“Zensur und Meinungsjustiz sind im Fortschreiten”

by admin2

Martin Sellner zu der Identitären Bewegung, den Zwangsmaßnahmen gegen seine Person und zum österreichischen Rechtsstaat

Österreich ist ein Rechtsstaat, es ist eine entwickelte Demokratie. Ist das auch Ihr Eindruck?
Martin Sellner: Ehrlich gesagt, kann ich diesen Eindruck nicht mehr in dieser Form teilen. Für mich ist Österreich leider keine funktionierende Demokratie mehr. Ich bin der Meinung, dass über bestimmte Mittel und Möglichkeiten, über mediale Dämonisierung, über Zensur, bis hin zu schikanösen Verfahren eine politische Richtung permanent angegriffen wird. Das ist meine persönliche Erfahrung mit der österreichischen Gesellschaft, den Medien und dem Rechtsstaat der letzten drei Jahre.

Martin Sellner ist Obmann der Identitären Bewegung Österreich (Bildquelle: siehe Textende)

Rein formell müsste es aber noch stimmen. Wir haben eine repräsentative Demokratie, mit gewählten Volksvertretern, die Gesetze beschließen und einer Regierung, die diese dann exekutiert. Haben Sie an diesen formellen Gegebenheiten auch etwas auszusetzen?
Sellner: Überhaupt nicht. Formell haben wir eine Demokratie und es ist auch wichtig, dass wir sie haben. Das Problem ist aber, dass Demokratie bei der freien Meinungsbildung im Volk beginnt. Das ist das wichtigste Korrektiv einer Demokratie für eine falsche Politik, zum Beispiel in der Frage der Migration oder von Corona.  Meinungen müssen sich frei bilden können, über Meinungsfreiheit und Handlungsfreiheit. Wir befinden uns hier aber auf verschiedenen Ebenen. Ich würde sagen durch Zensur, Meinungsparagraphen und eine Meinungsjudikatur, die immer weiter im Fortschreiten sind. Dadurch wird das Volk gehindert, sich zu organisieren, um dann in weiterer Folge auch einschreiten zu können. Das Problem mit der Demokratie beginnt im vorpolitischen und metapolitischen Raum.

 Sie haben unter anderem angesprochen, dass auch die Zuwanderungspolitik eine Einschränkung der demokratischen Verhältnisse in Österreich bedeutet. Nehmen wir die Zustände in den USA, die ja ganz großen Wert auf ihre demokratischen Verhältnisse legt, so ist das ein klassisches Einwanderungsland. Wie sollen wir das verstehen?
Sellner: Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Das Volk, als Wahlvolk aber auch als eine historisch gewachsene Identität ist das Rückenmark einer Demokratie. Die Entscheidungsgemeinschaft ist die Basis der Demokratie. Auch in den USA, einem klassischen Einwanderungsland gab es bis 1965 restriktive Einwanderungsgesetze mit einer Migrationsquote, die verhindern sollte, dass sich das Wahlvolk in Amerika radikal verändert und spaltet. Das wurde in weiterer Folge verändert. Nun sehen wir in allen westlichen Ländern von der USA über London bis hin zu Wien wo eine Generation von Einwanderern ganz gezielt zuwanderungsfreundliche Parteien wählen und langfristig, und das ist auch ein wichtiger Punkt meiner Identitären Bewegung, die Demokratie demographisch unterminieren und zerstören.

Wenn wir noch ein bisschen bei der Einwanderung bleiben, so ist zu vermerken, dass wir in Wien mindestens zwanzig bis dreißig Prozent an Zuwanderung haben. Warum schaffen die es nicht, mit eigenen Listen durchzukommen.
Sellner: Das ist ein ganz bekanntes Phänomen der sogenannten „ethnischen Wahl“, das man schon in anderen Ländern, wie zum Beispiel England oder Belgien beobachten konnte. Die Blockwahl ist absolut „kandidatenorientiert“. Wenn Parteien, wie die SPÖ Kandidaten mit Migrationshintergrund aufstellt und sich die Parteispitze auf lokaler Ebene mit den Moscheeverbänden und den Patriarchen gutstellt, dann wählen die Zuwanderer selbstverständlich auch etablierte Parteien.

