Liechtenstein: Frauen an die Macht?

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Vor der Neuwahl des Landtages in Vaduz

Am 7. Februar steht bei unserem kleinen Nachbarn Liechtenstein die Neuwahl des Parlaments an. Im bisherigen Landtag (25 Sitze) ist die FBP (Fortschrittliche Bürgerpartei) mit neun, die VU (Vaterländische Union) mit acht Mandaten vertreten. Die restlichen Sitze teilen sich Kleinparteien: die grüne FL (Freie Liste) sowie die DpL (Demokraten pro Liechtenstein) mit jeweils drei und schließlich die DU (Die Unabhängigen) mit zwei Vertretern. Traditionsgemäß bilden die beiden größeren Parteien eine Koalitionsregierung, die aus fünf Mitgliedern mit Regierungschef Adrian Hasler (FBP) an der Spitze besteht, wobei der jeweilige Parteiname bei ausländischen Beobachtern leicht zu falschen Schlüssen führen kann: Die Vaterländische Union ist nämlich eine Mitte-Links-Gruppierung mit enger Verbindung zur Gewerkschaft namens Liechtensteinischer ArbeitnehmerInnenverband, während die Fortschrittliche Bürgerpartei als konservativ einzustufen ist. Allerdings sind die ideologischen Unterschiede weniger ausgeprägt als in anderen Staaten, vor allem sind die beiden Parteien eines, nämlich fürstentreu.

Denn in Liechtenstein ist die Souveränität zwischen Fürst und Volk geteilt. Jedes Gesetz bedarf zu seiner Gültigkeit der Sanktion des Landesfürsten (Art. 9 der Verfassung), Gerichtsurteile ergehen Im Namen von Fürst und Volk (Art. 95). Seit 1989 heißt der Regierende Fürst Hans Adam II. (76); er hat allerdings am 15. August 2004 die Führung der Regierungsgeschäfte und die Ausübung der dem Fürsten zustehenden Hoheitsrechte an seinen ältesten Sohn, dem Erbprinzen Alois (53), übergeben. Dies gemäß Artikel 13bis (das hochgestellte „bis“, „ter“ usw. ist eine Eigenheit der Schweiz für später eingefügte Paragraphen; bei uns würde das  13a, 13b usw. heißen), der da lautet: Der Landesfürst kann den nächsterbfolgeberechtigten volljährigen Prinzen seines Hauses wegen vorübergehender Verhinderung oder zur Vorbereitung für die Thronfolge als seinen Stellvertreter mit der Ausübung ihm zustehender Hoheitsrechte betrauen.

Auch Hans Adam übte seit 1984 als Erbprinz die Regierungsgeschäfte für seinen Vater Franz Josef II. aus. Die schrittweise Übertragung der landesherrlichen Aufgaben an den Nachfolger ist keine liechtensteinische Spezialität, sondern wird auch in Luxemburg so gehandhabt. Dies seit Generationen: Bereits 1902 übernimmt der damalige Erbgroßherzog Wilhelm die Regierungsgeschäfte für seinen Vater Adolph, der 1905 für immer die Augen schließt.

Freilich: Hans Adam II. ist weiterhin Staatsoberhaupt, behält sich bestimmte Rechtsakte vor und kann darüber hinaus jede Sache an sich ziehen. Zudem bleibt er Oberhaupt der Familie derer von und zu Liechtenstein. Nebenbei: Der Fürst hält sich die meiste Zeit in Wien auf, lebt behaglich in seinem Stadtpalais in der Bankgasse unweit des Burgtheaters.

Zurück zur Wahl im Februar. Im Vorfeld des Urnenganges, wobei beim letzten Mal mehr als 95 % der Bürger die Briefwahl bevorzugen, zeigt sich ein erstaunliches Phänomen. Denn diesmal ist es eine Frau, der die besten Chancen für das Amt des Regierungschefs eingeräumt werden. Es handelt sich dabei um die Diplomatin Sabine Monauni (47) von der FBP. Sie leitet derzeit die liechtensteinische EU-Botschaft in Brüssel. Ihr Gegenkandidat von der VU ist der gegenwärtige Infrastrukturminister Daniel Risch. Er setzt alles auf eine Karte: Falls er nicht Regierungschef würde, dann scheide er aus der Politik aus.

Weswegen ist ein weiblicher Regierungschef in Vaduz ein erstaunliches Phänomen? Deswegen, weil das Fürstentum als letzter europäischer Staat das Frauenstimmrecht eingeführt hat. Anno 1984. Und das nach mehreren Anläufen.

Bei einer rechtlich unverbindlichen Abstimmung am 4. Juli 1968 sprechen sich 60,2 % der Männer gegen ein Frauenstimmrecht aus. Bei jener Abstimmung dürfen auch Frauen mittun. Das erstaunliche Resultat: Bei einer Teilnahme von 61 % der Frauen stimmt bloß eine knappe Mehrheit von 50,5 % für das Stimmrecht. Umgelegt auf alle Frauen im Fürstentum bedeutet das: Bloß eine Minderheit der Frauen – rund dreißig Prozent – will bei Wahlen mitstimmen und damit auch die Last der Verantwortung für das Gemeinwohl gemeinsam mit den Männern tragen!

Am 26. und 28. Februar 1971 lehnen die stimmberechtigen Männer per Referendum bei einer Beteiligung von 85,9 % mit 1897 (51 %) gegen 1816 Stimmen (48,9 %) die Einführung des Stimmrechts für die weiblichen Mitbürger knapp ab. Bei einer weiteren Volksabstimmung (9. und 11. Februar 1973; Beteilung 86 %) ist das Ergebnis bei den bekannt knorrigen Mannsbildern des Fürstentums bereits eindeutiger: 2.126 dagegen, nur mehr 1.675 dafür. Die Differenz zwischen Ja- und Nein-Stimmen erhöht sich von 81 auf 451!

Erst beim Plebiszit am 29. Juni und 1. Juli 1984 ergibt sich bei einer Beteiligung von 86,2 % ein knappes Mehr für die Einführung: 2.370 Männer stimmen dafür, 2.251 dagegen. In der Folge führt das Fürstentum das Wahlrecht für Frauen ein. Ein kleiner Makel daran: Man fragt die Evas gar nicht, ob sie das überhaupt wollen. Für selbstbewusste Frauen schwingt in diesem Alleingang der Männer eine gehörige Portion Paternalismus mit.

Fazit: Einführung des Frauenstimmrechts 1984 und bereits 37 Jahre später – vielleicht – eine Frau an der Spitze der Regierung.

[Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Ziko van Dijk Lizenz: CC BY-SA 4.0]

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