„Regierung wusste nicht mit dem Virus umzugehen“

by admin2

Medienberater Rudolf Fußi zu Corona, dem Medien-Management der Regierung und den ökonomischen Schwierigkeiten, die auf uns zukommen

Herr Fußi, wir reden seit zwei Monaten von einer außergewöhnlichen Situation auf der ganzen Welt, wie ist es Ihnen persönlich ergangen in den letzten Tagen?
Rudolf Fußi: Für mich persönlich war es relativ spannend. Einerseits war es die massivste Einschränkung, die ich bisher in meinem Leben erlebt habe, andererseits hat der erfolgte „Lockdown“ eine gewisse Entschleunigung gebracht. Man arbeitet von zuhause, man arbeitet sogar mehr, aber man ist zuhause. Ich hatte diese Erfahrung noch gar nicht gekannt, ich war in meinem Leben noch nie länger als zehn Tage auf Urlaub. Und ich war noch nie länger als acht Tage in meinem Wochenendhaus im Waldviertel. Und dort lebe ich nun seit 16. März ohne Unterbrechung.

Rudolf Fußi ist PR-Berater. 2002 initiierte er das„Volksbegehren gegen Abfangjäger“ und war später Vorstandsmitglied des börsennotierten Internet-TV-Dienstleisters webfreetv. com. Während der Nationalratswahl 2017 war Fußi Redenschreiber und Berater des SPÖ-Bundeskanzlers Christian Kern. (Bild: Fußi)

Also durchaus auch positive Erfahrungen, mit oder ohne Einkommenseinbußen?
Fußi: Absolut auch positive Erfahrungen. Von Einschränkungen in fi nanzieller Hinsicht sind wir natürlich auch etwas betroffen, wir haben zum Beispiel geplante Werbekampagnen in den Herbst verschieben müssen. Ich gehöre allerdings sich nicht zu jenen, die ganz massiv von der Krise betroffen wurden. Bei uns in der Kommunikationsbranche ist die Arbeitsleistung eher erhöht als gesenkt. Da bekommt man bei uns vieles recht gut mit, was da so abläuft.

Das Interessante in dieser Krise ist wohl auch, dass es auf der ganzen Welt ja fast eine konforme Entwicklung gibt. Beim einen gibt etwas mehr Infizierte, beim anderen etwas weniger. Aber weitgehende Einheit dürfte wohl die Zustimmung in der Öffentlichkeit zu den getroffenen einschränkenden Maßnahmen geben?
Fußi: Na ja, das wird sich schon etwas unterscheiden. Wenn man da sieht, was Brasilien oder Amerika und auch andere
machen, so erkennt man sehr wohl Unterschiede. Von asiatischen Ländern zu europäischen beispielsweise, was aber alle eint, ist die Angst. Wir erleben, so glaube ich, derzeit eine Unsicherheit und eine Angst, die wir so einheitlich bisher nicht hatten. Ich habe dabei den Eindruck, dass Europa völlig unvorbereitet davon getroffen wurde.

Europa ist zwar unvorbereitet getroffen worden, allerdings scheinen die Umstände gar nicht so schlimm zu wirken, betrachtet man die weltumspannende Bedrohung im Verhältnis zu kleineren Epidemien, mit mehr Todessopfern in der Vergangenheit, wie der Infl uenza etwa?
Fußi: Ich glaube mit der „Influenza“ kann man das wahrscheinlich gar nicht vergleichen, weil einfach einzelne Parameter völlig anders laufen. Auch scheint es diese Uniformität auch gar nicht überall zu geben, denken Sie nur an die unterschiedlichen Vorgaben für die Abstände oder wer Überträger sein kann und wer nicht. Sind Vorerkrankungen erforderlich oder nicht… es gibt also schon eine Vielzahl in der Herangehensweise zu diesem Thema. Es ist auch keinesfalls gleichermaßen geklärt, wie mit den klassischen, liegen gebliebenen, Fällen verfahren wird.

