So geht Energiesparen richtig

by admin2

Autor: U.K. Bild: The Trustees of the British Museum Lizenz: CC BY-NC-SA 4.0


Fasst den Kohlenklau!

Sparen bei Gas, Strom und Heizung ist ja jetzt die erste Bürgerpflicht. Und wie man das richtig macht, erklären uns tagtäglich Mainstream-Medien und Politiker. Ob Deckel auf den Kochtopf (Energieministerin Leonore Gewessler, Österreich), Heizung runterdrehen (EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen), seltener duschen oder am besten gleich „Frieren für den Frieden“ (Ex-Bundespräsident Joachim Gauck, Deutschland) – an klugen Vorschlägen kluger Politiker herrscht kein Mangel.

Ob solch geballter Energiesparschläue wäre der Autor fast vor Ehrfurcht erstarrt. Aber eben nur fast. Denn eine kurze Recherche bringt es an den Tag: Alles abgekupfert. Schon vor exakt 80 Jahren wurden die Menschen hierzulande regierungsamtlich ermahnt, Strom und vor allem Gas zu sparen. In der seinerzeit üblichen Form gereimter Sinnsprüche heisst es wörtlich:

„Seht, wo Strom ihr sparen könnt

und wo Gas unnötig brennt.“

Der Energieschurke war damals allerdings nicht der böse Mann in Moskau, sondern ein stoppelbärtiger, biberzähniger Fiesling namens „Kohlenklau“, der heimlich durch die Lande strich und die wertvollen Energierohstoffe in seinem Sack raubte:

„Er klaut das Gas und stiehlt das Licht,

raubt Strom und Kohle. Duldet’s nicht!“

Damit das Energiesparen in der Familie auch wirklich klappt, wurde damals sogar ein Würfelspiel „Jagd auf Kohlenklau“ in einer Auflage von 4 Millionen Exemplaren produziert und kostenlos an die Haushalte verteilt.

Jagd auf Kohlenklau“ Brettspiel, © The Trustees of the British Museum, CC BY-NC-SA 4.0

Dort werden Erwachsene wie Kinder spielerisch vor energetischen Todsünden gewarnt, wie z.B. „Feld 33 … hat Rundfunkapparat im Betrieb, trotzdem niemand zuhört.“ (vielleicht lief ja gerade eine VdB-Rede?), „Feld 46. … liest im Bett, schläft ein, läßt Licht brennen!“ oder gar „Feld 29. … hat elektrischen Heizofen zusätzlich eingeschaltet (ganz schlimm!)“. Letzterer Frevel konnte sogar zum Ausscheiden des unglücklichen Spielers führen.

Erwünschtes Verhalten wurde hingegen mit extra Würfeln oder einem Vorrücken auf dem Spielfeld belohnt. Lobenswerte Beispiele: „Feld 7. … dreht Zentralheizung im unbenutzten Zimmer und auch im Schlafzimmer ab.“ oder „Feld 34. … macht Abwaschwasser durch Turmkochen heiß, spart Gas!“ (da kann die Frau Gewessler noch richtig was lernen!). Und auch an Homeoffice hatten die Macher offenbar damals schon gedacht: Auf Feld 14 sind ein halbwüchsiger Jüngling und ein Mädchen zu sehen, wie sie gemeinsam einen Tisch durch Wohnung tragen, weil „… hilft beim Umräumen in das geheizte Zimmer.“.

Erschaffen wurde die Figur des Kohlenklau im Sommer 1942 im Auftrage des „Reichsministeriums für Volksaufklärung und Propaganda“ in Berlin durch die Stuttgarter Werbeagentur „Arbeitsgemeinschaft Hohnhausen“. Ziel der nach Expertenmeinung bis heute umfangreichsten Energiespar-Werbeaktion, die jemals durchgeführt wurde, war, der nationalsozialistischen Kriegsmaschinerie die notwendige Versorgung mit Energie zu sichern.

Unter Gesichtspunkten des Marketing und des Brand-Building war der Kohlenklau durchaus ein Erfolg. Omnipräsent in Medien und im Straßenbild bis zum Kriegsende, kannte buchstäblich jedes Kind den miesen, fetten Energieräuber. Auch nach dem Krieg blieb die Figur in Deutschland weiterhin populär und wurde bis in die 1960er Jahre als Synonym für unrechtmäßige Aneignung von vermeintlichem oder wirklichem Gemeinschaftseigentum verwendet.

Und anders als unsere heutigen Politiker, deren Gassorgen vor allem um den nächsten Winter kreisen, dachten die Propagandisten in Berlin vor acht Jahrzehnten weiter. Denn: „Ob grün, ob weiß sind Feld und Au – denk jederzeit an Kohlenklau!“

*

Das könnte Sie auch interessieren