Schweden: Dürfen nur Rote die Arbeiterschaft vertreten?

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/Frankie Fouganthin Lizenz: CC BY-SA 3.0


Gewerkschaftsführung setzt gewählten Funktionär einfach ab

Ulf Karlström (56) ist Stahlarbeiter in Schwedens klirrend kaltem Norden, konkret im Stahlwert SSAB in Lulea, einer Kleinstadt am Bottnischen Meerbusen unweit der Grenze zu Finnland. Der kernige, in seinem Fach tüchtige Mitarbeiter ist bei seinen Kollegen beliebt, deswegen wählen sie ihn kurz vor Weihnachten zum Vorsitzenden der Sektion Roheisen in ihrer Metallergewerkschaft (Industrifacket Metall; kurz IF Metall). In dieser Funktion erweist er sich als engagierter Interessensvertreter.

Doch der Mann hat einen Makel: Karlström ist Mitglied und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Partei SD (Sverigedemokraterna; dt. Schwedendemokraten) im Stadtrat von Lulea. Die SD errang bei der letzten Wahl zum schwedischen Reichstag 17,5 % der Stimmen und 62 von 349 Mandaten. Vor allem im äußersten Süden des Landes, auf der Halbinsel Schonen, konnten die SD die traditionell vorherrschenden Sozialdemokraten (Sveriges socialdemokratiska arbetareparti; kurz: SAP; dt. Sozialdemokratische Arbeiterpartei) überrunden.

Apropos Arbeiterpartei: Gerade in dieser Kernklientel der Roten fassen die Schwedendemokraten immer stärker Fuß. Etwas, was Schwedens machtverwöhnte Sozis ziemlich nervös macht. Deshalb sind SD-Sympathisanten zwar als zahlende Mitglieder im roten Gewerkschaftsdachverband LO (Landsorganisationen i Sverige) geduldet, aber als Funktionäre weniger gern gesehen.

Im Fall Ulf Karlström meint der rote Betriebsratsvorsitzende und oberste Funktionär der Metallergewerkschaft bei SSAB, Tomas Karlssson, er glaube nicht, dass es bei Ulf Karlström Probleme geben werde, denn: Immer mehr Menschen im Kollektiv stimmen für die SD, kein Wunder, dass es auch bei SSAB SD-Sympathisanten gibt. Ich habe mit Ulf über unsere Grundwerte gesprochen und meine Einschätzung ist, dass er hinter ihnen steht, in Bezug auf Menschenrechte und mehr.

Doch unmittelbar nach der Wahl Karlströms schlägt das Imperium zurück: Die Stockholmer Zentrale der IF Metall kündigt an, die Angelegenheit zu untersuchen. Und kurz darauf gibt der Vorstand dieser Gewerkschaft Vollgas und dekretiert: Ein SD-Politiker kann nicht gleichzeitig in der Metallergewerkschaft zum Funktionär  gewählt werden. Weil die Werte der Schwedendemokraten mit denen der Gewerkschaft nicht vereinbar seien. Eine durchsichtige Ausrede, um die rote Vorherrschaft  aufrechtzuerhalten.

SD-Chef Jimmie Akesson dazu: Eine völlig sinnlose und skandalöse Aktion der Gewerkschafter in Stockholm. Die Sozialdemokraten spielen mit den Mitgliedsgeldern der gewerkschaftlich organisierten Schweden Mafiosi, und das ist nicht das erste Mal.

In Schweden zeigt sich sohin ein ähnliches Bild wie in Österreich: Ein angeblich parteiunabhängiger Gewerkschaftsbund begreift sich noch immer als Vorfeldorganisation der sozialdemokratischen Partei. Getreu dem Motto von Victor Adler: Partei und Gewerkschaft sind siamesische Zwillinge. Nicht-Sozis dürfen den ÖGB zwar mit ihren Mitgliedsbeiträgen sponsern, aber das Sagen hat der rote Machtapparat. Freilich: In den letzten Jahren hat sich in Schweden wie auch in Österreich die traditionelle Industriearbeiterschaft von den roten Parteien bereits mehrheitlich verabschiedet.

Ulf Karlström lässt die Angelegenheit mitnichten auf sich sitzen und meint: In meiner Freizeit bin ich Freizeitpolitiker. Bei der Arbeit bin ich zu 50 Prozent Gewerkschaftsfunktionär und zu 50 Prozent auf meinen Arbeitsplatz tätig. Er spüre eine sehr starke Unterstützung unter den Mitgliedern der Gewerkschaft und wird die IF Metall wahrscheinlich vor Gericht herausfordern. Mit guten Karten: Im Vorjahr hob das Stockholmer Bezirksgericht die Entscheidung der Transportarbeitergewerkschaft auf, das Mitglied Mats Fredlund auszuschließen, nachdem er für die Schwedendemokraten in den Stadtrat von Kiruna gewählt worden war.

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