“Gefahr, dass Politik nur für die Senioren gemacht wird”

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Autor: Bild: Manfred Werner/Tsui Lizenz: CC BY-SA 3.0


Meinungsforscher Werner Beutelmeyer (Market) über das Kreuz mit den Umfragen und was das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl bedeutet

Herr Professor Beutelmeyer, die Marktforschung wurde immer wieder ob ihrer ungenauen Vorhersagen gescholten. Bei dieser Bundespräsidentenwahl lagen die Prognosen aber ziemlich richtig. Wie sehen sie diese Situation?
Werner Beutelmeyer: Wenn man sich die beiden letzten Wahlgänge, die Tiroler Landtagswahl und die Bundespräsidentenwahl anschaut, so muss man sagen, dass wir als Market-Institut sowohl von Herrn Dr. Filzmaier im ORF als auch vom Dr. Hajek von Unique-Research arg beschimpft wurden. Dazu muss man sagen, dass im Falle des Dr. Filzmaier wohl ein bisschen gekränkte Eitelkeit ob seiner Deutungshoheit zum Tragen gekommen ist, und beim Dr. Hajek ist es natürlich die Konkurrenzsituation, die versucht, Marktanteile zu machen. Dabei wurde übersehen, dass wir auch bei der Tiroler Landtagswahl alle entscheidenden Kriterien richtig vorhergesagt haben. Den tiefen Einbruch der ÖVP, wir haben auch gesagt, dass die Grünen verlieren und die NEOs ein Plus vor ihrem Ergebnis haben würden. Beides ist eingetroffen. Ebenso haben wir von einem Zweikampf um den zweiten Platz gesprochen mit einer Tendenz zur FPÖ. Wir haben das deutlich gemacht aufgrund unserer Datenlage, bei der erkennbar war, dass die FPÖ stark zulegen würde. Darüber hinaus hatten wir auch die Liste Fritz als den eigentlichen Sieger prognostiziert.

Werner Beutelmeyer vom Market-Institut (Bild: market.at)

Was unterscheidet in diesem Fall Ihr Institut eigentlich von den anderen?
Beutelmeyer: Wir waren die einzigen, die angekündigt hatten, dass Marco Pogo den Dr. Wallentin überholen würde. Damit hatten wir die genaue Reihenfolge der Kandidaten, wie sie sich dann im Ergebnis widergespiegelt hat, auch wenn wir Dr. Rosenkranz etwas niedriger gemessen hatten. Insgesamt gesehen sollte man durchaus auch etwas Demut zeigen und nicht präpotent auf andere Institute hinhauen. Es gibt keine alleinseligmachende Methode. Die gibt es in der Marktforschung nicht.

Der zweite Wahlgang ist für einen amtierenden Präsidenten, auch wenn das von Van der Bellen abgestritten wurde, doch eine „gmahte Wiesn“. Wäre es da nicht vielleicht doch gescheiter, auf eine zweite Periode zu verzichten und dafür die Funktionsdauer des Präsidentenamtes zu verlängern?
Beutelmeyer: Es ist ein Unding, wenn da jemand aus der Hofburg antritt gegen Kandidaten, die nicht einmal die Chance bekommen, mit ihm zu diskutieren. Das ist in Wirklichkeit eine Farce. Die kann man natürlich dadurch verhindern, indem man seine Amtszeit verlängert, auf acht Jahre beispielsweise. Ich fände das sehr vernünftig, alles andere bringt eigentlich nichts und kostet nur unnötiges Geld. Das natürlich auch, weil die sogenannten „großen Parteien“ nicht einmal in der Lage sind, eigene Kandidaten aufzustellen. Das ist wohl auch ein Armutszeugnis, dass kein Kandidat der SPÖ und keiner der ÖVP angetreten ist. Dass die FPÖ die einzige Partei war, die die Kraft hatte, einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken ist eigentlich eine Schieflage, da passt das System so nicht. Das sollte man schleunigst korrigieren.

Es gibt allerdings doch Einzelheiten, die überraschend sind. So ist das Ergebnis von Wallentin wohl eher enttäuschend, wenn man bedenkt, dass da die „Kronen Zeitung“ im Hintergrund gestanden ist.
Beutelmeyer: Die Überschätzung der „Krone“ hat es auch schon bei anderen Aktivitäten gegeben. Für mich war es eine Woche vor der Wahl überraschend, als ich die letzte Hochrechnung machen ließ. Pogo vor Wallentin, da dachte ich mir, das gibt es ja nicht. Aber nach unserer Datenlage war es eindeutig. Dass Wallentin trotz seines starken Basismediums, der „Kronen Zeitung“, nicht mehr zusammengebracht hat, ist wohl ein Zeichen für die starke Überschätzung des Mediums „Kronen Zeitung“.

Das Wallentin-Ergebnis zeigt die ­starke Überschätzung der Medienmacht der „Kronen Zeitung“.

Das gute Abschneiden von Pogo zeigt auch davon, dass sich die Jungen Alternativen gesucht haben. Es waren ja vor allem die jungen Grünwähler und die anderen jungen Linken. Ist das nicht ein Zeichen, dass die Parteien jüngere Kandidaten aufstellen müssen, um für die Jungen wieder attraktiv zu werden?
Beutelmeyer: Ja, ich glaube, das ist schon ein deutliches Signal. Wir haben das auch in Tirol gesehen. Da ist die Politik offensichtlich ganz massiv aufgefordert etwas zu tun, um die Jungen wieder zur Wahl zu bringen. Die aktuellen Parteien sind einfach alt. Besonders alt ist die ÖVP. Da sind Angebote notwendig. Gleiches gilt auch für die SPÖ. Bei der FPÖ herrscht eine gewisse Ausgeglichenheit. In Summe gibt es aber die Gefahr, dass Politik für die Senioren gemacht wird. Nicht aber für die nächste Generation.

Ein anderes interessantes Ergebnis ist jenes von Kärnten, wo Van der Bellen nicht die absolute Mehrheit erhalten hat. Kann man das als Hinweis dafür werten, dass dort das Potenzial für die Freiheitlichen besonders groß ist?
Beutelmeyer: Ja, natürlich ist das ein Hinweis. Diese Möglichkeiten haben wir aber nicht nur in Kärnten, sondern auch in Salzburg und in Oberösterreich. Jetzt bei der Bundespräsidentenwahl haben wir es aber in Kärnten ganz deutlich gesehen.
Alles in allem betrachtet, brauchen wir in Österreich überhaupt einen Bundespräsidenten?
Beutelmeyer: Ja, ich glaube schon. Wir sind das schon allein unserer Vergangenheit schuldig, denken wir nur an die langen Jahre, die Österreich einen Kaiser an der Spitze des Staates hatte.

Das Gespräch führte Walter Tributsch.

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