Die sind offenbar gänzlich in den Hintergrund getreten…?
Fußi: Ob das jetzt richtig ist oder falsch? Die Frage ist, was tut man in so einer Krisensituation. Ich bin der Meinung, dass der „Lockdown“ völlig richtig und alternativlos war, aber völlig zu spät erfolgt ist. Und dass darüber hinaus nun alles, das unter dem Titel „wir fahren wieder hoch“ firmiert, völlig überzogen und empirisch nicht belegbar passiert. Die einen dürfen aufsperren, die anderen nicht, wir wissen nicht aufgrund welcher Expertenempfehlungen welche Dinge umgesetzt werden. In einem Papier heißt es 120.000 Tote, Kurz spricht von jedem Österreicher, der zumindest einen Corona-Toten kennen würde im Laufe der Krise, es war das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben stand, schon von allem Anfang an in keinerlei Form. Da hätte die gesamte Bevölkerung Österreichs erkranken müssen, völlig illusorisch und das bei einer Sterblichkeit von unter zwei Prozent der Getesteten, die wir tatsächlich haben. Alles völlig ausgeschlossen. Aber im Nachhinein hat man da leicht reden.

Da gibt es aber Leute, die sagen, es war notwendig, Angst zu verbreiten…?
Fußi: Das mag sogar sein und erscheint sogar richtig, allerdings keinesfalls, wenn man sich das unter dem Gesichtspunkt der Moral anschaut oder der Transparenz. Da ist das äußerst skeptisch zu sehen. Durch die massive Angstmache ist es gelungen, den „Lockdown“ zu durchschreiten, das ist gelungen, hat aber zu lange gedauert und jetzt gelingt es eigentlich nur schlecht, die Angst wieder weg zu bekommen, wo wir daraus herausschreiten sollten. Wir haben jetzt nachweislich Unsicherheit in der Gesellschaft.

Das allgemeine Empfi nden ist aber zumindest zwiespältig?
Fußi: Ja, wir haben da die einen, die sagen, „schau, da sind so viele auf der Straße“, und andere, die fragen, „na, was soll denn da schon passieren?“ In Wahrheit weiß niemand, wer Recht hat.

Lassen wir einmal das Medizinische beiseite und das Verhalten der Experten. Interessant erscheint mir das Verhalten der Massenmedien. Die gehen eigentlich alle in eine Richtung: „Unterstütze die Regierung, wo du nur kannst!“
Fußi: Na ja, der Eindruck ist ja richtig. Warum ist das so? Das ist so, weil es in manchen Gegenden wirklich zum Fürchten war und das nicht nur wegen der Toten. Mancherorts gab es kaum Schutzausrüstungen für Ärzte, keine Kleidung, keine Masken ganz zum Unterschied von Wien. Deshalb war man hier auch nicht so genau, wenn es um die Berichterstattung der eigenen Fehlleistungen ging. Die täglichen Pressekonferenzen dienten in erster Linie der Inszenierung und der Bewerbung der „Erfolge“ der eigenen Regierung. Die zeitweilige inhaltliche Substanzlosigkeit war wohl der Tatsache geschuldet, dass die Regierung selbst nicht wusste, wie sie mit dem Virus umgehen sollte.

Warum aber spielen die Medien bei dieser Angelegenheit so begeistert mit?
Fußi: Es ist in manchen Fällen ganz, ganz schlimm, wie die Regierung Kurz/Kogler sich teilweise die Medien durch Zahlungen gefügig macht. Die Medien sind ja alle ökonomisch schwerst betroffen. Wenn man die Wirtschaft herunterfährt wegen der Krise, gibt es auch keine Werbeaufträge. Wenn dann der Herr Fleischmann (Pressesprecher und Medienbeauftragter des Bundeskanzler Kurz Anm. d. Red.) anruft und sagt, „da habt´s a bissl Geld“ wird keiner aufl egen, sondern intern weitergeben „jetzt, wo wir a bissl Geld kriegn, seid´s a bissl brav“. Was hier bei privaten Medien funktioniert, geschieht wohl auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Wenn ich mir die Dauerübertragungen der substanzlosen Pressekonferenzen anschaue, kann man sich das nicht anders vorstellen.

