Italien: Wird Giorgia Meloni die nächste Regierungschefin?

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Vox España Lizenz: CC0 1.0


Die patriotische Bewegung Fratelli d’Italia im Aufwind

Der Name Fratelli d’Italia ist der Nationalhymne Il Canto degli Italiani (dt. Das Lied der Italiener) entnommen und bedeutet auf Deutsch: Brüder Italiens. Die im Dezember 2012 gegründete Formation mit dem Kürzel FdI vermag sich am Beginn nur mühsam durchzusetzen.

Bei der Parlamentswahl im Februar 2013 tritt sie als Teil der Mitte-rechts-Koalition (Coalizione di centro-destra) um Silvio Berlusconi an und erreicht mit 1,96 % der Stimmen neun der insgesamt 630 Abgeordnetensitze. Im Mai 2014 scheitert die Partei bei der EU-Wahl mit 3,67 % der Stimmen relativ knapp an der 4-%-Sperrklausel.

Doch es geht aufwärts. Im Mai 2018 findet der nächste italienweite Wahlgang statt. Die FdI steigert im Abgeordnetenhaus ihre Mandatszahl von neun auf 32, außerdem stellt sie 18 der 315 Senatoren. Und bei der EU-Wahl im Mai vermag die FdI ihren Stimmenanteil auf 6,46 % zu steigern und erobert damit sechs der 73 italienischen Sitze im EU-Parlament.

Fratelli d‘Italia steht für eine konservative Gesellschaftspolitik; Schwangerschaftsabbruch, Leihmutterschaft, Genderpolitik, laxe Gerichtsbarkeit, Einwanderung – all dies wird abgelehnt. Desgleichen die Verhätschelung der Homosexuellen. Als hoher Wert gilt der Partei vor allem die traditionelle Familie, für die eine besondere finanzielle Förderung verlangt wird. Was angesichts der rasch sinkenden Geburtenziffer einheimischer Frauen vordringlich ist.

Seit März 2014 ist Giorgia Meloni FdI-Parteichefin. Die 1977 in Rom Geborene ist sozusagen ein Inselkind: Der Vater stammt aus Sardinien, die Mutter ist Sizilianerin. Darüber hinaus ist sie seit 2020 Präsidentin der europaweiten Parteienfamilie Europäische Konservative und Reformer (EKR). Noch vor der Gründung der FdI bekleidet sie in Silvio Berlusconis viertem Kabinett zwischen Mai 2008 bis November 2011 das Amt der Ministerin für Jugend und Sport.

Ihr politischer Weg ist durchaus bemerkenswert. 1992, im zarten Alter von fünfzehn Jahren, tritt sie einer Jugendorganisation bei, dem Fronte della Gioventù. Es handelt sich dabei um den Parteinachwuchs des 1946 von links-faschistischen Anhängern der „Republik von Salò“ gegründeten Movimento Sociale Italiano (MSI) des Giorgio Almirante.

1996 schließt Meloni die Hotelfachschule ab, kurz darauf wird sie Chefin der Azione Studentesca, der Studentenbewegung der Alleanza Nazionale (AN; Nachfolgepartei des MSI). Vier Jahre später tritt sie an die Spitze der AN-Jugend Azione Giovane. Die junge Aktivistin bewirbt sich bei der Parlamentswahl 2006 um ein Mandat der AN in der Region Latium, wird gewählt und bekleidet als jüngste Abgeordnete das Amt der Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses (der andere Teil des Parlaments ist der Senat).

Die Alleanza Nationale vereinigt sich 2009 mit einer anderen Partei, nämlich mit der Gruppe um Silvio Berlusconi (Forza Italia), zum Mitte-Rechts-Bündnis Popolo della Libertà (PdL). Aus Unzufriedenheit mit dem Führungsstil Berlusconis bildet sich 2012 die FdI.

Melonis Ziel ist es, die politische Rechte stärker denn je zu machen und der italienischen Nation wieder eine patriotische Regierung zu geben. Zum Faschismus habe sie ein unbeschwertes Verhältnis. Vielleicht denkt die Halb-Sizilianerin an den robusten Feldzug Benito Mussolinis gegen die Verbrecherorganisation Cosa Nostra (so heißt die Mafia auf Sizilien, die seit Generationen wegen  Mord und Schutzgeld-Erpressung verhasst und gefürchtet ist), ein Vorgehen, das 1927 infolge drakonischer Maßnahmen zur Freude vieler anständiger Bürger erfolgreich beendet werden kann. Erst 1943, bei der Invasion Siziliens durch die US-Amerikaner, zieht es so manchen Mafiosi aus den Vereinigten Staaten zurück in die alte Heimat.

Heute fragen sich die Medien: Wird Giorgia Meloni zur neuen Lichtgestalt der italienischen Rechten? Denn die Chefin der Fratelli d’Italia stiehlt den beiden alten Schlachtrössern Silvio Berlusconi und Matteo Salvini (Chef der Lega) zunehmend die Schau. Sich selbst beschreibt sich folgendermaßen:

„Ich bin Giorgia. Eine Frau, Mutter, Italienerin und Christin“ (Io sono Giorgia. Sonno una donna, sono una madre, sono italiana, sono cristiana.)

In den jüngsten Meinungsumfragen ist Melonis Partei mittlerweile bei 21 % Wähleranteil, während Salvinis Lega bei 15 % lahmt und Berlusconis Formation mit acht Prozent zu einer quantité négligeable geworden ist. Falls, so Meloni, das patriotische Lager bei der nächstjährigen Parlamentswahl gemeinsam antrete, so werde derjenige der neue Regierungschef sein, dessen Partei innerhalb des Bündnisses die meisten Stimmen erhalte. Die sympathische ragazza aus dem römischen Stadtteil Garbatella lässt freilich keinen Zweifel darin, dass sie diese Person sein will.

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