 Das heißt, wenn die SPÖ beispielsweise ein Moscheeprojekt unterstützte würden die Einwanderer zu ihr gehen, weil die mächtiger ist und nicht zu einer Migrantenpartei.
Sellner: Exakt, es geht hier nicht um eine Ideologie, es geht um den Zugriff auf Steuermittel, um Staats- oder Ländermittel. Das können etablierte Parteien in der Regierung gewähren. Das kann kippen und sich verändern, insbesondere dann, wenn das migrantische Elektorat stärker wird und schon migrantische Leute, die Jus studiert haben, auf den Plan treten. Ich prophezeie in den nächsten zwanzig Jahren das Hochkommen starker Migrantenparteien.in Wien. Bis dahin werden die Zuwanderer aber einwanderungsfreundliche Parteien wählen …

 … also Grüne und Rote …
Sellner: … Grüne, vornehmlich aber die Roten in Wien, denn die haben Zugriff auf budgetäre Mittel, um die Interessen dieser Klans zufriedenzustellen. Dazu gibt es auch einschlägige Literatur vor allem aus London, wo es dieses Problem mit Migrantenkanditaten auf den Listen der Torys und Whigs schon lange gibt. Wichtig ist, dass es immer eine „Blockwahl“ ist. Das heißt der gesamte ethnische Block geht entweder zu der einen oder anderen Partei, je nachdem wer bessere Zugeständnisse bieten kann. Erst ab einem Migrationsanteil von 40 Prozent und mehr kommen Migrantenparteien ins Spiel.

Können sie ganz kurz schildern, wie Sie zur Gründung der Identitären in Österreich gekommen sind!
Sellner: Es war 2012, als ich eine Aktion der französischen Identitären beobachtet hatte. Sie hatten damals eine Moschee besetzt, die in dem geschichtsträchtigen Ort Portier gebaut werden sollte. Es waren alles junge, sympathische Menschen, die sich auch unverhüllt mit leicht erkennbaren Gesichtern zeigten. Alles war sehr professionell und hat mich so beeindruckt, dass wir auch in Österreich eine patriotische NGO und patriotischen, friedlichen Aktivismus im „Greenpeace-Stil“ brauchen könnten. Das führte schließlich zu dem Beschluss, gemeinsam mit anderen Gleichdenkenden dasselbe auch hier zu unternehmen.

Wie ist das dann konkret geworden?
Sellner: Der erste Schritt war eine Aktion am Schwarzenbergplatz am Balkon der Europäischen Aktion für Grundrechte. Es war damals der Beginn der Migrationskrise. Unsere Protestaktion gipfelte in der Forderung: „Einwanderung stoppen!“ Das ging auch über die Medien. Rudi Fussi hat damals gesagt, man müsse uns mit einer Panzerfaust herunterschießen. Dazu gab es auch begleitende Videos. So begann dann ein sehr starker aktionsbezogene Aufstieg der Identitären mit einer Reihe weiterer Maßnahmen, angefangen mit Aktionen gegen Stücke von Elfriede Jelinek bis hin zu Zaunbauaktionen an der österreichischen Südgrenze. Gegipfelt hat das schließlich im Mittelmeer, wo wir ein Schiff gechartert hatten, um die Schlepperaktion zu dokumentieren und ihre Illegalität aufzudecken.

Hier sind wir bei einer speziellen Art von Zensur. Wenn solche Aktivitäten ihrerseits, oder anderer rechter Organisationen stattfinden, dann ist das schlecht und muss bekämpft werden, wenn das Linke machen dann ist das Aktionismus, gehört einfach zur lebendigen Demokratie und ist zu begrüßen. Wie sehen sie diesen Unterschied?
Sellner: Diese Heuchelei aufzudecken, war für uns ein ganz entscheidendes Anliegen. Ich hatte auch meine persönlichen Erfahrungen im rechten Lager gemacht und viele dieser Bewegungen als militant in der Wahl ihrer Mittel empfunden. Wir wollten mit friedlichen Mitteln Missstände aufzeigen, haben uns an Ghandi orientiert und versuchen einzulösen, was eine Demokratie ausmacht. Dass es freie Meinungsbildung und -äußerung gibt, soweit damit keine Gesetze übertreten werden. Im Endeffekt haben wir dann gemerkt, dass es völlig egal ist, wie friedlich und transparent wir auftreten es ist auch vollkommen egal ob wir uns an die Gesetze halten, die ohnehin schon im Meinungsbereich eingeschränkt sind. Es gab auch keine einzige Verurteilung wegen Verhetzung. Allein unsere Existenz ist eine Zumutung für diese Eliten.

