AfD: Ein Ex-Parteichef als „Feindzeuge“

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Autor: Bild: Sandro Halank, Wikimedia Commons Lizenz: CC BY-SA 4.0

Viele rechneten schon lange damit, und in der letzten Januarwoche war es dann so weit: Der knallige AfD-Austritt des langjährigen AfDSprechers Jörg Meuthen. Angeblich hätten sich maßgebliche Teile der AfD radikalisiert, es gebe „totalitäre Anklänge“, so Meuthen. Dafür trat die langjährige CDU-Bundestagsabgeordnete, ehemalige Präsidenten des „Bundes der Vertriebenen“ und Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung, Erika Steinbach, demonstrativ in die AfD ein. Sie verurteilte Meuthens Schritt und kritisierte seine „zerstörerische Form des Austritts“ scharf.

Jörg Meuthen trat Ende Januar aus der AfD aus. Hat Sie das überrascht?
Erika Steinbach: Nein! Ich hatte sogar befürchtet, dass er noch vor der Bundestagswahl 2021 austreten würde. Das unterblieb zwar, aber auch seine jetzige Art des Austritts hat mich zutiefst befremdet. Aus der Hamburger AfD gibt es z. B. von Alexander Wolf den Kommentar, dass Meuthens Abgang nicht das Scheitern der AfD bedeute, sondern das Scheitern des Jörg Meuthen.

Ein angeblicher Rechtsruck sei Unsinn. Stimmen Sie zu?
Steinbach: Ja! Es ist erkennbar, dass Meuthen, der ja lange Zeit über eine 2/3-Mehrheit im Bundesvorstand verfügte, seine eigenen Freunde langsam aber sicher so vergrault hatte, dass er sich am Ende nicht mehr durchsetzen konnte. Aber das lag nicht an der AfD, sondern an seiner Art des Umgangs mit Menschen.

Erika Steinbach (Bild: Twitter)

Wie haben Sie ihn erlebt?
Steinbach: Als einen freundlichen Mann mit vielen klugen Gedanken. Sein Problem: Letztlich hatte er zu wenig Empathie für seine Mitstreiter, selbst im engeren Umfeld. Bisweilen fiel er auch durch irritierende Unberechenbarkeiten auf. Dennoch: Er war mir sympathisch, ich führte viele Gespräche mit ihm, vor allem, wenn er mit der AfD haderte, weil irgendetwas nicht in seinem Sinne lief. In Reaktion auf Meuthen kündigten Sie Ihren Eintritt in die AfD an, obwohl Sie ein solches Engagement mit dem Verlassen der CDU 2017 gar nicht mehr vorhatten.

Was bewog Sie dazu?
Steinbach: Seit 2018 leite ich die die Desiderius-Erasmus-Stiftung und habe dadurch naturgemäß immer wieder Kontakt zu vielen AfD-Mitgliedern bekommen. Im Stiftungs-Vorstand gehören bislang außer mir alle der AfD an. Allesamt hochkompetente und gewinnende Menschen, die sich bewundernswert mit Herz und Verstand für die Stiftung und letztlich damit für Deutschland engagieren. Daher mein Entschluss. Meuthen folgte mit seinem Austritt den Beispielen von Lucke und Petry.

„Sowohl Lucke als auch Petry waren ja alles andere als dumme Menschen.“

Besaßen diese Ex-Vorsitzenden der AfD zu wenig staatspolitische Nachhaltigkeit, etwa im Sinne von Max Webers Satz: „Politik bedeutet ein starkes langsames Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmaß zugleich“?
Steinbach: Sowohl Lucke als auch Petry waren ja alles andere als dumme Menschen, sie hatten ihre eigenen Qualitäten. Aber sie unterschätzten offenbar, dass Parteiarbeit auch immer mit zahlreichen Kompromissen verbunden ist und weiter, dass man mit Menschen unterschiedlichsten Niveaus umgehen können muss. Als ich 1974 in die CDU eintrat und nach meiner ersten Veranstaltung entsetzt mit der Bemerkung nach Hause kam „Mensch, wo bin ich denn da hingeraten, da gibt es ja so viele primitive Äußerungen!“ entgegnete mein Mann: „Du bist in einer Volkspartei, da gibt es alles!“ Das war trefflich formuliert und das ist in der AfD genauso.Offenbar fehlte den Ausgetretenen die persönliche Größe, sich für einige Zeit ins zweite Glied zurückzuziehen, um dann später vielleicht wieder in der ersten Reihe zu stehen. Wenn Friedrich Merz nach seiner Entmachtung durch Angela Merkel vor 20 Jahren durch Parteiaustritt kapituliert hätte, wäre er sicherlich nie im dritten Anlauf kürzlich zum CDU-Vorsitzenden gewählt worden …

„Im heißen Maschinenraum einer Volkspartei geht es laut her, ja, es stinkt und raucht auch …“
Steinbach: Man darf eben nicht nur in Tagesaktualitäten denken und glauben, wenn irgendetwas nicht so funktioniert, wie man es gerne hätte, müsse man sich wie die „beleidigte Leberwurst“ zurückziehen. Und etwas anderes geht erst recht nicht, wie im Falle Meuthen/AfD, sich nämlich dann noch als „Feindzeuge“ mit haltlosen Behauptungen beim parteipolitischen Gegner anzudienen, um erkennbar massiven Schaden verursachen zu wollen!

Erika Steinbach zu Jörg Meuthens Austritt: „Schäbig und unanständig!“

Haben Sie eine Erklärung?
Steinbach: Ich glaube, dass sich insbesondere manche Hochschul-Professoren mit den Niederungen des Parteilebens besonders schwer tun. Sie verstehen oft nicht, dass sie nicht „ex cathedra“ vor akademischen Publikum per Vorlesung referieren können, oder nur mit wissenschaftlich grundierten Fragen aus einem „Auditorium“ höflich bedacht werden, sondern sich im heißen Maschinenraum einer jungen, noch nicht ausgereiften Volkspartei befinden, da wo es laut hergeht und ja, wo es auch bisweilen stinkt und raucht. Als Gründe für seinen Austritt nannte Meuthen eine angebliche Radikalisierung der Partei, womit er die Konkurrenz-Sicht des alten Parteienkartells im Kampf gegen die AfDKonkurrenz übernimmt und dem parteipolitisch instrumentalisierten Inlandsgeheimdienst sich als so genannter „Feindzeuge“ anbietet.

Wie überzeugend wirkt das auf Sie?
Steinbach: Überhaupt nicht! Schließlich hat er doch selbst den wenigen so genannten „Radikalen“ den Teppich ausgerollt, sich mit ihnen umgeben und sogar zuletzt noch den Parteiausschluss von wirklich inakzeptablen Parteivertretern verhindert. Kurzum: Seine Einlassungen zu einer vermeintlichen Radikalisierung der AfD aus seinem Mund sind – ich muss es sagen – schäbig! Die ganze Argumentation, wie er seinen Austritt begründet, fand ich menschlich unanständig!

Jetzt ließ er verlauten eine neue Partei zu gründen …
Steinbach: Er wird damit keinen Erfolg haben!

Frau Steinbach, vielen Dank für dieses Gespräch!

Das Gespräch führte Bernd Kallina.

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