Brauchen wir einen Bundespräsidenten? – eine ZurZeit-­Podiumsdiskussion

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Autor: B.T. Bild: ZZ-Archiv Lizenz: –


“Ein Aktiver Präsident gewünscht” – Immer wieder wird die Frage gestellt, ob Österreich das Amt des Bundespräsidenten braucht. Nach Antworten auf diese Frage suchte am 12. September eine von ZurZeit veranstaltete Podiumsdiskussion

In der von ZZ-Herausgeber Andreas Mölzer moderierten Veranstaltung umriss der emeritierte Universitätsprofessor für Rechtsgeschichte und ehemalige Dritte Nationalratspräsident Wilhelm Brauneder die Entstehung des Amtes des Bundespräsidenten.

Die von ZurZeit-Herausgeber Andreas Mölzer (mitte) geleitete Podiumsdiskussion war hochkarätig besetzt: Professor Beutelmeyer, Professor Braunender und NR-Präsident Norbert Hofer (v.l.n.r.)

Dabei sei interessant, dass die junge Republik mehrere Modelle des Amtes des Staatsoberhaupts hatte. 1918, mit Gründung der Republik, wurde ein Kollegialorgan, nämlich das Staatsratsdirektorium geschaffen, in welchem die drei Präsidenten der Provisorischen Nationalversammlung vertreten waren. Ein ähnliches Modell hatte Jahrzehnte später die DDR. Nach etwa einem Jahr wurde der Präsident der Nationalversammlung, der Sozialdemokrat Karl Seitz, Staatsoberhaupt. Brauneder erklärte, dass das Modell des Parlamentspräsidenten als Staatsoberhaupt nicht auf große Zustimmung stieß, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, dass der Amtsinhaber dieses Amt nützen konnte, um eine Monarchie zu installieren. Als historisches Beispiel dafür nannte Brauneder den französischen Kaiser Napoleon III.

Der 1929 geschaffene „starke Bundespräsident“ konnte 1933 die Erwartungen nicht erfüllen.

Mit dem Inkrafttreten des Bundes-Verfassungsgesetzes ­(B-VG) 1920 wurde das Amt des Bundespräsidenten geschaffen, wenngleich mit weniger Kompetenzen und mit Wahl durch die Bundesversammlung. Mit der BVG-Novelle 1929 wurde das Amt des Bundespräsidenten – „als Gegengewicht zum Parlament“, wie Brauneder sagte – mit mehr Kompetenzen ausgestattet. Außerdem wurde die Volkswahl eingeführt, wenngleich aufgrund der historischen Ereignisse erst Theodor Körner 1951 der erste Bundespräsident war, der durch das Volk gewählt wurde.

Der “starke Bundespräsident” – ein Fehler?

Laut Brauneder erwies sich die Annahme von 1929, einen „starken Bundespräsidenten“ zu schaffen, als Fehler. Denn trotz seiner erweiterten Kompetenzen hat der Bundespräsident bei der Ausschaltung des Parlaments 1933 versagt.
Der Dritte Nationalratspräsident und FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat von 2016, Norbert Hofer, beantwortete die Frage, ob Österreich einen Bundespräsidenten brauche, mit einem klaren „Ja“. Allerdings brauche unser Land in der derzeitigen Lage ein aktives Staatsoberhaupt, was eine eindeutige Kritik an Amtsinhaber Alexander Van der Bellen darstellt, dem es in den vergangenen Jahren „nicht gelungen ist, Gräben zuzuschütten“. Weil VdB die Bundesregierung „gewähren ließ“, sei er für die derzeitige Lage mitverantwortlich.

„VdB hat einen Fehler gemacht, der einem Bundespräsidenten nicht passieren darf.“

Hofer machte auf einen großen Fehler Van der Bellens aufmerksam, „der einem Bundespräsidenten nicht unterlaufen darf“. Damit meinte der Dritte Nationalratspräsident, dass VdB nach dem Ende der beliebten schwarz–blauen Bundesregierung im Mai 2019 eine Regierung einsetzte, die im Parlament keine Mehrheit hatte. Bekanntlich wurde der Bundesregierung Kurz I nach dem Ausscheiden der FPÖ-Regierungsmitglieder und dem Einsetzen von vier von der ÖVP nominierten Experten vom Nationalrat das Vertrauen entzogen, was in der Geschichte Republik einen einmaligen Vorgang darstellte. Hofer betonte, wenn der Bundespräsident die Regierung entlassen will, müsse er sich vorher vergewissern, dass er im Parlament eine Mehrheit hat. Zudem ging Hofer auf die Forderung des ehemaligen FPÖ-Obmanns Jörg Haider nach einem starken Bundespräsidenten ein, der den Vorsitz im Ministerrat führt und eine Richtlinienkompetenz hat. Dies passe „nicht in unsere Zeit“.

Aktuelle Zahlen und Daten

Mit aktuellen Daten über die Stimmung im Lande wartete der Meinungsforscher und Leiter des „market“-Instituts, Werner Beutelmeyer, auf. Aufgrund seines Datenmaterials sieht Beutelmeyer aufgrund der derzeitigen Krisen eine Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik, die sich auch auf das Staatsoberhaupt niederschlage. Van der Bellens Werte sind seit Wochen im Sinken, und nach derzeitigem Stand müsste er in eine Stichwahl, da er in den Rohdaten nur mehr bei 34 Prozent liegt. Außerdem geht der Meinungsforscher von einer Wahlbeteiligung von 64 Prozent aus, was gegenüber der wiederholten Stichwahl im Dezember 2016 ein Rückgang von zehn Prozent wäre. Von den 16- bis 19-Jährigen wollen nur 44 Prozent zur Wahl gehen, von den 30- bis 39-Jährigen 58 Prozent und von den über 50-Jährigen 76 Prozent. „Die Jungen zeigen kein Interesse“, lautete Beutelmeyers Resümee.

Der Präsident soll eingreifen

Der Meinungsforscher wies darauf hin, dass laut Umfrage VdB 88 Prozent der Grün-Wähler der letzten Nationalratswahl zur Bundespräsidentenwahl bewegen kann, und der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat Walter Rosenkranz 80 Prozent der FPÖ-Wähler. VdB- und Rosenkranz-Wähler sind zudem mit 65 bzw. 72 Prozent überdurchschnittlich häufig dafür, dass der Bundespräsident in die Politik eingreifen und nicht nur repräsentieren soll. Von der Gesamtbevölkerung wünschen sich nur 60 Prozent ein aktives Staatsoberhaupt. Umgekehrt sind nur 13 Prozent der Österreicher der Ansicht, dass der Bundespräsident tatsächlich großen Einfluss auf die Regierungspolitik hat. Somit überrascht es nicht, dass sich 40 Prozent in Zukunft einen stärkeren politischen Einfluss des Bundespräsidenten wünschen, von den Rosenkranz-Wählern sogar 63 Prozent.

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