 

Die ethnische Wahl unterminiert die Demokratie und zerstört sie in weiterer Folge.

 

Üblicherweise werden rechte Gruppierungen, wie zum Beispiel die Burschenschaften immer wieder mit Nazibeschimpfungen wegen der Zugehörigkeit einzelner Altvorderer zu den Nationalsozialisten, bedacht. Sie, als Identitäre haben dies aber stets abgelehnt, werden aber trotzdem angegriffen, wie kommt das?
Sellner: Das habe ich mich auch immer wieder gefragt. Wir hatten immer jede Form von Totalitarismus abgelehnt, dies auch als ein Selbstverständnis nach innen. Eigentlich hätte es man ja von staatlicher und auch von linker Seite begrüßen müssen, dass es eine rechte Gruppierung gibt, die junge Leute anzieht, die glasklar gewaltfreien Aktionismus propagiert. Es gab niemals Übergriffe unsererseits, unsere Energie ist immer in friedliche Dimensionen gelenkt worden. Ich glaube, dass es Angst war vor Institutionalisierung, auch vor unserem Wachstum vor allem in den Sozialen Medien. Wir waren die stärkste Jugendgruppe, noch vor der jungen ÖVP, der Jungen SPÖ usw. bevor man uns alles abgedreht hat.

Können sie das auch mit Zahlen belegen?
Sellner: Ja, wir hatten mit 130.000 bis 140.000 „likes“ auf“ Facebook mehr als die Jugendorganisationen der anderen Organisationen und Parteien.

Wie ist es Ihnen persönlich als Aushängeschild der Identitären ergangen? Haben Sie da gleich von Anfang an Widerstand und Zwangsmaßnahmen festgestellt?
Sellner: Zuerst einmal war es gewissermaßen ein Schock. Junge Rechte, die sich artikulieren können und nicht zu den akademischen Rechten gehörten. Was sonst noch rechts , jung und aktiv war, kam einfach in anderer Form daher. Die Experten haben zuerst von alten Nazis gesprochen, die einfach in einem neuen Gewand daherkämen. Nach einer, ein Jahr dauernden Findungsphase haben sich dann die Medien auf uns eingeschossen. Sie sprachen von einer neuen Gefahr und versuchten uns, im speziellen mich, zu dämonisieren.

 

Mittlerweile wurden mir 22 Bankverbindungen gesperrt, ich musste damit ins Ausland auswandern.

 

Kann das etwas mit der EU und ihren Bestrebungen, alles identitäre abzulehnen und ihre Vereinheitlichung voran zu treiben zu tun haben?
Sellner: Ja natürlich. Hier spielt auch die Internationalität unserer Bewegung eine Rolle. Eine Gruppe junger patriotischer Akteure, die in verschiedensten Ländern ihre Sektionen und Gruppen hat. Das hat sicher Grund zur Sorge geliefert. Immerhin waren damit eine stärkere Mobilisierungskraft und auch Finanzierungskraft geführt. Einzelne Aktionen waren nur aufgrund der europäischen Ausrichtung möglich.

Können Sie Restriktionen nennen, die Sie persönlich betroffen haben?
Sellner: Mit der medialen Dämonisierung wurde sehr früh begonnen. Die Schlagzeiten über ein offensichtlich so rechtsradikales Familienmitglied sind auch für Angehörige nicht lustig. Sehr rasch begann dann eine Kaskade an Zensur- und Löschungsmaßnahmen. Mittlerweile wurden mir 22 Bankkonten gesperrt, ich habe damit ins Ausland abweichen müssen. Um meine Steuern zu bezahlen habe ich ein Grund- und Basiskonto, das Konto der Pleitiers beantragt, dann wurden mir auch alle sozialen Plattformen gelöscht, ein E-Mail-Service hat mir den Dienst verweigert, ich habe jetzt Einreiseverbote nach England und Einreisebeschränkungen nach Kanada und den USA. Ich kann daher die Familie meiner Frau in Amerika nicht mehr besuchen. Dazu kommen Schmieraktionen vor meiner eigenen Wohnung wie „Sellner, du Schwein, wir kriegen Dich“ und natürlich auch weitere im öffentlichen Bereich. So ergeht es aber wohl so manchem rechten Akteur.

