Der Staberl – abberufen

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Autor: E.K.-L. Bild: Wikipedia/ United States Information Agency Lizenz: public domain


Richard Nimmerrichter, der legendäre Kolumnist, ist nicht mehr

Der Staberl ist dieser Tage verschieden, der genaue Todeszeitpunkt ist nicht bekannt. Er stand im 102. Lebensjahr. Ein Anlass, seinen Lebenslauf Revue passieren zu lassen.

Zuerst das Wichtigste: Richard Nimmerrichter blieb stets der Staberl, obschon die tägliche Staberl-Kolumne in der Kronen-Zeitung seit 2001 Geschichte ist. In jenem Jahr zählt er, Weltkriegsteilnehmer des Jahrganges 1920, immerhin schon 81 Lenze. Ein Zwist mit seinem Chef und Freund Dichand bewegt ihm dazu, sich emeritieren zu lassen. Fortan verbringt Nimmerrichter seine Zeit in Wien-Neustift (Hameaustraße Haus No. 20, Tür 3) – dort logiert er kostenlos, denn das Anwesen gehört der Kronen-Zeitung – oder in Pörtschach am Wörthersee, zeitweise auch im ebenso noblen Bad Hofgastein oder in seinem Haus bei Lilienfeld in den niederösterreichischen Voralpen.

Privat ist der Kinderlose viermal verheiratet und ebenso oft geschieden, wobei eine Vorliebe für Damen aus dem Fernen Osten hervorsticht. Kein Verhältnis hält längere Zeit, da der Staberl (übrigens ist das eine Anleihe aus dem Personal-Fundus des Johann Nestroy) in einem Interview gesteht: Die dauernde körperliche Nähe eines Menschen bereitet mir Unbehagen. Offenbar selbst dann, wenn es sich um ausnehmend schöne Evas handelt, wie zum Beispiel Louise Martini, die der Feschak in seinen jungen Jahren an Land zieht. Treu bleibt er seinen Autos, die er solange fährt, bis die Bodendecke, vom Rost zerfressen, bricht. Auch dem Tennissport ist Staberl bis ins hohe Alter verbunden. In einem damals überaus noblen Tennisklub ist er einer jener Gutsteher, die für ein neues Mitglied geradestehen. Dessen Name: Jörg Haider.

Staberl, praktisch nie krank, liefert zwischen 1964 und 2001 Tag für Tag seine Kolumne ab (eine monatliche Kolumne ab 2011 verläuft binnen kurzer Zeit im Sande). Er verfasst sie auf einer mechanischen Schreibmaschine, stets 110 schmale Zeilen zu jeweils 23 Anschlägen. Eine Millimeterarbeit. Danach bringt er sein Elaborat persönlich zur Kronen-Zeitung ins Pressehaus (Wien-Heiligenstadt) oder diktiert es der Sekretärin per Fernsprecher. Apropos: Außer dem ehemaligen Pilz-Abgeordneten Alfred J. Noll und dem Verfasser dieser Zeilen gehört der Staberl zu jenen archaisch anmutenden Zeitgenossen, die ein Hand-Fernsprechgerät verweigern. Staberl dazu: Wer mich telefonisch zu sprechen wünscht, der kann mich jeden Tag bis 9 Uhr morgens über meinen Festnetzanschluß erreichen.

Mit dem Gericht bekommt es der Staberl des Öfteren zu tun. Gute 148-mal wird er geklagt, meist wegen Ehrenbeleidigung oder übler Nachrede. Die 58 Verurteilungen zur Zahlung einer Geldstrafe steckt er locker weg. Weil dafür die Kronen-Zeitung durch einen Griff in die Portokasse aufkommt. Arbeitsrechtler nennen so etwas: (exzessive) Fürsorgepflicht des Dienstgebers.

Dabei hätte Staberl auch aus eigener Tasche begleichen können. Sein Entgelt ist nicht ohne: Gegen Ende seiner Tätigkeit (2001, sohin knapp vor der Einführung des Brüsseler Spielgelds) erhält die Edelfeder Monat für Monat eine Gage von öS 210.000 brutto. An sich genügt das für ein standesgemäßes Leben, aber der Mann hat noch eine Quelle in petto: Als lebenslanges Deputat für sein beherztes Dazwischentreten beim sogenannten Zeitungsputsch gegen die Kronen-Zeitung anno 1966 bekommt Staberl 1,43 Prozent des Jahresgewinns des Kleinformats. Das klingt mickrig, ist es aber nicht. Als die Auflage des Kleinformats, vielfach als Hausmeisterblatt geschmäht, in den 70er-oder 80er-Jahren  förmlich explodiert, kommen da noch einmal sechs Millionen Schilling (vor Steuer) aufs Konto. Per annum, wohlgemerkt.

Das Geld, das sich da so ansammelt, legt der Staberl in etlichen Zinshäusern an, aber auch in Gemälden nach seinem Gusto. Auf der Speisekarte stehen da Biedermeier-Werke von Ferdinand Waldmüller, Rudolf von Alt und Friedrich Gauermann. Fünfzehn Werke hat er bereits zu Lebzeiten der Landesgalerie in Sankt Pölten vermacht. Weil alle meine Vorfahren aus Niederösterreich kamen, und irgendwer muss es ja bekommen. Auch der Verein „Rettet den Stephansdom“ ist auf der Gewinnerseite, er kriegt einen Teil des Vermögens. Die emeritierte Edelfeder (kurzzeitig sogar SPÖ-Mitglied im Jahre Schnee) dazu launig wie immer: Und zwar nicht, um den Klerikalen eine Freude zu machen, sondern weil der Dom das Wahrzeichen jener Stadt ist, in der ich geboren wurde.

Nebenbei: Seinen Neffen hat er enterbt, weil der junge Mann keck gewesen sei und den Staberl eine Art Nazi geheißen haben soll. Dabei hat der Kolumnist schon Beleidigungen sonder Zahl weggesteckt. Etwa, als ihn die weltberühmte Literaturkritikerin Sigrid Löffler Hausmasters Voice nennt. Nimmerrichter, so die Gute, genüge es, sich aus dem Parterre seiner bodenständigen Überzeugungen zu lehnen, um die Weltlage zu beurteilen.

Herbert Lackner, eine andere Koryphäe des Periodikums „Profil“,  höhnt anlässlich der Mondlandung 1969, der Staberl betrachte die Raumfahrt aus der Perspektive des Gangfensters auf der Zweierstiege. Natürlich zieht der Krone-Kolumnist beständig die Abneigung der Gutmenschen auf sich, wenn er von der Nudelschrift der Araber spricht oder gar den Präsidenten afrikanischer Staaten unter Narkose die Schuhe anziehen will. Feministinnen gelten ihm als Frustnudeln, die irgendwann die Überfuhr verpasst haben.

Requiescat in pace!

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