine vielfältigen Vorteile und setzt da auch einiges an Initiativen in Österreich. Beispielsweise haben wir in der OeNB die Initiative „Plattform Bargeld“ gegründet.
Ziel ist es, den derzeit in Österreich sehr gut funktionierenden und hoch akzeptierten Bargeldkreislauf bzw. die Bargeldversorgung langfristig in gewohnter Qualität zu erhalten.
Diese Plattform umfasst u.a. Informationsarbeit zum Thema Bargeld und Initiativen zur nachhaltigen, zukunftsorientierten Positionierung des Bargeldes neben den unbaren Bezahlsystemen, die natürlich in einer modernen Gesellschaft auch ihren Platz haben. Die OeNB steht selbstverständlich für Wahlfreiheit im Zahlungsverkehr, und dessen tragende Stütze ist eben das Euro-Bargeld.
Bei dieser Plattform sind auch viele Stakeholder der Zivilgesellschaft dabei, wie WKO, AK, VKI, der Gemeinde- und Städtebund oder der Seniorenrat. Auf unserer Website finden Sie viele weitere Initiativen, etwa ganz aktuell die Informationsinitiative der Nationalbank zur Krisenvorsorge, die wir „Bargeld für alle Fälle“ nennen.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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Kampf ums Bargeld – ZZ Nr. 11/2023 - ZurZeit 16. März 2023 - 19:02

[…] Kolm im ZZ-Gespräch […]

Kampf ums Bargeld – ZZ Nr. 11/2023 | UNSER MITTELEUROPA 17. März 2023 - 12:11

[…] Barbara Kolm im ZZ-Gespräch Seite 34–35 […]

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