Wie geht man damit um, das ist doch auch eine psychische Belastung.
Sellner: Ist es zweifelsohne. Das Mühsamste ist dabei die Löschung von Bankverbindungen. Da müssen alle Abbuchungen und Überweisungen neu geregelt werden, auch Spendengelder fallen aus. Ich will hier aber nicht lamentieren, denke ich nur an andere Verfolgungen in totalitären Regimen. Oppositionelle wurden dort zu jeder Zeit verfolgt. Ich stelle mir die Frage, befinden wir uns in einer echten Demokratie oder haben wir eine totalitäre Bewegung. Gerade die Identitäre Bewegung mit ihrem unübersehbaren Auftreten ist hier ein Prüfstein für die Demokratie. Wenn man austesten will, ob wir wirklich Freiheit haben oder gibt es da eine unsichtbare, gut verborgene Barriere, dann fordert das auch Opfer.

 

Jetzt wurde ich zum achtzehngefährlichsten Menschen der Welt erkoren.

 

Wie ist es nun mit der Behinderung über die Sozialen Medien?
Sellner: 2018 nach der „Alpenaktion, sind uns sämtliche „Sozial Media“ weggebrochen. Mittlerweile ist es so, dass das Lambda, unser Logo, von Facebook ebenso erkannt wird, wie mein Gesicht und automatisch der Löschung zum Opfer fällt. Verschärft wurde das dann noch mit den Terrorermittlungen gegen mich.

Das ist ja nun mit den gewonnenen Prozessen vom Tisch, oder doch nicht?
Sellner: Die Berichterstattung über die Einstellung des Verfahrens ging unter, und die 24 Titelseiten, die mich unter Terrorverdacht gebracht haben bleiben bestehen. Die Medien haben eine wirklichkeitsschaffende, normetablierende Kraft entfaltet. Mittlerweile wurde ich auch als einer der achtzehn gefährlichsten Menschen der Welt eingestuft. Das ist beachtlich aber auch erschreckend. Und absurd …

… und dass alles wegen des erhobenen Terrorverdachts?
Sellner: ja, dabei wurde nicht nur das Verfahren eingestellt, auch alle Razzien wurden als ungerechtfertigt deklariert. Das Oberlandesgericht hat auch mehrfach gesagt, dass es niemals einen Tatverdacht gab und dass es nicht versteht, warum die Staatsanwaltschaft beharrlich das Verfahren weiterführen wollte. Das Verfahren hat selber den Verdacht entstehen lassen, der ja der ursächliche Grund für die Einleitung des Verfahrens hätte sein sollen.

In welche Richtung soll es nun weitergehen?
Sellner: Unser Aktivismus lebt von der Widerstandskraft und dem Idealismus der Jugend. Beides besteht, wie ein Gebirgsbach, der eine Zeitlang im Untergrund fließt und dann wieder an die Öffentlichkeit kommt. Nachdem wir die Prozesse gewonnen haben müssen wir mit weiteren Repressalien rechnen. Das Symbole-Verbot steht ins Haus. Plus, und das ist jetzt ganz neu, vier Aktivisten von uns haben ein Dachbetretungsverbot bekommen. Dass wir keine Bundesgebäude im Bereich Wien betreten und keine Banner hissen dürfen. Wir werden aber andere Mittel und Modi finden. Selbstverständlich werden wir unsere Aktivisten nicht ins offene Messer laufen lassen, wir bleiben aber auch klar auf unserem friedlichen demokratischen Weg. Unser Ziel ist es in diesem Land Protestpotentiale sichtbar zu machen und vor allem der patriotischen Jugend eine Plattform zu geben wo sie ihren Unmut äußern kann.

Das Gespräch führte Walter Tributsch

[Autor: Bild: Martin Sellner: Wikipedia/Bwag Lizenz: CC BY-SA 4.0; Bild: IBÖ: Wikipedia/Ataraxis1492 Lizenz: CC BY-SA 3.0]

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