Beabsichtigt die Ärztekammer den Zusammenbruch des Gesundheitssystems?
Ein Unternehmen, das sich selbst als Telemedizin-Startup bezeichnet, wirbt auf seiner Netzseite für eine „Krankschreibung ohne Arztbesuch“. Man braucht nur anzuklicken, an welchem Wehwehchen man laboriert. Zur Auswahl stehen Erkältung, Rückenschmerzen, Blasenentzündung, Stress, Migräne und Regelschmerzen. Außerdem darf man dem Onkel Doktor die Anzahl der Krankenstandstage vorschlagen. Als Antwort kommt eine ärztliche Krankschreibung zurück, die als Krankenstandsbestätigung durch einen Wahlarzt gilt.
Das Ganze ist die elektronische Variante dessen, was sich millionenfach abspielt: Da schleppt sich der Kranke – hustend, schnäuzend und allenfalls fiebernd – zum Hausarzt und verlangt bei der Sprechstundenhilfe eine Krankmeldung für den Chef, die er ohne weiteres erhält. Bei Ärzten, welche der Sprechstundenhilfe vertrauen, genügt deren unleserliche Unterschrift. Gerade jetzt in der Grippezeit ist das gang und gäbe. Dadurch wird der Onkel Doktor vor überflüssiger Bürokratie entlastet, kann sich den schwereren Fällen widmen.
Kurz und gut: Damit sollten alle zufrieden sein. Doch wir sind in Österreich. Da bäumt sich die Ärztekammer (unter Medizinern als Ärschekammer minder wohlgelitten) auf. Einer der führenden Funktionäre der oft als reichlich überflüssig empfundenen Kammer stellt sich auf die Hinterbeine und wagt den Schritt ins Kabarettistische:
Ein Attest auszustellen, ist eine Gutachtertätigkeit. Ohne vorherige genaue ärztliche Untersuchung wäre es rechtswidrig. Der Mann zitiert § 55 des Ärztegesetzes, wo es heißt, ärztliche Zeugnisse seien nur nach gewissenhafter ärztlicher Untersuchung und nach genauer Erhebung der im Zeugnis zu bestätigenden Tatsaschen nach besten Wissen und Gewissen auszustellen.
Man darf sich das so vorstellen: Angesichts des enormen Patientenandranges sitzt der Kranke stundenlang im Wartezimmer unter Seinesgleichen, kommt dann endlich an die Reihe. Der Doktor nach einer genauen Untersuchung: Sie leiden an einem grippalen Infekt.
Dem Spaßvogel der Ärztekammer sei verraten: Ein Medicus, der sich an jene kuriose Vorschrift hielte, könnte sofort zusperren. Weil sich kein Patient zu ihm verirrt.
[Autor: E.K.-L. Bild: www.wikipedia.org/Víctor Santa María from Buenos Aires, Argentina Lizenz: CC BY 2.0]