Preßburg: Regierungsparteien im Umfragetief

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Rl91 Lizenz: GNU-Lizenz für freie Dokumentation


Der deutschstämmige Premier Eduard Heger ist allerdings davon nicht betroffen

Die innenpolitische Lage bei unserem kleinen östlichen Nachbarn gleicht der in Österreich. Auch in der Slowakei erfreut sich nach Meinungsumfragen die Opposition der Zustimmung der Bevölkerungsmehrheit, gleichzeitig ist der gegenwärtige Ministerpräsident derjenige, den die Hälfte der Bürger weiterhin an der Spitze der Regierung sehen will.

Die in ungarischer Sprache erscheinende Preßburger Tageszeitung Új Szó (dt. Neues Wort) berichtet in ihrer Ausgabe vom 5. Juni von einer Umfrage, welche das Institut Fokus im Auftrag des größten slowakischen Privat-TV-Senders Markíza durchgeführt hat. Danach würden bei der Sonntagsfrage die drei derzeitigen Oppositionsparteien eine knappe Mehrheit von 76 Mandaten im 150-köpfigen Preßburger Landtag erreichen.

Bei dem Trio handelt es sich um die von der Smer-Partei (siehe sogleich) abgespaltene sozialdemokratische Hlas (dt. Stimme) des ehemaligen Premiers Peter Pellegrini (seine Vorfahren sind aus Italien zugewandert) mit einer Zustimmung von 20,3 %. Weiters um die ebenfalls sozialdemokratische Smer (dt. Richtung) von Robert Fico, ebenfalls ein gewesener Regierungschef, mit fünfzehn Prozent. Dritter im Bunde ist die eher rechtsorientierte Partei Republika mit 6,8 % Zustimmung. Anzumerken ist: In der Slowakei bestehen zwischen Sozialdemokraten und rechtsgerichteten Patrioten keinerlei Berührungsängste.

Das derzeitige Kabinett von Ministerpräsident Igor Matovič, nach der Wahl vom 29. Februar 2020 gebildet, stützt sich auf eine satte Mehrheit von 95 Sitzen im Parlament. Ihm gehören vier bürgerlich-konservative, rechtspopulistische und liberale Parteien an: OĽaNO (dt. Gewöhnliche Leute und unabhängige Personen; dzt. 53 Mandate), Sme rodina (dt. Wir sind eine Familie; 17), Sloboda a Solidarita (SaS; dt. Freiheit und Solidarität; 13)  und Za ľudí (dt. Für die Menschen; 12).

Nach der eingangs zitierten Umfrage stürzen die Koalitionsparteien ab: OĽaNO hält bei einer Zustimmung von bloß acht Prozent, SaS könnte 11,1 % der Wähler von sich überzeugen, Sme rodina würde mit 5,6 % knapp die Fünfprozenthürde nehmen, während Za ľudí mit 3,1 % klar daran scheitert. Zusammen käme das Quartett auf 45 Sitze im Landtag.

Für die katholisch-konservativen Christdemokraten der KDH (Kresťanskodemokratické hnutie) hat die Umfrage eine gute Nachricht. Die Partei würde, nach dem knappen Verfehlen der Fünfprozenthürde bei der Wahl 2020, wieder in den Landtag kommen. Den Christdemokraten werden jetzt 6,5 % prognostiziert. Neu ins Parlament käme die Partei für eine progressive Slowakei (PS; Progresívne Slovensko) des erst 38-jährigen Michal Šimečka, der immerhin einer der Vizepräsidenten des EU-Parlaments ist. Der PS werden – bei steigender Tendenz – 9,1 % vorhergesagt.

Schlecht steht es laut der Umfrage für die kleine Gruppierung Szövetség (dt. Allianz), das ist die – nach langwierigen internen Streitereien gebildete –  Sammelpartei der magyarischen Volksgruppe, die entlang der Südgrenze zu Ungarn siedelt. Die Allianz hält derzeit bei einer Zustimmung von 3,7 % Prozent. Damit würde, so wie 2020, keine Vertretung der Volksgruppe im Preßburger Landtag existieren.

Die hier besprochene Umfrage deckt sich ungefähr mit einer Meinungsbefragung zwischen 5. und  11. April, die das Institut AKO im Auftrag des ebenfalls privaten Fernsehkanals JOJ durchgeführt hat. Dabei wurde auch die Volkstümlichkeit des deutschstämmigen Premiers Eduard Heger abgefragt. Die Überraschung dabei: Im Gegensatz zu den schwachen Werten der gegenwärtigen Regierungsparteien kann Heger die Menschen von seinen Qualitäten überzeugen.

Heger gehört zur OĽaNO, für die sich – wie oben angeführt – nur matte 8 % der Wähler erwärmen können (bei der Wahl im Februar 2020 waren es 25,02 %), trotzdem wird Heger von fünfzig Prozent der Befragten als geeigneter Regierungschef angesehen, nur 46,2 % schätzen ihn als eher wenig geeignet ein. Geographisch betrachtet punktet er im wirtschaftlich und kulturell höherstehenden Westen der Slowakei, während im tendenziell rückständigen Osten des Landes der frühere rote Ministerpräsident Robert Fico vorne liegt. Heger wird von jüngeren Frauen besser beurteilt, außerdem von Befragten mit höherer formaler Bildung, weiters von Angehörigen der magyarischen Volksgruppe.

Die erwähnte Tageszeitung Új Szó titelt daher in ihrer Ausgabe vom 3. Juni zurecht: Heger wird von der Mehrheit der Slowaken als ausgezeichneter Ministerpräsident angesehen.

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