Ad multos annos!
Vier Monate noch, dann wäre Joseph Ratzinger der älteste Papst auf dem Stuhle Petri – wenn man von seinem Rücktritt absähe. Leo XIII (1810-1903) nämlich, ein hagerer, zarter Italiener, der im Folge der Industrialisierung großen Einfluss auf die europäische Sozialpolitik nahm, verstarb 1903 nach 25-jährigem Pontifikat im biblischen Alter von 93 Jahren und 4 Monaten.
Feierlichkeiten standen zu Benedikts Geburtstag nicht auf der Tagesordnung. So kam zwar dieses Jahr wegen Corona keine Abordnung aus seiner bayrischen Heimat ins vatikanische Kloster, dafür blieb ihm – Corona sei Dank – auch der Pflichtbesuch seines Aushilfs-Nachfolgers Franz erspart. Zumal das Klima zwischen den beiden ziemlich abgekühlt ist. Schließlich ist Ratzinger durch einen kürzlich erschienen Text den Reformbestrebungen des argentinischen Papst-Darstellers Franz infolge der Amazons-Synode heftig in die Parade gefahren.
Auch hatte Benedikt einige Monate zuvor die Mitwirkung des linksliberalen Theologen Peter Hünemann an einer Schrift seines „Nachfolgers“ auf schärfste kritisiert. Zur Erinnerung: Hünemann war es, der Papst Benedikt 2009 in beispiellosem Ungehorsam „Amtsmissbrauch“ vorwarf, als Benedikt die Exkommunikation der Piusbruderschaft zurück genommen hatte, um die Alte Liturgie nach dem Motu Proprio „Summorum Pontificum“ noch ein Stück weiter in die Kirche zurückzuholen.
Weiters korrigierte Benedikt in einem Beitrag die Äußerung Franziskus‘, der Kindesmissbrauch innerhalb der katholischen Kirche sei Folge des „Klerikalismus“, also autoritärer Macht- und Gehorsamstrukturen. Für Benedikt sei vielmehr die „sexuelle Revolution“ der 60er-Jahre dafür verantwortlich.
Und Papst Benedikt hat kürzlich knapp eine halbe Million Euro einer von ihm ins Leben gerufenen Medienstiftung zur Förderung katholische Publizistik zur Verfügung gestellt, die allen voran die Qualitätszeitung „Tagespost“ unterstützen und katholisch-traditionalistische Journalisten heranziehen soll. All das ist links-protestantischen Kräften, aber auch dem neuen Papst-Darteller, ein gewaltiger Dorn im Auge.
Auch wenn sich der gesundheitliche Zustand Papst Benedikts in den letzten Monaten rapide verschlechtert hat – er kann mittlerweile kaum noch sprechen – möge sein wachsamer Geist auch weiterhin die Irrwege seines Nachfolgers korrigieren.
[Autor: A.L. Bild: Wikipedia Lizenz: CC BY-SA 2.0]