Österreich und Gazprom

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Autor: E.K-L. Bild: Wikipedia/52655f Lizenz: CC BY 3.0


Nehammers dilettantischer Versuch, im Handumdrehen arabisches Flüssiggas zu organisieren

Österreich ist, was Erdgas anlangt, zu vier Fünfteln von den Lieferungen aus Russland abhängig. Das ist seit geraumer Zeit bekannt. Um in Krisenzeiten einigermaßen die Versorgung der Industrie und der Haushalte mit Gas sicherzustellen ist eines wesentlich: eine möglichst randvolle Speicherung des eingeführten Gases. Österreich verfügt Gott sei Dank über natürliche Speicherräume in Gestalt der bereits erschöpften unterirdischen Gasfelder im Marchfeld. Freilich hat die dafür zuständige Ministerin, die Grüne Leonore Gewessler, kaum dafür gesorgt – unsere Speicherkapazität ist derzeit nur zu 17 % ausgenützt. Bei einem durch die russische Gazprom (Näheres siehe unten) verfügten Lieferstopp wäre die Lage ziemlich brenzlig.

Andere Staaten, ärmer als wir, haben da schon lange vorgesorgt. Zum Beispiel verfügt das kleine Litauen über einen sogenannten LNG-Terminal (wo man LNG, also verflüssigtes Erdgas, lagert und je nach Bedarf wieder in den gasförmigen Zustand umwandelt) in Klaipeda (Memel) an der Ostseeküste. Damit ist dieses  baltische Land nicht mehr von Lieferungen aus Russland abhängig. Die Speicherräume sowie die Vorrichtungen für die Verflüssigung sind so dimensioniert, dass man auch die beiden anderen baltischen Staaten Lettland und Estland (und teilweise sogar Finnland) versorgen kann. Die Rohrleitung Baltic Connection führt bis auf finnisches Gebiet. Finnland bezieht je die Hälfte seines Erdgases aus Russland sowie aus der Baltic Connection. Das relativ teure Flüssiggas kaufen die Litauer in Norwegen, den USA und im Mittleren Osten. Wirtschaftliche Unabhängigkeit hat ihren Preis.

Apropos Mittlerer Osten. Dieser Tage reist Kanzler Nehammer – der sich rhetorisch gegen Russland aus dem Fenster lehnt und dadurch einen Stopp der Gaslieferungen provoziert – mit Energieministerin Gewessler (samt Ackerbauministerin Elisabeth Köstinger im Schlepptau) in die Vereinigten Arabischen Emirate, um in Abu Dhabi neues Erdgas aufzutreiben.

Eine geradezu mitleiderweckende Aktion. Glaubt Nehammer tatsächlich, er könne jetzt eines der weltweit 660 Schiffe anmieten, die Flüssiggasse transportieren? Selbst wenn er eines der hochbegehrten  Schiffe erheischen sollte: In welchem LNG-Terminal sollte dann das Flüssiggas gespeichert, umgewandelt und auf welche Weise nach Österreich gebracht werden?

Einstweilen aber liefert Gazprom wie gehabt. Schauen wir uns das Unternehmen daher näher an. 1968 schließt das sowjetische Gas-Ministerium den ersten Gasliefervertrag mit dem westlichen Ausland; der Vertragspartner heißt – Österreich. Italien, (West-)Deutschland und Frankreich folgen.

Michail Gorbatschow ruft im August 1989 das Staatsunternehmen Gazprom ins Leben, das in den ersten Jahren im Korruptionssumpf versinkt. Erst Wladimir Putin räumt im Jahr 2000 auf, Aufsichtsratspräsident wird sein enger Freund Dmitri Medwedew, dem Vorstand steht Alexei Miller vor, ein Vertrauter Putins aus Sankt Petersburg.

Gazprom entwickelt sich, um einen Terminus aus der Wirtschaftswissenschaft zu bemühen, zu einer cash cow der Sonderklasse. Obwohl die russischen Gaskunden gleichsam zum Selbstkostenpreis bedient werden, bringen die Exporte riesige Erlöse, gleichzeitig steigt der Aktienkurs, denn Gazprom ist seit 1992 eine AG, wobei der russische Staat eine knappe Mehrheit hält. Der Betrieb ist 2007 das drittgrößte Unternehmen weltweit, sein Wert wird mit 360 Milliarden US-Dollar beziffert. Doch der Schiefergas-Boom in den USA führt zu einem Absturz an der Börse, heute wird die Marktkapitalisierung von Gazprom auf 70 Milliarden US-Dollar geschätzt. Das Unternehmen hält eine knappe halbe Million Mitarbeiter in Lohn und Brot.

Vorsitzender des Aufsichtsrats von Gazprom ist derzeit nicht, wie des Öfteren zu lesen ist, der ehemalige deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder, sondern – als Nachfolger von Dmitri Medwedew – ein enger Vertrauter von Wladimir Putin, nämlich Wiktor Subkow, ein ehemaliger russischer Regierungschef. Schröder hingegen sitzt dem Aufsichtsrat eines anderen großen Unternehmens vor, nämlich dem des Mineralölkonzerns Rosneft, ebenfalls mehrheitlich in Staatbesitz. Schröders jährliche Aufsichtsratsvergütung beträgt umgerechnet 600.000 Euro. Damit kann der SPD-Mann die rasch steigenden Energiepreise locker verkraften.

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