Stellt sich das eigentlich überall so dar?
Fußi: Man muss wohl fairer Weise dazu sagen, es ist ja nicht „die Wirtschaft“ betroffen. Es sind einzelne Branchen der Wirtschaft betroffen. Wir sind ein Tourismusland. Österreich lebt von den Exporten, wir haben zum Beispiel einen viel höheren Anteil des Tourismus am BIP als Deutschland. Wenn so wie jetzt der Tourismus heruntergefahren wird, ist die Wiener Innenstadt leer. Das sind die Folgewirkungen, an denen wir noch jahrelang herumzudoktern haben werden.

Da lässt sich aber wohl nicht allzu viel dagegen unternehmen?
Fußi: Was ich nicht verstehe ist, warum das alles so kompliziert und bürokratisch laufen muss. Es kann sich praktisch jeder ausrechnen, dass jeder der 100.000 arbeitslosen Kleinunternehmer, die ich als Staat durchfi nanzieren muss bis zur Pensionierung mit der Arbeitslosen und der Mindestsicherung, erheblich teurer kommt, als wenn ich mich mit jetzt mit 20.000 Euro im Monat bemühe, den Betrieb kurzfristig über Wasser zu halten. In drei bis fünf Jahren kann ich mir dann anschauen, was der Betreffende dann zurückzahlen muss oder nicht. Diese Pragmatik fehlt mir völlig und ist wohl der Tatsache geschuldet, dass die meisten dieser Programme von Leuten geschrieben wurde, die noch nie in ihrem Leben in einem Unternehmen gearbeitet haben.

Man hat jetzt ein bisschen den Eindruck, die Medien hätten jetzt das Gefühl, sie müssten schön langsam etwas kritisieren, denn allmählich wird es schon ein bisschen fad, wenn die Lobhudelei so weitergeht?
Fußi: Nein, ich glaube einfach, dass diese Bilder aus Wuhan oder Bergamo uns alle kollektiv tief geschockt haben. Wir waren wohl alle der Meinung, „wir wollen das nicht bei uns“, wir müssen alles dazu tun, dass so etwas nicht zu uns kommt. Keiner wusste eigentlich wirklich, wie groß die Gefahr damals wirklich war. Braucht man Masken für die breite Bevölkerung, oder braucht man keine, muss man die Kinder zuhause lassen aus Schule und Kindergarten oder nicht, etc.. Das musste alles so schnell und kurzfristig entschieden werden, da kann man auch als politisch anders Denkender so fair sein, dass man heute sagen muss, das kann man so oder so ma chen. Im Nachhinein ist man dann immer g´scheiter. Es wäre vermessen, heute zu behaupten, ich hätte in der größten Krise der Zweiten Republik besser gehandelt.

Trotzdem sollte man heute die Frage stellen, wie soll es weiter gehen?
Fußi: Man könnte heute, nachdem bei uns der erste Teil als überwunden gilt, einmal in den anderen Ländern schauen, was die vielleicht besser gemacht haben. Im nächsten Schritt gilt es dann zu schauen, ob es ein Medikament gibt oder einen Impfstoff, mit dem man die Bevölkerung impfen kann. Das wird wohl noch einige Zeit dauern. Jetzt aber gehört einmal Aufklärung dazu, wie es auch in anderen Ländern gemacht wird. Und es geht letzten Endes auch darum, die Eigenverantwortung zu stärken. Wir brauchen also einen klaren gesundheitspolitischen Plan. Und da geht es natürlich in erster Linie auch darum, möglichst schnell Geld zu den richtigen Leuten zu bringen, weil sonst die Folgekosten dramatisch höher sein können. Es kommt da eine ziemlich unlustige Zeit auf uns zu, weil ganz bestimmt irgendjemand das bezahlen wird müssen, was wir jetzt ausgeben.

Auch für Österreich wird das wohl nicht ganz einfach werden!
Fußi: Wenn ich mir anschaue, wie hoch wir in Österreich bereits belastet sind bei den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen und auch bei den Selbständigen, wohl wahr! Man wird sich hier wohl sehr genau überlegen müssen, wo man Geld herbekommt, ohne dabei die Konjunktur abzuwürgen. Das wird jetzt die hohe Kunst sein, und das bitte sehr, traue ich dieser Regierung keinesfalls zu.

Das Gespräch führte Walter Tributsch

[Autor: Bild: Pxhere Lizenz: ]

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